Deusches Auswanderer-Paar auf Azoren verurteiltDoppelmord-Komplizin oder Justizopfer? „Wir sind unschuldig”
Ist sie die Komplizin in einem Doppelmord oder Opfer eines Justiz-Skandals?
Der Ehemann von Ruth Hager sitzt im Gefängnis in Portugal. Der Vorwurf: Er soll zwei Männer erschossen haben. Sie soll ihm geholfen haben, alles zu vertuschen. Deutsche Kriminologen zweifeln an der Version der portugiesischen Ermittler.
Auswandererglück verwandelt sich in Alptraum
„Sind Tom und Sie unschuldig?“ Ruth Hager zögert keine Sekunde: „Ja, wir sind unschuldig.“ Sie wollte auf den Azoren ihr Lebensglück finden. Ausgewandert vor 20 Jahren, führt sie ein bescheidenes Leben abgeschieden mit ihren Tieren. Gemeinsam mit ihrem Freund Tom scheint ihr Glück perfekt. Bis ihr Traum am 10. September 2022 auf einen Schlag zum Albtraum wird.

An diesem Tag fahren Grundstückshändler Mario Coucelos und sein Freund Mario Sobral mit dem Auto zu einem Grundstück, das sie kaufen wollen. Es grenzt direkt an das Grundstück des deutschen Auswandererpaares. Seither sind die beiden Männer verschwunden.
Tom soll zwei Männer getötet und ihre Leichen verbrannt haben
Der portugiesische Kriminal-Hauptkommissar Sergio Soares hat damals die Ermittlungen geleitet. Für ihn ist der Fall klar: „Unsere Ermittlungen haben ergeben, dass Tomislav die beiden Männer mit seiner Pistole erschossen hat. [...] Dann hat er sie auf sein Grundstück gebracht und dort verbrannt“, sagt er.
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Ruth wird verdächtigt, Tom bei der Beseitigung der Leichen geholfen zu haben. Obwohl sie für den angeblichen Tatzeitpunkt ein Alibi hat. Sie war auf der Nachbarinsel und kann das mit dem Ticket der Fähre und Kassenbons belegen.
Deutscher Experte hat große Zweifel
Der ehemalige LKA-Ermittler Marius Richter hat für Ruth ein kriminal-forensisches Gutachten für den Prozess erstellt und auch vor Gericht ausgesagt. Er ist sicher: „Es war eigentlich klar, dass das Gericht keine Argumente hören wollte - irgendwie nur zur Verurteilung kommen wollte.“

Toms Verurteilung stützt sich in erster Linie auf Indizien. Experte Richter hält nicht alle für stichhaltig. Er verweist zudem auf Spuren, denen die portugiesischen Ermittler nicht nachgegangen seien. Außerdem hält er für fragwürdig, wie Tom die leblosen Körper über die Mauer und anschließend mehrere hundert Meter zu einer Feuerstelle neben dem Haus gebracht haben soll.
Hoffen auf die Revision
Angeblich soll Tom die Körper rückstandslos verbrannt haben. Ruth werfen die Ermittler vor, sie hätte das gesehen und ihm bei der Asche-Verstreuung geholfen. Marius Richter argumentiert: „Wir reden von zwei menschlichen Körpern. Ich weiß nicht, wie viel Wald hätte man abholzen müssen, um genügend Brennmaterial immer wieder nachlegen zu müssen.”
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Ebenso unklar ist, wie es zu Toms Geständnis gekommen ist. In stundenlangen Verhören sollen die Ermittler Tom, der nur gebrochen Portugiesisch spricht, unter Druck gesetzt haben. Schließlich unterschreibt Tom, dass es einen Streit mit den Männern gegeben habe. Weil er sich von ihnen bedroht fühlte, habe er geschossen. Dieses Geständnis widerruft Tom nur einen Tag später.
Ruth glaubt: „Tom hat das Geständnis aus Liebe zu mir gemacht. Er wollte mich schützen. Er wollte mich raushaben.” Fast sechs Monate lang wird der Fall vor Gericht verhandelt. Im Mai 2024 fällt das Urteil: 25 Jahre Haft für Tom, drei Jahre und zehn Monate für Ruth. Das Paar legt Berufung ein. Ruth und Tom setzen ihre ganze Hoffnung auf ein mögliches Revisionsverfahren. Während er in Untersuchungshaft sitzt, darf sie so lange auf freiem Fuß bleiben.