Ein Behördenfehler macht alles noch viel schlimmer
Stalker fängt Felicia (33) beim Joggen ab und terrorisiert sie jahrelang
Eine zufällige Begegnung stellt Felicias' (33) Leben komplett auf den Kopf. Beim Joggen in Köln wird die Projektmanagerin im Sommer 2021 von einem Mann angesprochen, der angeblich nur eine kurze Frage hat. Es ist der Beginn eines jahrelangen Stalking-Horrors.
Köln: Fremder verwickelt Joggerin in Gespräch
"Mir kam ein Mann entgegen – 'Ah, stopp, stopp'", erinnert sich Felicia im Gespräch mit RTL. "Und hat auch die Arme so ein bisschen auseinandergemacht." Die Frage des Mannes: "Ich bin Tourist hier und suche ein Café."
Felicia gibt ihm einen Tipp – und trifft den Mann eine Woche später erneut auf ihrer Joggingstrecke am Rhein. "Dasselbe Spiel: Er hat mich wieder mit den Händen auseinander angehalten." Der Unbekannte verwickelt die Joggerin in ein Gespräch und behauptet, bei einem Bootsunternehmen zu arbeiten. Weil Felicia einem Freund einen Bootsführerschein schenken will, tauschen die beiden ihre Telefonnummern aus.
Expertin sieht bei Stalker "pathologische Züge"
"Ein paar Tage später kam dann die erste Nachricht", erzählt Felicia. "Da stand drin, wie toll er mich findet – und ich hab gedacht: oh wei." Der Unbekannte überschüttet sie in den folgenden Tagen mit langen SMS, schreibt unter anderem "… träume jede Nacht von dir" und "Ich liebe dich." Felicias' Aufforderung, sie in Ruhe zu lassen und ihre Nummer zu löschen, macht alles noch schlimmer.
Der Mann sendet ihr noch mehr Nachrichten, findet die Arbeitsadresse der Projektmanagerin heraus und schickt dorthin Pakete und Briefe mit langen, seltsamen Nachrichten. "Das war gruselig. In dem Moment habe ich Angst bekommen", erinnert sich Felicia.
"Er hat sich den ganzen Tag – Stunde um Stunde mit ihr beschäftigt", sagt Kriminalkommissarin a.D. Sandra Cegla, als sie sich die Briefe ansieht. Der Unbekannte richtet die zum Teil zehn Seiten langen Schreiben nicht nur an Felicia, sondern schreibt auch "Sehr geehrter Herr Bundespräsident". "Das lässt sehr pathologische Züge vermuten", sagt Cegla. "Das kann sich immer Richtung Gefahr entwickeln, weil er so realitätsfremd ist."
Einstweilige Verfügung interessiert den Stalker nicht
Felicia geht zur Polizei, fühlt sich dort aber nicht ernst genommen. Dennoch erstattet sie Anzeige. Weil der Polizist aber nicht ihre Arbeitsadresse, sondern ihre Privatanschrift einträgt, erfährt der Stalker per Akteneinsicht, wo die 33-Jährige wohnt. "Polizisten sollten das eigentlich wissen", sagt ein Anwalt, der Felicia berät. "Das ist schon ein schwerer Fehler."
Das Gericht untersagt dem Stalker per Einstweiliger Verfügung jede weitere Belästigung und droht mit 250 Euro Strafe. Doch das hält den Mann nicht auf: Er kommt regelmäßig zu Felicias' Wohnung, wirft ihr Briefe und Gegenstände in den Briefkasten – inzwischen stellt er ihr seit mehr als einem Jahr nach. "Ich hab mich für dumm verkauft gefühlt und hatte das Gefühl, dass man sich die Einstweilige Verfügung auch sparen kann", sagt die 33-Jährige.
RTL findet heraus, dass der Stalker Christian W. heißt und in mehreren Städten bei Polizeidienststellen bekannt ist. Besonders perfide: Er ist Volljurist und müsste genau wissen, welche Straftaten er begeht. Seinen Nachbarn sind die Stalking-Vorwürfe bekannt. Es sei schon öfter die Polizei dagewesen, berichten sie. Doch Christian W. bleibt auf freiem Fuß und legt sogar Widerspruch gegen die Einstweilige Verfügung ein. Deshalb muss Felicia vor Gericht erscheinen.
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Christian W. macht Stalking-Opfer vor Gericht Heiratsantrag
Im August 2022 kommt es zur Verhandlung, die Christian W. offenbar gar nicht wegen des Widerspruchs angestrebt hat. Stattdessen veranstaltet er ein unwürdiges Spektakel – und macht Felicia im Saal einen Heiratsantrag. "Der saß da zehn Minuten und hat einfach nur seinen Heiratsantrag runtergespult", sagt sie im Anschluss. "Der Richter hat ihn gewähren lassen, ich habe auch gedacht: Warum setzt er dem nicht am Ende?" Ihr Vertrauen in die Justiz ist gebrochen.
Der Stalker macht immer weiter. RTL beobachtet ihn, wie er mitten in der Nacht Briefe in den Briefkasten der 33-Jährigen stopft. Er droht ihr in Schreiben mit kruden juristischen Konsequenzen, schimpft über Polizei, Gericht und Staat.
Flucht vor dem Stalker: Felicia zieht um
Felicia sieht keinen anderen Ausweg, als umzuziehen. "Es fällt mir sehr schwer, diese Wohngegend zu verlassen, aber das Sicherheitsgefühl geht vor", sagt sie. Der Stalker erfährt von ihrem Plan, der Tag des Umzugs fühlt sich für die Projektmanagerin an wie eine Flucht: Zu groß ist ihre Angst, dass Christian W. vor der Tür steht. Weil ein Polizeischutz für sie abgelehnt wurde, rüstet sie sich für den Fall der Fälle mit Pfefferspray.
Doch alles geht auf, der Stalker taucht nicht auf. An ihre neue Adresse schickt er keine Briefe, die Zahl der Handynachrichten sinkt. Doch jetzt zeigen sich bei Felicia die Folgen der emotionalen Dauerbelastung. "Ich habe einen gesundheitlichen Zusammenbruch gehabt", berichtet sie. Ihre Augen beginnen zu schmerzen, Ärzte diagnostizieren eine Stressreaktion.
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Christian W. ist ein offenbar ein Serienstalker
Dann bekommt sie von Christian W. eine SMS: "Ich sitze gerade in der Zelle – dank Haftbefehl (von dir)." Von den Behörden ist sie nicht darüber informiert worden, dass U-Haft für den Stalker angeordnet wurde.
Im Juli 2023 muss Felicia wieder bei Gericht erscheinen. Es soll entschieden werden, ob Christian W. in eine Psychiatrie kommt. Im Saal bedroht er die Anwesenden mit Faustschlägen in die Hand, brüllt den Richter an. Und es kommt heraus: Christian W. ist ein offenbar ein Serienstalker. Ein weiteres mutmaßliches Opfer berichtet RTL von ähnlichen Taten wie im Fall von Felicia und soll im Prozess gegen ihn aussagen. Zudem soll W. die gesamte Leitung der Ruhruniversität in Bochum gestalkt haben.
Felicia hofft, dass der Richter durchgreift – und der Stalking-Horror für sie nach zwei Jahren endlich ein Ende hat.