Gefährlicher als das Coronavirus selbst?

Kinder-Impfung "entsetzlich"? Til Schweigers Aussagen im Faktencheck

Schauspieler Til Schweiger (57) spricht sich in dem Trailer zu einem neuen Dokumentarfilm namens "Eine andere Freiheit" gegen eine Corona-Impfung von Kindern aus. Und das mit deutlichen Worten: "Entsetzlich" finde er das, sagt er in dem Video, das bei YouTube zu sehen ist. Neben dem Schauspieler kommen auch weitere Kollegen, österreichische Prominente und Ärzte zu Wort.
Wir haben den Faktencheck gemacht: Im Video sehen Sie, wie Experten die Aussagen des Schauspielers beurteilen.
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Belege liefert Schweiger nicht mit

"Für Kinder ist dieser Virus absolut harmlos. Die Gefahr von einer Impfung, die man nicht erforscht hat, ist ungleich höher als der Virus selber", behauptet Til Schweiger in dem Clip, der von einem YouTube-Kanal mit gerade einmal 3100 Abonnenten (Stand 6. September) gepostet wurde. Belege für seine Behauptungen liefert er nicht mit. "Deswegen halte ich das persönlich für entsetzlich. Entsetzlich finde ich das", so Schweiger.

Absolut harmlos für Kinder?

Ist das Coronavirus für Kinder wirklich absolut harmlos? Wie beurteilt Hygieniker Dr. Georg-Christian Zinn, Direktor des Hygienezentrums Bioscientia, Schweigers Aussage? „Es ist nicht absolut harmlos für Kinder“, sagt der gelernte Kinderarzt. „Es ist aber deutlich harmloser für Kinder als zum Beispiel die Grippe, aber wir haben seit Beginn der Pandemie auch 400 Kinder gehabt, die mit PIMS schwer krank waren.“ PIMS steht für Pädiatrisches Inflammatorische Multiorgan-Syndrom und beschreibt eine seltene, aber schwere Spätfolge einer COVID-19-Infektion bei Kindern und Jugendlichen. „Wenn man es aber mit den älteren Semestern vergleicht, ist Corona für Kinder ein kleineres Problem“, so Zinn.

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Krankenhausaufenthalt bei zwei bis vier Prozent der 0- bis 4-Jährigen

Das Risiko, dass mit dem Sars-Cov-2-Virus infizierte Kinder in ein Krankenhaus müssen, ist nach Angaben des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig bislang tatsächlich gering. Bei den 0- bis 4-Jährigen liege es bei 2 bis 4 Prozent, sagte Berit Lange, Leiterin der Klinischen Epidemiologie am Montag beim SMC-Briefing. Bei den Älteren bis 15 Jahre liege es bei 0,5 Prozent und steige dann wieder etwas. Bisher sind seit Beginn der Pandemie nach den Daten der Robert Koch-Instituts 23 Todesfälle bei unter 20-Jährigen bekannt, von denen die große Mehrzahl Vorerkrankungen hatte. Insgesamt sind bisher mehr als 92 000 Covid-Todesfälle in Deutschland registriert.

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Dr. Georg-Christian Zinn, Direktor des Hygienezentrums Bioscientia
Dr. Georg-Christian Zinn, Direktor des Hygienezentrums Bioscientia
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Gefahr durch eine Impfung ungleich höher?

Ist denn die Impfung gefährlicher als das Virus selbst? „Also, ich bin Kinderarzt und habe auch geimpfte Teenies zu Hause – und man muss dazu ganz klar sagen: Nichts im Leben ist absolut sicher.“ Jede medizinische Behandlung und jede Impfung habe auch Nebenwirkungen, so der Experte. „Wir gucken sehr genau, welche Nebenwirkungen bei den Kindern auftreten und die sind in der Regel sehr, sehr gering. Insofern haben wir da ein sehr, sehr gutes Gefühl, auch aufgrund der Daten aus den USA, dass die Impfung kein großes Risiko für die Kinder ist, einerseits. Andererseits leben wir in einem freien Europa und es ist eine Entscheidung der Eltern aber auch der Kinder selbst, denn es gibt auch Kinder, die sich selbst dafür entscheiden.“

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Grundsätzlich sei bei Kindern nach einer Impfung „ein sehr guter Schutz bei sehr seltenen Nebenwirkungen“ zu erwarten, ähnlich wie bei Erwachsenen, ist schon im Mai der Berliner Epidemiologe Timo Ulrichs überzeugt. Nach der Impfung seien auch bei Kindern leichte und vorübergehende Impfreaktionen wie leichtes Fieber, Kopfschmerzen und Abgeschlagenheit möglich. Bisher sind auch keine anderen Nebenwirkungen, die eigentlich eher Impfreaktionen zu nennen sind, bekannt.

Kinder spielen keine Rolle in der Pandemie?

Eine weitere Aussage des Videos: „Wir sollten die Kinder in Ruhe lassen, sie spielen keine oder keine relevante Rolle in diesem Thema“, sagt dort Dr. Katrin Skala, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Wir müssten uns wirklich fragen, wie weit wir noch gehen wollen, so die Ärztin. Spielen Kinder wirklich gar keine Rolle? „Diese Impfung spielt eine große Rolle, um diese Pandemie zu besiegen“, sagt Kinderarzt Zinn hingegen. „Je mehr Leute geimpft sind, desto weniger Übertragungen gibt es.“ Eine Impfung sei einerseits der Schutz vor einer Erkrankung, andererseits aber auch ein gesellschaftspolitisches Thema. Weil Geimpfte weniger andere Menschen anstecken, können sie sich auch freier bewegen. „Es bringt zum Beispiel, gerade wenn wir über Kinder und Jugendliche sprechen, den Kindern die Freiheit wieder.“

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Dokumentation soll Beitrag zum differenzierten Denken sein

Der Doku-Film sei wichtig, weil er zum differenzierten Denken beitrage, sagt der österreichische Kinderarzt Reinhold Kerbl, der ebenfalls in dem Trailer zu sehen ist. Er würde einem 16-Jährigen zwar zu einer Impfung raten, aber eher aus praktischen und sozialen Gründen. "Ich würde aber deswegen Ja sagen, weil ich diesem 16-Jährigen ein möglichst normales Leben wünschen würde", so Kerbl in dem Clip.

Wer steckt hinter dem Film?

Auf der Website des Dokumentarfilms "Eine andere Freiheit" erklärt die Produktion: "Wir haben diesen Film gemeinsam mit Jugendlichen, Ärzten, Wissenschaftlern und engagierten Menschen aus Kunst und Kultur gemacht, um die unterschiedlichsten Positionen und wissenschaftliche Informationen in Bezug auf die Impfung für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsenen zu beleuchten." Sie seien keiner Organisation, Auftraggeber, Medien oder Partei verpflichtet, heißt es weiter auf der Website. Es handele sich um Menschen, die sich zusammengefunden haben, um das Thema Corona-Impfungen für Kinder und Jugendliche aus unterschiedlichen Perspektiven kritisch zu beleuchten. (dpa/rla/ija)

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