Vergewaltigungsprozess in Avignon

Ex-Ehemann von Gisèle Pelicot in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen

von Sabrina Suberg und Ulrich Vonstein

Die ganze Welt hat auf diese Urteile gewartet.
Im Jahrhundert-Prozess wegen der massenhaften Vergewaltigung seiner damaligen Frau Gisèle muss ihr Ex-Mann Dominique 20 Jahre hinter Gitter. Die Urteile gegen die anderen 50 Angeklagten fielen zum Teil milder aus als erwartet.

Gisèle Pelicot unter Drogen gesetzt und massenhaft vergewaltigt

Der Hauptangeklagte ist wegen schwerer Vergewaltigung zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Dominique Pelicot (72) hatte seine damalige Frau Gisèle fast zehn Jahre lang immer wieder mit Medikamenten betäubt, missbraucht und von Dutzenden Fremden vergewaltigen lassen. Die Taten hatte er gestanden.

Auch die anderen 50 Angeklagten wurden für schuldig befunden. Einige von ihnen werden nach ihrer Verurteilung freikommen. Die anderen gehen für drei bis 15 Jahre ins Gefängnis. Das Gericht blieb damit unter den Forderungen der Generalstaatsanwälte, die für die Mitangeklagten von Dominique Pelicot Freiheitsstrafen zwischen vier und 18 Jahren gefordert hatten.

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Riesiger Medienauflauf vor der Urteilsverkündung.
Riesiger Medienauflauf vor der Urteilsverkündung.
Anna Hohns / RTL

Die Urteilssprüche wurden von einem riesigen Medieninteresse und außergewöhnlichen Sicherheitsvorkehrungen begleitet. 180 Journalistinnen und Journalisten hatten sich angemeldet, darunter 86 Medienvertreter aus dem Ausland. Nicht für alle war Platz im Gerichtssaal, weswegen vier Übertragungssäle eingerichtet wurden. Zudem gab es große Polizeipräsenz und Sicherheitsmaßnahmen.

Video: Gisèle Pelicot spricht ihren Ex-Mann direkt an

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Beispiellose Offenheit bringt ihr große Sympathien ein

Gisèle Pelicot kämpft von Beginn an dafür, dass die Öffentlichkeit erfährt, was ihr widerfahren ist. In allen schmerzlichen Einzelheiten. Erfolgreich setzt sie durch, dass der Prozess öffentlich, nicht hinter verschlossenen Türen stattfindet. Sie setzte ich dafür ein, dass Fotos und Videos der Taten beim Prozess gezeigt werden.

Kundgebung von Frauenrechtlerinnen in Avignon am 14. Dezember
Kundgebung von Frauenrechtlerinnen in Avignon am 14. Dezember
picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Aurelien Morissard

Lese-Tipp: Gisèle Pelicot: Für mich ist dieser Verrat unermesslich

Ihre mutige Haltung, ihre bewegenden Aussagen und ihr permanentes Erscheinen an den Verhandlungstagen in Avignon bringen der 72-Jährigen riesigen Respekt und große Sympathien ein. Unterstützerinnen aus aller Welt reisen zum Prozess und bekunden ihre Solidarität mit der Frau, der so großes Leid angetan wurde.

Gisèle Pelicot wird zu einer Ikone der Frauenbewegung

Beim Eintreffen und beim Verlassen des Gerichts wird ihr applaudiert, das wird zum Ritual, während eines Prozesses, wie es ihn so noch nie gegeben hat. Vieles wird in Erinnerung bleiben. Zum Beispiel ihre schonungslose Offenheit. „Ich bin eine völlig zerstörte Frau und weiß nicht, wie ich aus all dem wieder auf die Beine kommen soll“, gewährt sie Einblick in ihre Gefühlswelt. Bewegend sind auch die Aussagen ihrer Kinder. Das Entsetzen der Söhne David und Florian, die Wut ihrer Tochter Caroline Darian, die glaubt, ebenfalls von Dominique Pelicot missbraucht worden zu sein.

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„Danke, Gisèle” hat diese junge Frau auf ihr Transparent geschrieben
„Danke, Gisèle” hat diese junge Frau auf ihr Transparent geschrieben
AP Photo/Aurelien Morissard

„Die Scham muss die Seite wechseln“, lautet Gisèle Pelicots Credo. Die Täter müssten sich schämen, nicht die Opfer. Ihre Botschaft kommt an. Transparente, Aufkleber und Graffiti, nicht nur in Avignon, zeugen von der großen Bedeutung des Falles auch für andere Opfer sexueller Gewalt. Das ist das Vermächtnis der Gisèle Pelicot, die so zu einer Ikone der französischen Frauenbewegung geworden ist. Und zum Vorbild von Frauen auf der ganzen Welt, die Opfer sexueller Gewalt wurden.

Lese-Tipp: Hier finden Opfer von Gewalt schnelle Hilfe

Solltet auch ihr unter sexueller Gewalt leiden, findet ihr Hilfe unter der kostenlosen Hotline 08000 – 116 016 oder unter www.hilfetelefon.de.