Prozess um Massenvergewaltigung von Gisèle Pelicot

„Niemals” würde Florian eine Entschuldigung seines Vaters annehmen

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Gisèle Pelicot mit ihrem Sohn Florian (r.)
Anna Margueritat / Hans Lucas

Noch einmal kommen die Kinder von Opfer und Täter zu Wort.
Der Jahrhundert-Prozess von Avignon um die massenhafte Vergewaltigung von Gisèle Pelicot biegt auf die Zielgerade ein. Neben weiteren Angeklagten äußern sich jetzt Gisèles Tochter Caroline sowie die Söhne David und Florian. Sie alle leiden bis heute unter den Horrortaten des Vaters.

Pelicot-Tochter Caroline: „Bin die große vergessene Person in diesem Prozess“

Caroline Darian hatte zu Beginn des Prozesses bereits ausgesagt. Am Montag (18.11.) offenbart sie, wie schwer ihr das gefallen ist. Sie bedauert, dass persönliches Leid in dem Fall kaum eine Rolle gespielt habe. „Ich betrachte mich als die große vergessene Person in diesem Prozess“, sagt sie laut des französischen Senders BMTV.

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Pelicot-Tochter Caroline Darian in einer Prozesspause am 18.11. in Avignon
picture alliance/dpa/MAXPPP | Rey Jerome

Caroline ist davon überzeugt, von ihrem Vater ebenso wie ihre Mutter unter Drogen gesetzt und vergewaltigt worden zu sein, sagt sie. „Ich weiß, dass ich sediert wurde. Das ist keine Hypothese, es ist eine Realität.“ Sie hat den Verein „#MendorsPas“ (deutsch: Schlafe nicht) gegründet, der Opfern wie ihr eine Stimme geben möchte. Für die Unterstützung dabei dankt sie „meinen Brüdern, meinem Mann, meinen Freunden und allen Menschen, die mir geholfen haben“, zitiert der Sender in seinem Bericht aus dem Gerichtssaal.

Video: Gisèle Pelicot spricht ihren Ex-Mann direkt an

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David Pelicot zu seinem Vater: „Wenn du noch ein wenig Menschlichkeit hast...”

Ihr ältester Bruder David Pelicot gesteht demnach, dass es für ihn „keine leichte Übung“ sei, in der Öffentlichkeit über die Verbrechen seines Vaters zu sprechen. „Wir sind immer auf der Suche nach der Wahrheit“, sagt er. „Ob wir sie jemals erfahren werden, weiß ich nicht.“ Zu seiner Schwester sagt er unter Tränen: „Wir werden immer für dich da sein.“

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Brüder Florian und David (r.) Pelicot
picture alliance/dpa/MAXPPP | Rey Jerome

Deutliche Worte findet er für seinen Vater Dominique. Er wirft ihm vor, seine gesamte Kindheit „ausgelöscht“ zu haben. Er erinnert daran, wie seine Mutter ihn und die Familie darüber informiert hat, was Dominique Pelicot und viele andere Männer ihr mit dessen Billigung angetan haben. Deutlich wird er auch hinsichtlich seiner Schwester, als er seinen Vater auffordert, reinen Tisch zu machen. „Wenn du noch ein wenig Menschlichkeit hast, solltest du die Wahrheit über die Taten sagen, die du meiner Schwester angetan hast, unter denen sie jeden Tag leidet und ihr ganzes Leben lang leiden wird.“

„Mutter ist eine Heilige. Aber du bist der Teufel“

Sein Vater bittet den Sohn über seinen Anwalt, mit ihm reden zu dürfen, so der Sender weiter. David Pelicot akzeptiert, dass der Angeklagte einige Worte an ihn richtet, jedoch nicht, was er bezweckt. Als Dominique Pelicot sagt: „Ich kann dich bitten, meine Entschuldigung für das anzunehmen, was ich getan habe“, hat der Sohn nur ein Wort für ihn übrig: „Niemals.“

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Davids Bruder Florian Pelicot fordert seinen Vater dem BMTV-Bericht zufolge auf, „Verantwortung“ zu übernehmen. Zugleich verwahrt er sich gegen Aussagen einiger Angeklagter, die seiner Mutter Gisèle eine Mitschuld an dem Geschehen zu unterstellen versuchen. Florian erinnert seinen Vater daran, dass er Gisèle eines Tages als „Heilige“ bezeichnet habe. Der Sohn findet einen heftigen Vergleich: „Du hast immer gesagt, unsere Mutter wäre eine Heilige. Ja, das ist sie. Aber du bist der Teufel.“

Florian wünscht sich, er wäre nicht Dominique Pelicots Sohn

Er wünsche sich, so Florian, dass Dominique nicht sein leiblicher Vater sei. Seine Mutter habe vor seiner Geburt eine außereheliche Affäre gehabt, sagt er. Zugleich betont er, dass er seinen Geschwistern und seiner Mutter verbunden sei. Seine und die Kinder seiner Geschichten sollten den Namen Pelicot mit Stolz tragen, appelliert er. „In Kriminalgeschichten erinnern wir uns oft an den Namen des Bösewichts, aber hier ist es Gisèle Pelicot, an die wir uns erinnern.“

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Der Prozess um die zigfache Vergewaltigung Gisèle Pelicots wird am Dienstag mit ihren Aussagen sowie denen des Täters und Hauptangeklagten Dominique fortgesetzt. Anschließend folgen die Plädoyers.

In dem aufsehenerregenden Verfahren stehen 51 Männer vor Gericht. Wie der Hauptangeklagte zu Beginn des Prozesses bereits gestand, hat er seine damalige Frau über fast zehn Jahre lang mit Medikamenten betäubt, missbraucht und von fremden Männern vergewaltigen lassen. Den Angeklagten drohen bis zu 20 Jahre Haft. Wegen der Vielzahl an Beschuldigten wird erwartet, dass sich die Plädoyers der Verteidigung über drei Wochen hinziehen. Ein Urteil wird kurz vor Weihnachten erwartet.