Prozess in Avignon

Gisèle Pelicots Albtraum: HIV-positiver Mann vergewaltigt sie sechs Mal ohne Kondom

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Diese Gerichtszeichnung aus Avignon zeigt Teile der Angeklagten beim Prozess (Symbolfoto)
dpa/France Bleu Vaucluse | Valentin Pasquier

Was muss sie noch alles Schreckliches erfahren?
Der Prozess gegen die Peiniger von Gisèle Pelicot in Avignon geht nach einer Woche Verhandlungspause mit erschütternden Details in die nächste Runde. Aktuell stehen acht der 51 angeklagten Männer im Fokus, die Pelicot vielfach vergewaltigt haben.

„Sie bleibt kämpferisch und entschlossen, bis zum Ende durchzuhalten”

Laut dem französischen Sender BFMTV ist diese Gruppe die vorletzte, deren Schriftsätze beim Marathon-Prozess im französischen Avignon verlesen werden. Wie zuletzt hat Gisèle Pelicot auch am Montag den schweren Weg in den Justizpalast der Stadt angetreten. Kraft dazu gibt ihr unter anderem die Solidarität und Empathie vieler Menschen, die sie spüren lassen, dass sie nicht allein ist.

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Gisèle Plicot (r.) mit ihrem Anwalt Antoine Camus.
dpa/MAXPPP | Rey Jerome

Lese-Tipp: Gericht zeigt Aufnahmen der Vergewaltigungen – Beobachter schämt sich, ein Mann zu sein

Pelicots Anwalt Antoine Camus sagt dem Sender: „Sie bleibt kämpferisch und entschlossen, bis zum Ende durchzuhalten, weil sie von dieser Welle der Unterstützung getragen wird, die über die Grenzen Frankreichs hinausgeht.“

Video: Gisèle Pelicot spricht ihren Ex-Mann direkt an

Diese Solidarität begleitet das Opfer seit Beginn des Prozesses gegen ihren Ex-Mann und die vielen Männer, die sich wiederholt an Gisèle Pelicot vergangen haben. Beim Eintreffen und Verlassen vor Gericht bekommt sie stets respektvollen und aufmunternden Applaus. Aufkleber, Graffiti, Plakate zieren viele Wände, Stromkästen und Hauswände in Avignon.

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Plakat mit der Aufschrift „Je suis Gisèle“ (Ich bin Gisèle)
Pascal Sonnet / Hans Lucas

Lese-Tipp: Tränen beim Vergewaltigungsprozess in Avignon - das Leid ihrer Mutter bricht Caroline das Herz

Bei Kundgebungen werden Transparente gezeigt, auf denen „Je suis Gisèle“ (Ich bin Gisèle) steht. Das alles mag Pelicot helfen, die Ungeheuerlichkeiten etwas besser zu ertragen, die auch an diesem Montag (4. November) wieder zur Sprache kommen.

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Ein Angeklagter wollte seine eigene Frau ebenfalls betäuben und vergewaltigen lassen

BFMTV listet auf, was den acht Männern zur Last gelegt wird.

  • Cendric V., ein zweifacher Vater soll Gisèle Pelicot vergewaltigt haben, während sie betäubt war. Der 42-jährige Restaurantmanager behauptet, nicht gewusst zu haben, dass Dominique Pelicot seine damalige Frau unter Drogen gesetzt hatte.

  • Ludovick B. (41) wird verdächtigt, Gisèle Pelicot im Jahr 2019 im Haus ihrer Tochter Caroline Darian in der Region Paris vergewaltigt zu haben. Der arbeitslose Zeitarbeiter gab bei Vernehmungen an, früher selbst Opfer schwerer sexueller Übergriffe gewesen zu sein.

  • Cédric G. steht wegen einer Vergewaltigung von Gisèle Pelicot in der Nacht vom 3. auf den 4. Oktober 2017 vor Gericht. Der 50-jährige Computertechniker sei „chronischer Konsument pornografischer und erotischer Bilder, an freizügige Erfahrungen gewöhnt.“ Ein Gutachten attestiert ihm eine „Neigung, andere als Objekte zu benutzen.“ G. ist einer der wenigen, der zugibt, gewarnt worden zu sein, dass Gisèle Pelicot von ihrem Mann unter Drogen gesetzt werden würde, um sie zu vergewaltigen und vergewaltigen zu lassen. G. sei „Schüler“ von Dominique Pelicot und soll geplant haben, seine eigene Frau ebenfalls zu betäuben und vergewaltigen zu lassen.

  • Saifeddine G., ein 36-jähriger LKW-Fahrer, soll Pelicot im November 2019 in Mazan vergewaltigt haben. Der verheiratete Mann und Vater von drei Kindern äußerte im Gespräch mit Psychologen Scham- und Schuldgefühle. Er behauptet, dass er glaubte, Gisèle Pelicot würde so tun, als würde sie schlafen. Zudem bestreitet er jede Penetration. Videoaufnahmen widersprächen beiden Aussagen, so der Sender.

  • Paul G. (heute 31) war zum Zeitpunkt der ihm zur Last gelegten Taten 22 Jahre alt. Er soll Gisèle Pelicot im November 2017 vergewaltigt haben und geständig sein.

  • Omar D., ein 36-jähriger Wartungsarbeiter, gibt dem Ehepaar Pelicot die Schuld an den Verbrechen. Er behauptet, auf Befehl von Gisèle Pelicots Mann gehandelt zu haben. Der habe ihm außerdem gesagt, dass seine Frau schlafen würde.

  • Romain V. (63) ist HIV-positiv. Er soll Gisèle Pelicot zwischen Dezember 2019 und Juni 2020 sechsmal ohne Kondom vergewaltigt haben. Bei Vernehmungen und im Gespräch mit Gutachtern verharmloste er seine Beteiligung und versuchte, seine Rolle herunterzuspielen.

  • Hassan O. (30) war nicht im Gericht. Gegen ihn liegt ein internationaler Haftbefehl vor, ihm wird in Abwesenheit der Prozess gemacht. Zu diesem Fall macht BFMTV keine weiteren Angaben.

Gisèle Pelicot will Öffentlichkeit: „Die Scham muss die Seite wechseln“

Der Fall Pelicot stößt weltweit auf große Aufmerksamkeit. Ihr Ex-Mann Dominique Pelicot hat gestanden, seine Frau von 2011 bis 2020 immer wieder mit Schlafmitteln betäubt und vergewaltigt zu haben. In mindestens 92 Fällen waren fremde Männer beteiligt, die Pelicot in Internetforen kontaktiert hatte. Teilweise filmte er die Vergewaltigungen. 50 Männer sind neben Dominique Pelicot angeklagt.

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„Die Scham muss die Seite wechseln“ steht auf dieser Wand neben Gisèle Peticots Konterfei
Nguyen Van Hai-Barbier Jean Pierre/ABACA

Lese-Tpp: Richter stellt Missbrauchsopfer Gisèle Pelicot unfassbare Frage

Gisèle Pelicot legt von Beginn an Wert darauf, kein anonymes Opfer sein zu wollen. „Die Scham muss die Seite wechseln“, sagt sie. Zu Beginn des Prozesses setzt sie durch, dass Videoaufnahmen ihrer Vergewaltigungen beim Prozess gezeigt werden. Bereits zuvor hatte sie dafür gekämpft, dass ihr Fall nicht hinter verschlossenen Türen verhandelt wird.

„Wie konntest du diese Fremden in mein Schlafzimmer bringen?“

Ende des vergangenen Monats wendet sie sich direkt an ihren Ex-Mann. Sie spricht von „unermesslichem Verrat“ und fragt ihn: „Wie konntest du mich nur so hintergehen? Wie konntest du diese Fremden in mein Schlafzimmer bringen?“ Den 51 Angeklagten drohen Haftstrafen bis zu 20 Jahren. Die Urteilsverkündung soll Mitte Dezember sein.

Solltet auch ihr unter sexueller Gewalt leiden, findet ihr Hilfe unter der kostenlosen Hotline 08000 – 116 016 oder unter www.hilfetelefon.de.