„Wie konntest du diese Fremden in mein Schlafzimmer bringen?“

Gisèle Pelicot spricht ihren Ex-Mann im Vergewaltigungsprozess von Avignon direkt an

Jetzt wendet sie sich direkt an ihren Peiniger.
Den Mann, mit dem Gisèle Pelicot den größten Teil ihres Lebens verbracht hat. Den Mann, der sie nicht nur betäubt und vergewaltigt hat, sondern seine wehrlose Frau zudem noch massenhaft von anderen Männern vergewaltigen ließ.

„Für mich ist dieser Verrat unermesslich“

Es ist das zweite Mal, dass Gisèle Pelicot in dem seit Anfang September laufenden Prozess vor Gericht in Avignon spricht. Dabei findet sie klare Worte für die unvorstellbaren Taten ihres Mannes. Worte, die deutlich machen, wie arglos sie gegenüber seinem Verrat war. „Wie konntest du mich nur so hintergehen? Wie konntest du diese Fremden in mein Schlafzimmer bringen?“, fragt die 72-Jährige ihren Ex-Mann.

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Gisèle Pelicot auf dem Weg zur Verhandlung im Vergewaltigungsprozess in Avignon.
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Sie beschreibt laut dem französischen Sender BFMTV eindrucksvoll, was ihr genommen wurde: „Wir hatten 50 Jahre gemeinsames Leben, drei Kinder, sieben Enkelkinder. Du warst ein fürsorglicher und aufmerksamer Mann.“ Weiter sagt sie: „Wir teilten unser Lachen und unsere Sorgen, wir teilten unsere schwierigen Zeiten, unsere Ferien, unsere Geburtstage, unsere Weihnachten.“ Dann spricht Gisèle aus, was sicher viele Menschen im Saal fühlen: „Für mich ist dieser Verrat unermesslich.“

„Der Vergewaltiger ist nicht der, den man spätabends auf einem Parkplatz trifft”

Das Medieninteresse ist gewaltig, Gisèle in der Bildmitte kaum zu erkennen
Das Medieninteresse ist gewaltig, Gisèle in der Bildmitte kaum zu erkennen
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Der Fall Pelicot stößt weltweit auf große Aufmerksamkeit. Ihr Ex-Mann Dominique Pelicot hat gestanden, seine Frau von 2011 bis 2020 immer wieder mit Schlafmitteln betäubt und vergewaltigt zu haben. In mindestens 92 Fällen waren auch fremde Männer beteiligt, die Pelicot in Internetforen kontaktiert hatte. Teilweise filmte er die Vergewaltigungen. 50 Männer sind neben Dominique Pelicot angeklagt.

Gisèle Pelicot weist jetzt darauf hin, dass Vergewaltigungen häufig im näheren Umfeld der Opfer stattfänden. „Der Vergewaltiger ist nicht der, den man spätabends auf einem Parkplatz trifft. Er kann auch in der Familie sein, unter den Freunden“, sagt sie laut dem Sender „France Info“. Täter seien oft Männer, „die man nicht verdächtigt.“ Sie wendet sich auch an andere Opfer, denen sie Mut machen möchte: „Ich möchte, dass betroffene Frauen sagen: Frau Pelicot hat es getan, wir können es auch tun.“

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Täter müssen sich schämen, nicht die Opfer

Gerichtszeichnung von Dominique Pelicot (M.)
Gerichtszeichnung von Dominique Pelicot (M.)
Reuters

Schonungslos ehrlich spricht sie über ihre persönliche Situation. „Ich bin eine völlig zerstörte Frau und weiß nicht, wie ich aus all dem wieder auf die Beine kommen soll“, erklärte sie BTMTV zufolge. „Ich bin bereits 72 Jahre alt und weiß nicht, ob ich es in den Jahren, die mir noch bleiben, schaffen werde.“

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„Gisèle, die Frauen danken dir” steht an einer Mauer in Avignon
„Gisèle, die Frauen danken dir” steht an einer Mauer in Avignon
Reuters

Immer wieder hat Gisèle Pelicot deutlich gemacht, dass ihr Fall öffentlich verhandelt werden solle, nicht hinter verschlossenen Türen. „Die Scham muss die Seite wechseln“, sagt sie. Die Täter müssten sich schämen, nicht die Opfer. Anfang Oktober setzt sie durch, dass Fotos und Videos ihres Martyriums beim Vergewaltigungsprozess in Avignon der Öffentlichkeit gezeigt werden. Ursprünglich sollten keine Bilddokumente der abscheulichen Taten zu sehen sein. Anschließend fließen Tränen im Gerichtssaal, die Öffentlichkeit ist schockiert.

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Urteile sollen im Dezember fallen

Der Prozess wird fortgesetzt. Den 51 Angeklagten drohen Haftstrafen bis zu 20 Jahren. Die Urteilsverkündung soll Mitte Dezember sein.

Sollten auch ihr unter sexueller Gewalt leiden, finden ihr Hilfe unter der kostenlosen Hotline 08000 – 116 016 oder unter www.hilfetelefon.de.