Endlich Gewissheit für die HinterbliebenenEhemalige KZ-Sekretärin Irmgard F. (99) half beim Massenmord an 10.000 Menschen

Welche Rolle spielte sie in der Nazi-Tötungsmaschinerie?
Als junge Frau soll Irmgard F. dabei geholfen haben, mehr als 10.000 Menschen im ehemaligen Konzentrationslager Stutthof (bei Danzig) umzubringen. Dafür wurde sie bereits verurteilt. Doch daran gab es Zweifel – bis jetzt.

Historischer Prozess

Die Entscheidung am Bundesgerichtshof (BGH) an diesem Dienstag (20. August) könnte die letzte in einem KZ-Prozess in Deutschland gewesen sein. Die inzwischen 99-jährige Irmgard F. war im Dezember 2022 vom Landgericht Itzehoe unter anderem wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 10.000 zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Ihre Verteidigung hatte Revision eingelegt – allerdings ohne Erfolg: Die Richter in Leipzig haben jetzt die Verurteilung der ehemaligen KZ-Sekretärin bestätigt – das Urteil ist damit rechtskräftig.

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Schreibkraft im Konzentrationslager

Während der Zeit des Zweiten Weltkriegs sind mehr als 100.000 Menschen im KZ Stutthof und seinen Außenlagern inhaftiert – fast 65.000 überleben nicht. Die damals 18- bzw. 19-jährige Irmgard F. arbeitet von 1943 bis 1945 als Sekretärin des Hauptkommandanten. Dadurch soll sie beim Massenmord an 10.505 Menschen mitgeholfen haben. „Sämtliche Meldungen über Deportationen nach Auschwitz oder auch über Mordbefehle in Stutthof selbst (....) – das lief alles über ihren Schreibtisch” so Historiker Marc Buggeln. „Frau F. hat nur ihren Job gemacht”, argumentiert hingegen ihr Verteidiger in seinem Plädoyer während des ersten Prozesses.
Kurz vor Prozessende bricht die Angeklagte selbst ihr Schweigen, sagt aber nur: „Es tut mir leid, was alles passiert ist und ich bereue, dass ich zu der Zeit in Stutthof gewesen bin.“

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Seniorin flieht vor Prozess

Schlagzeilen macht der Prozess gegen Irmgard F. schon, bevor die Verhandlung überhaupt losgeht. Denn am Tag des Prozessauftakts setzt sich die 96-Jährige mit dem Taxi ab, kommt sogar in U-Haft. Auch schreibt sie offenbar einen Brief ans Gericht, meint, dass es entwürdigend sei, dass sie sich überhaupt dem Verfahren stellen müsse.

Während der 40 Verhandlungstage sagen am Landgericht Itzehoe auch Überlebende aus. „Die SS hat gesagt, dieser Dreck muss weg. Das heißt, ich sollte erschossen werden. Doch dann kam das Bombardement in Dresden und deshalb bin ich noch am Leben“, erzählt Josef Salomonovic, der als Sechsjähriger mit seiner Familie ins KZ Stutthof kommt. „Ich wurde geschlagen, ich wurde getreten, ich wurde bespuckt“, sagt Halina Strnad. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie es möglich war, nicht zu wissen, was passierte, da es diesen permanenten Gestank nach verbrannten Leichen gab.“ (dka)