Heute macht sie anderen Frauen Mut
Vierfach-Mutter Daniela (47) rutscht in die Armut ab - und schafft es wieder raus!

„Ich habe mich wie eine Versagerin gefühlt.“
Sie hätte nie gedacht, dass sie einmal arm sein könnte, sagt Daniela Brodesser (47) heute. Doch genau das passierte der Österreicherin nach der Geburt ihrer vierten Tochter. Welche Gründe es dafür gab, wie ihr der Weg raus aus der Armut gelang und was sie heute betroffenen Frauen rät, erzählt Daniela Brodesser im Gespräch mit RTL. Eine Geschichte, die Mut macht.
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Der Weg in die Armut verläuft für Daniela schleichend
„Ich war sehr naiv“, sagt Daniela Brodesser rückblickend. Vor einigen Jahren hätte sie es niemals für möglich gehalten, dass Geld für sie und ihre Familie zum Problem werden könnte. Als sie ihren heutigen Ehemann kennenlernt, hat sie bereits eine Tochter. Beide wünschen sich eine große Familie, heiraten, Daniela wird noch dreimal schwanger.
„Ich habe immer nebenbei gearbeitet – in der Gastronomie, als Tagesmutter, im Kindergarten“, erzählt sie. Ihr Mann ist neben seinem Vollzeitjob als Selbstständiger tätig. Zwar sei die Familie nie reich gewesen, aber: „Wir hatten Geld für Urlaube und viele Ausflüge in Deutschland und Österreich.“
Dann, nach der Geburt der jüngsten Tochter, bricht die heile Welt zusammen – und schleichend beginnt der Abstieg in die Armut.
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Kosten für Medikamente von 1.000 Euro - die Belastungen nehmen zu
„Meine Tochter wurde mit einer Zwerchfellhernie geboren, durch die ihre Organe oben im Brustkorb lagen. Dadurch kam sie mit nur einem Prozent Lungenfunktion zur Welt“, erzählt Daniela. Das bedeutet: Auf die Geburt folgen sechs Monate im Krankenhaus. „Da war an vieles wie etwa Urlaube oder Ausflüge nicht zu denken“, so die Österreicherin.
Zur psychischen Belastung kommen die immensen Kosten: die Fahrten zum Krankenhaus, die Parkgebühren dort und vor allem die Kosten für Spezialnahrung für die kranke Tochter. Allein diese belaufen sich auf bis zu 1.000 Euro pro Monat – das betroffene Medikament ist zu diesem Zeitpunkt in Österreich für Kinder noch nicht zugelassen. Die Familie muss für die Kosten selbst aufkommen.
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Der finanzielle Druck nimmt zu, zunächst spart Daniela bei den Lebensmitteln. Statt Bio- und Markenprodukten gibt es nur noch Discounter-Ware. „Aber da habe ich noch gedacht: Bald ist das wieder vorbei, das sind jetzt nur ein paar Wochen, dann geht es der Kleinen besser und alles wird wieder normal“, erinnert sie sich.
Doch bei ihrer Tochter kommt es immer wieder zu Komplikationen – aus Wochen werden Monate, aus Monaten werden Jahre. Insgesamt fast acht Jahre!
Die finanziellen Probleme belasten die Familie - aber nie den Zusammenhalt
Geld wird zum täglichen Thema, das spüren auch die Kinder. „Wenn die abends von der Schule heimkamen und gesagt haben, sie brauchen einen Taschenrechner, dann war das schon ein Problem, wo man das Geld hernehmen soll“, sagt Daniela. Auch ihr Mann ist schwer belastet, fällt als Verdiener zeitweise komplett aus.
Zwar versucht das Paar, die größten Probleme von den Kindern fernzuhalten, „etwa die Frage, wie man die Miete zahlen soll“. Im Nachhinein erfährt sie aber, wie stark ihre Kinder belastet waren: „Sie haben zu Geburtstagen gesagt ‚Ach Mama, ich brauch nichts, ich bin wunschlos glücklich‘. Das ist natürlich Quatsch. JEDES Kind hat Wünsche“, weiß die 47-Jährige heute.
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Zwar habe es in diesen prekären Zeiten auch schöne Momente gegeben, die seien aber unabhängig von der finanziellen Situation gewesen: „Unser Zusammenhalt in der Familie hat wenig mit der Armut zu tun“, sagt Daniela.
„Armut ist immer ein Kampf ums Überleben"
Ihre Situation ist kein Einzelfall, vielmehr steht die Vierfach-Mutter symptomatisch für ein Schicksal, das viele Frauen treffen kann. „Das höchste Risiko, in die Armut abzurutschen, haben Frauen mit Kindern, die alleinerziehend sind. Das zweithöchste Risiko stellen Erkrankungen dar.“ Ohne ein finanzielles Umfeld, das einen auffängt, sei das „ein sicherer Weg in die Armut“.
Lande man unter der Armutsgrenze, sei es schwer, sich selbst wieder herauszukämpfen. Zwar gebe es Menschen, die immer wieder aufstehen und weiterkämpfen – aber es gebe eben auch jene, die aufgeben und resignieren. Dabei sei eines klar, betont Daniela: „Niemand lebt gerne in Armut. Armut ist immer ein Kampf ums Überleben, ein Leben in Einsamkeit, in Stigmatisierung.“
Armut habe auch viel mit Scham, Vorurteilen und Perspektivlosigkeit zu tun. „Wenn man jahrelang das Gefühl bekommt, man sei ein Versager und könne nichts – dann glaubt man das irgendwann selbst“, betont die Vierfachmutter.
Daniela Brodesser: „Ich habe mich wie eine Versagerin gefühlt“
Ein immer wiederkehrendes Vorurteil sei etwa, dass Armutsbetroffene nicht mit Geld umgehen könnten. Absoluter Quatsch, sagt Brodesser: „Kaum jemand kann so gut haushalten wie Armutsbetroffene. Man hat nur wenig Budget zur Verfügung, und das muss für einen ganzen Monat reichen. Diese Menschen sind richtige Lebenskünstler!“
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Betroffene sehen das allerdings selten selbst so. Viele ziehen sich aus Scham zurück, das Selbstbewusstsein schwindet immer mehr.
Brodesser: „Ich habe immer Jobs gesucht, ich saß in vielen Vorstellungsgesprächen, aber es ist nie etwas draus geworden. Zum einen wegen der Umstände, denen ich durch die Krankheit meiner Tochter unterworfen war. Aber auch, weil ich in jedem Gespräch mit hängenden Schultern saß. Ich habe mich wie eine Versagerin gefühlt.“
Danielas Weg aus der Armut - und ihr Appell an alle
Wie kommt man da wieder raus? Es sei wichtig, über die strukturellen Ursachen zu sprechen, weiß Daniela Brodesser heute. „Eine alleinerziehende Mutter mit kleinem Kind kann eben nur selten 40 Stunden arbeiten. Jemand, der Care-Arbeit leistet oder keinen Ganztagsplatz bekommt, ebenso wenig.“
Allen Frauen, die von Armut betroffen sind, rät sie, darüber zu sprechen: „Benennt, warum ihr in der Situation seid, und sagt, was ihr braucht, um da wieder herauszukommen.“
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Genau das ist es auch, was ihr selbst am Ende hilft. Obwohl die Krankheit ihre Tochter bis heute beeinträchtigt, geht es ihr nach Jahren endlich besser. Sie kann zur Schule gehen, bringt gute Noten nach Hause. Gleichzeitig beginnt Daniela Brodesser, öffentlich über ihre Situation zu sprechen. Sie wird laut: „Ich habe erklärt, warum es für Frauen wie mich unmöglich ist, einen normalen Job auszuüben.“
Sie erhält viel Zuspruch – und schließlich auch ein Jobangebot. Und dann kommt jener Tag, den sie nie vergessen wird: Im Oktober 2019 ist sie zum ersten Mal wieder über der Armutsgrenze.
Heute berät sie andere Frauen, die wie sie unverschuldet in die Armut gerutscht sind. Sie setzt sich gegen die vielen Vorurteile ein, die ihnen oft entgegenschlagen. Und sie sagt: „Sucht euch Unterstützung, Bestärkung, vernetzt euch. Aber damit armutsbetroffene Frauen sich das trauen, müssen auch alle anderen laut werden. Und das ist etwas, für das ich heute einstehe.“