Patrick Klein hilft Polizisten, das Erlebte aufzuarbeiten
Polizeipastor nach der Amoktat: "Keiner hat erwartet, dass so ein Einsatz echt wird"
von Nils Fischer und Jessica Sander
Sie gehören oft zu den ersten am Tatort, werden zu schweren Unfällen gerufen, erleben Menschen in extremsten Ausnahmesituationen – Polizisten sind neben der Angst um das eigene Leben oft großen seelischen Belastungen ausgesetzt. Seelsorger Patrick Klein hilft ihnen, das Geschehene zu verarbeiten. Er ist Polizeipastor für die Beamten in Hamburg, aktuell hat die Amoktat bei den Zeugen Jehovas am 9.März viele hilfesuchend zu ihm geführt.
Seelsorger: "Keiner hat erwartet, dass so ein Einsatz echt wird"
„Die Polizistinnen und Polizisten tragen schusssichere Westen, sie haben teilweise Helme auf, sie sind trainiert im Umgang mit ihren Einsatzmittel. Aber die Seele kann man nicht direkt trainieren”, sagt Polizeipastor Patrick Klein im Gespräch mit RTL. Er ist der Seelsorger, der die Hamburger Polizeibeamten nach besonders schlimmen Einsätzen betreut. Das können schwere Verkehrsunfälle sein, schwierige Auffindesituationen von Verstorbenen, Vermisstenfälle oder eine Tat wie der Amoklauf in Hamburg-Alsterdorf am 9. März. Er habe im Hintergrund den Einsatz vor Ort mitverfolgt, erzählt Klein. Als die ersten Kollegen zurück zur Dienststelle kamen, habe er mit den Gesprächen begonnen: „Das ist ein Einsatz, für den wir gerade in der Polizei viel trainiert haben“, sagt er – und dennoch habe natürlich keiner damit gerechnet, dass so ein Einsatz in der Realität passieren werde. Es stelle für alle Beteiligten eine besondere Belastung dar, das Trainierte anwenden zu müssen und damit umzugehen, so der Pastor.
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Klein: "Polizisten haben ein Gefühl von Hilflosigkeit"
Einige Polizisten wollen nach so einem Einsatz direkt sprechen, andere lassen sich etwas mehr Zeit: „Die Erfahrung zeigt, dass für uns Seelsorger einige Anfragen noch Tage oder Wochen später kommen werden. Manchmal melden sich Menschen auch noch Monate später, weil dann irgendetwas noch einmal hochkommt.”
Für jene Beamten, die nach der Amoktat in das Gebäude der Zeugen Jehovas gegangen seien, seien vor allem die Bilder belastend, weiß Klein. Und das Gefühl der Hilflosigkeit: „Im Kopf der Einsatzkräfte ist immer dieses ,hätten wir nicht eher da sein können, hätten wir noch mehr Menschenleben retten können’. Das ist sicherlich ein Thema.“
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Seelsorger für alle Glaubensrichtungen
Das Angebot der Seelsorge richtet sich an alle 11.000 Polizisten in Hamburg: „Das ist meine Gemeinde”, so der Pastor und das schon seit über sieben Jahren. Mit seinen Gesprächspartnern geht Patrick Klein am liebsten spazieren, an der Alster oder im Hamburger Stadtpark. Die Bewegung und die frische Luft würden dabei helfen, sich zu öffnen, so der 49-Jährige. Da gehe es dann darum, einfach nur erst einmal einen sicheren Raum zu schaffen. „Einen Raum, in dem sie sprechen können. Da ist einer, der hört zu und gleichzeitig erzählt dieser Mensch nichts weiter”, erklärt Klein. Verschwiegenheit ist dabei ganz wichtig, religiöse Zugehörigkeit hingegen überhaupt nicht: „Die Seelsorge funktioniert mit evangelischen und katholischen Christen, mit Atheisten, mit Muslimen habe ich viele Seelsorge-Gespräche geführt. Das spielt keine Rolle.”
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Pastor: "Anerkennung der geleisteten Arbeit hilft bei der Heilung"
Wie jene Polizisten, die bei der Amoktat dabei waren, den Einsatz verkraften werden, könne man noch nicht sagen, dazu sei es zu früh, weiß Pastor Klein. „In der Regel sind es aber ein paar Wochen, dann können alle wieder damit umgehen.” Anerkennung der geleisteten Arbeit durch den obersten Dienstherrn helfe bei der Heilung, weiß der Experte.
Und wie hilft sich der Pastor selbst? Immerhin durchlebt er durch die Polizisten den Einsatz mit. „Es gelingt mir eigentlich ganz gut, das meiste nicht mit nach Hause zu nehmen. Das ist ein Talent von mir”, so der 49-Jährige. Und wenn er doch etwas zu verarbeiten habe, dann spreche er mit Kollegen oder suche die Stille der Kirche auf. Dort zündet er dann eine Kerze an – für sich und für die Polizisten.