Amok-Tat auf Zeugen Jehovas in Hamburg

Polizei erklärt, warum Warnung vor Philipp F. ins Leere lief

Pressekonferenz zum Amoklauf in Hamburg Alsterdorf unter anderem mit dem Landeskriminalamt, dem Innensenator, dem Generalstaatsanwaltschaft und dem Polizeipräsidenten.
Pressekonferenz zum Amoklauf in Hamburg Alsterdorf, unter anderem mit dem Landeskriminalamt, dem Innensenator, dem Generalstaatsanwaltschaft und dem Polizeipräsidenten.
RTL Nord HH

von Carmen Gocht

„Die entsetzliche Amoktat beschäftigt uns auch noch fünf Tage danach intensiv“ – mit diesen Worten eröffnete Innensenator Andy Grote die Landespressekonferenz zur Amok-Tat in Hamburg. Die Ermittlungen zum Täter dauern an. Der Staatsschutz will jetzt vor allem die Frage nach dem Warum klären.

Philipp F. war Einzeltäter

Eine Erkenntnis der letzten Tage sei, dass Philipp F. krank war. „Der 35-Jährige zeigte psychische Auffälligkeiten,“ sagt Uwe Stockmann vom Landeskriminalamt. Man gehe davon aus, dass er bei der Tat keine Unterstützung von Komplizen hatte. „Nach aktuellem Sachstand handelt es sich um einen Einzeltäter, es gibt keinerlei Anhaltspunkte für eine Einbindung in eine Netzwerkstruktur.“ Philipp F. habe laut Landeskriminalamt in mehreren Bundesländern gelebt. Das LKA habe deshalb eine bundesweite Informationserhebung zu ihm eingeleitet.

Lese-Tipp: Verwandter von Philipp F. hat ein Vermutung, warum er zum Amokläufer wurde.

Staatsschutz ermittelt

Mittlerweile wurde der Staatsschutz eingeschaltet: „Der Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen, da die herausragende Gewalttat gegen eine Religionseinrichtung und ihre Mitglieder begangen wurde“, erklärt Stockmann. Die Frage nach dem warum umtreibt dabei alle. Es sei „eine hohe zweistellige Anzahl von Zeugenvernehmungen“ durchgeführt worden. Und auch zahlreiche Hinweise seien eingegangen.

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Einsatzkräfte: schnell und mutig

Innensenator Grote lobte das Vorgehen der Einsatzkräfte. Diese seien fünf Minuten nach dem Notruf vor Ort gewesen und in sieben Minuten im Gebäude. Sie seien schnell und entschlossen in den Königreichssaal eingedrungen. Er betonte: „Ohne erst den vollständigen Schutz anzulegen.“ Teilweise hätten die Einsatzkräfte nicht einmal Helme getragen, 20 Menschen seien durch das schnelle Eingreifen gerettet worden.

Die Tatortarbeit sei für alle Beteiligten herausfordernd gewesen, sagt Generalstaatsanwaltschaft Arnold Keller. „Die Bilder müssten jetzt erstmal verarbeitet werden.“ Für die erfahrenen Einsatzkräfte sei der Anblick vor Ort nur schwer zu ertragen gewesen.

"Der schießt" - Anwohner filmt Momente des Amoklaufs Tote bei Zeugen Jehovas in Hamburg
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Tote bei Zeugen Jehovas in Hamburg
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Ungeborenes Kind nach Notkaiserschnitt gestorben

Der Innensenator sagte, dass er bei der Pressekonferenz vor allem die Opfer in den Mittelpunkt stellen will. Bei dem Amoklauf am vergangenen Donnerstag habe es sieben Tote gegeben: vier Frauen und drei Männer aus Hamburg. Darunter sei ein ungeborenes Kind gewesen, das noch per Notkaiserschnitt auf die Welt geholt wurde, aber nicht überlebte. Neun Menschen seien verletzt worden. Darunter sieben Frauen und zwei Männer aus Hamburg und Schleswig-Holstein. Sechs Verletzte seien noch in Krankenhäusern, eine Person schwebe weiter in Lebensgefahr.

Polizeipräsident nimmt Waffenbehörde in Schutz

Am 27. Oktober 2022 beantragte Philipp F. einen Waffenschein bei der zuständigen Behörde in Hamburg. Er habe alle Voraussetzungen erfüllt, somit bestand Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis, erklärt Polizeipräsident Ralf Martin Meyer.

Am 24. Januar sei ein anonymer Brief eingegangen. Darin sorgte sich der Verfasser oder die Verfasserin darüber, dass Philipp F. psychisch krank sein könnte. Daraufhin führte die Waffenbehörde am 7. Februar eine unangemeldete Kontrolle bei Philipp F. durch. Diese dauerte rund 30 Minuten. Das Ergebnis: Die Waffe war ordnungsgemäß in einem Safe aufbewahrt. Darauf lag allerdings eine einzelne Patrone. Deshalb wurde F. mündlich verwarnt. „F. gab sich einsichtig und bedauerte die Situation“, sagt Meyer. Die Beamten hätten im Gespräch mit ihm keine psychischen Auffälligkeiten festgestellt.

Zum anonymen Schreiben sagt er: „Hier wird aber auch deutlich, wie wenig tauglich ein anonymer Hinweis allein ist, um damit die Behörden zu Maßnahmen zu bewegen, für die man objektive Tatsachen braucht. Wenn es anders wäre, könnte auch jedermann eine Behörde leicht für persönliche Konflikte instrumentalisieren.“