Jugendliche soll dreijährigen Halbbruder erstochen haben
Mordprozess in Detmold: Mutter sieht Oliwia (15) vor Gericht zum ersten Mal seit der Tat wieder
Es ist nicht einfach für Agnieszka P. heute in Detmold (Nordrhein-Westfalen) zum Gericht zu gehen. Es ist das erste Mal, dass sie ihre Tochter Oliwia wiedersehen wird, seit sie an einem Novembernachmittag 2019 das Haus verließ und zur Arbeit fuhr. Seitdem ist im Leben von Agnieszka P. nichts mehr wie es vorher war. Als die Mutter nach Hause kam, fand sie ihren dreijährigen Sohn tot in seinem Bettchen. Seine Halbschwester Oliwia soll ihn zuerst gewürgt und dann 28 Mal mit einem Messer auf ihn eingestochen haben. Nun startet der Prozess gegen die 15-Jährige. Im Video erzählt die Mutter, was sie sich für ihre Tochter wünscht.

„Ich will sie umarmen, ich will mit ihr sprechen“

Die Staatsanwaltschaft hat Oliwia wegen Mordes angeklagt. Der Prozess findet aufgrund des Alters der Angeklagten unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Für Agnieszka P. ist der Termin besonders emotional, denn sie ist gleichzeitig die Mutter des Opfers und die Mutter der Angeklagten. Immer wieder muss die Frau tief durchatmen, während sie zu dem Gerichtstermin geht. Sie kämpft mit den Tränen. Seit November hat sie ihre Tochter nicht mehr gesehen, weil sie das Mädchen im Gefängnis bisher nicht besuchen durfte.
„Ich will sie umarmen, ich will mit ihr sprechen, aber ich weiß nicht, ob das möglich ist“, sagt Agnieszka P. im Interview. Trotz allem, was passiert ist, liebt sie ihre Tochter. Die letzten Monate hatte sie mit Oliwia nur per Brief Kontakt. Im Februar hatte sie eigentlich einen Besuchstermin, der wurde aber verschoben. „Die haben mich dort nicht reingelassen, weil ich keinen Dolmetscher mit dabeihatte“, erklärt die Mutter im Interview. Der zweite Termin am 23. März wurde abgesagt. Das Gefängnis hatte wegen der Corona-Krise seine Besucherregeln verschärft. Darum treffen die 15-Jährige und ihre Mutter nun vor Gericht das erste Mal wieder aufeinander. Zu Prozessbeginn sagt auch Oliwias Freundin Lea aus, wie sie danach im RTL-Interview berichtet.
Mutter verzeiht Tochter: "Ich liebe sie mehr als mein Leben"
„Ich weiß nicht, wie das wird, ich habe große Angst davor, Angst vor Emotionen, Angst vor dem Prozess und auch Angst vor dem Urteil“, sagt Agnieszka P. „Sie hat sicher auch ganz große Angst. Ich weiß nicht, wie das wird.“ Sie möchte ihre Tochter so gut es geht unterstützen. Sie weiß, dass dem Mädchen etwas Schreckliches vorgeworfen wird. Trotzdem will sie das Beste für ihr Kind. „Sie möchte gerne, dass ihrer Tochter noch eine Perspektive geboten wird, dass danach ihr Leben noch irgendwie weitergehen kann“, erklärt Dariusz Balicki, der Anwalt der Mutter.
Agnieszka P. liebt ihre Tochter trotz allem, was passiert ist
Bis heute fragt sich die Frau, ob sie hätte merken müssen, was in ihrer Tochter vorging. „Es war ein Tag wie jeder andere auch“, erinnert sie sich. Sie holte ihren Sohn Nikolas aus dem Kindergarten ab, die Familie aß Suppe und dann legte sie das Kind für einen Mittagschlaf ins Bett. Am späten Nachmittag musste sie zur Arbeit, darum bat sie die 15-Jährige, den Jungen zu wecken und auf ihn aufzupassen. Als Agnieszka P. nach Feierabend zurück kam, lag der Dreijährige blutüberströmt im Bett und ihre Tochter war verschwunden. Sie wurde erst am Tag nach der Tat in Lemgo festgenommen. Dorthin war die Jugendliche offenbar zu Fuß gelaufen und hatte die Nacht im Freien verbracht.
Oliwia drohen zehn Jahre Haft

Das Motiv der mutmaßlichen Täterin ist bis heute nicht ganz geklärt. Das Mädchen hatte sich nach seiner Festnahme als Täterin bezeichnet, aber auf Erinnerungslücken verwiesen. Die Ermittler vermuteten, dass Mädchen könnte ihren kleinen Halbbruder aus Hass getötet haben. Im Kinderzimmer stand mit dem Blut des Opfers an die Wand geschrieben: „Ich habe das gemacht, weil ich ihn hasse und er mir meine Mutter und Oma genommen hat.“
In den Briefen an ihre Mutter schrieb die 15-Jährige, sie habe Stimmen gehört und Menschen gesehen. Die Mutter glaubt darum, die Jugendliche könnte schizophren sein. Unter den etwa 20 Zeugen, die das Gericht hören will, ist auch ein psychiatrischer Gutachter. Er muss sich zum Entwicklungsstand der Jugendlichen und zur Schuldfähigkeit äußern. Sollte Oliwia wegen Mordes verurteilt werden, drohen ihr nach Jugendstrafrecht im schlimmsten Fall zehn Jahre Haft.