Wie viel Blut ist eigentlich normal?
Es blutet und blutet! Frauenärztin erklärt, was eine Hypermenorrhoe ist und was Betroffene tun können
von Dr. med. Judith Bildau
Als ich morgens in meiner Praxis ankomme, wartet bereits eine meiner Patientinnen vor der Tür auf mich. Sie ist blass und völlig verzweifelt. „Ich blute seit gestern Abend so stark! Ich weiß gar nicht, was ich tun soll. Jede Stunde muss ich die Binde wechseln. Es hört einfach nicht auf“, sagt sie. Wir gehen zusammen in den Untersuchungsraum. Dort sehe ich gleich, dass es genauso ist, wie sie es beschrieben hat: Sie blutet sehr stark.
Wenn es blutet… und blutet
Ich lege eine dicke Unterlage auf den Untersuchungsstuhl und lasse sie Platz nehmen. Durch eine vaginale Ultraschalluntersuchung kann ich sehen, dass die Gebärmutterschleimhaut, auch Endometrium genannt, hoch aufgebaut ist. Meine Patientin ist 48 Jahre alt. Ich gebe ihr eine neue Binde, bitte sie, sich wieder anzuziehen und dann in mein Sprechzimmer zu kommen.
„Und was soll ich jetzt machen?“ fragt sie mich anschließend. „Sie leiden unter einer verstärkten Menstruationsblutung, einer Hypermenorrhoe“, erkläre ich ihr. „Das ist häufig bei Frauen, die in die Wechseljahre kommen. Wir müssen jetzt zusammen entscheiden, was wir akut tun. Und dann, wie wir in Zukunft dafür sorgen können, dass so etwas nicht mehr passiert.“
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Ab wann ist eine Periodenblutung zu stark?
Etwa zehn Prozent aller menstruierenden Frauen leidet unter einer Hypermenorrhoe. Normalerweise verliert man bis zu 80 ml Blut während einer Menstruation. Das entspricht etwa 4 Schnapsgläsern. Alles, was darüber ist, ist definitionsgemäß zu viel. Passiert das hin und wieder mal und geht es den Frauen gut, ist das nicht weiter schlimm.
Bei einer regelmäßig zu starken Blutung kommt es allerdings häufig zu einem Eisenmangel. Die Mädchen und Frauen leiden dann unter einer Blutarmut, einer Anämie, die dafür sorgt, dass sie sich müde und kraftlos fühlen und außerdem sehr blass sind. „Mir ist direkt, als ich Sie gesehen habe, aufgefallen, dass Ihre Gesichtsfarbe sehr fahl ist. Ich vermute, dass auch Sie bereits an einer Anämie leiden. Wir sollten deshalb gleich noch Blut abnehmen“, sage ich zu meiner Patientin.
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Das sind die Gründe für eine Hympermenorrhoe
„Aber warum blute ich denn so stark? Das war früher nicht so!“, erwidert sie daraufhin. Für eine starke Menstruationsblutung gibt es viele verschiedene Ursachen. Die häufigsten sind folgende:
- Myome: Hierbei handelt es sich um gutartige Muskelgeschwulste der Gebärmutter
- (Mehrere) Schwangerschaften: Besonders in den Monaten nach einer Geburt hat die Gebärmutter noch nicht wieder ihre ursprüngliche Größe und zieht sich noch nicht wieder ausreichend zusammen. Die Folge: Es blutet stärker!
- Blutgerinnungsstörung und Medikamente: Neigt eine Patientin wegen einer Gerinnungsstörung allgemein zu einer verstärkten Blutung oder nimmt auf Grund einer Erkrankung Gerinnungshemmer, kann das die Menstruation verstärken
- Kupferspirale: Die Kupferspirale sorgt bei einigen Frauen dafür, dass die Periode nicht nur heftiger, sondern auch schmerzhafter wird
- Endometriose: Auch Frauen, die unter einer Endometriose leiden, bluten häufig stärker während ihrer Menstruation
Der Grund für die Hypermenorrhoe meiner Patientin ist allerdings ein hormonelles Ungleichgewicht (sehr häufig!), das typisch ist für Frauen, die in die Wechseljahre kommen. Man spricht auch von einer sogenannten Östrogendominanz. Hier ist der Östrogenspiegel im Verhältnis zum Progesteron erhöht. Das hohe Östrogen sorgt nun dafür, dass sich die Gebärmutterschleimhaut stark aufbaut, der niedrige Progesteronspiegel reicht nicht aus, um entsprechend gegenregulieren zu können. Mit einer starken Periode blutet die hoch aufgebaute Schleimhaut deshalb ab.
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Wie behandelt man eine zu starke Menstruation?
Je nachdem, warum es zu einer Hypermenorrhoe kommt, gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten. Wenn die Blutung allerdings sehr stark ist, ist es manchmal nötig, direkt medizinisch einzugreifen, weil der Blutverlust ansonsten zu groß werden könnte. Gute Möglichkeiten sind hier die Gebärmutterausschabung, gegebenenfalls mit Verödung der Gebärmutterschleimhaut oder die Gabe eines gerinnungsfördernden Medikaments.
Im weiteren Verlauf erfolgt dann eine grundsätzliche Behandlung: Myome können zum Beispiel operativ entfernt werden; bei einer dauerhaft starken Blutung empfehle ich eine liegende Kupferspirale zu entfernen. Frauen, die nach einer Entbindung eine stärkere Periode haben, müssen meist einfach etwas Geduld haben und gegebenfalls noch einmal die Rückbildungsmaßnahmen intensivieren. Natürlich gibt es auch immer die Möglichkeit, die Menstruation mit einer Pille, einer Gestagenspirale oder anderen hormonellen Verhütungsmitteln (Vaginalring und Pflaster) abzuschwächen.
Viele Frauen möchten allerdings häufig erst einmal natürliche Behandlungen versuchen, bevor sie auf hormonelle zurückgreifen.
Hier gibt es tatsächlich einige, die nachgewiesenermaßen helfen können:
- Mönchspfeffer: Einmal 40 mg Mönchpfefferfrüchteextrakt für 3 Monate täglich, dann Überprüfung des Therapierfolgs. Bei Bedarf neuer Therapiezyklus, vorzugsweise Einnahme ab Eisprung, das heißt in der zweiten Zyklushälfte, bis Ende der Menstruation bzw. Abschwächen der Blutung
- Teemischung: Zwei Monate lang täglich eine Tasse Tee der Mischung, danach nur noch während der Menstruation bzw. bei starker Menstruationsblutung:
Hirtentäschel 30 g
Schafgarbe 30 g
Gänsefinder 20 g
Frauenmantel 20 g - Vitamin E: Zwei Tage vor der Menstruation mit der Einnahme von 200 mg Vitamin E morgens und 200 mg abends beginnen. Bis zum dritten Blutungstag fortfahren
- Eisen: Bei starker Menstruationsblutung ist es ganz wichtig, auf eine ausreichende Aufnahme von Eisen zu achten. Eisen ist zum Beispiel in Linsen, Nüssen, Fleisch, Sojabohnen und Quinoa enthalten. Je nach Blutwerten kann es zusätzlich sinnvoll sein, ein Eisenpräparat einzunehmen, manchmal wird sogar eine Eiseninfusion benötigt
- Vitamin C: Vitamin C unterstützt die Eisenaufnahme. Deshalb Eisentabletten gerne mit einem Glas Orangensaft einnehmen
Lasst es einmal ärztlich abchecken!
Da die Blutung meiner Patientin sehr stark ist, bekommt sie noch am selben Abend in der Klinik eine Ausschabung der Gebärmutter. Die Blutuntersuchung ergibt außerdem einen ordentlichen Eisenmangel, der von ihrer Hausärztin im Anschluss mit Eiseninfusionen behandelt wird. Da die durchgeführte Hormonanalyse eine Östrogendominanz zeigt und die Patientin mir von weiteren Beschwerden wie Schlafstörungen, Gewichtszunahme und Wassereinlagerungen berichtet, fangen wir eine Therapie mit bioidentischen Hormonen an.
Als wir uns das nächste Mal sehen, ist meine Patientin wieder fit – und wahnsinnig erleichtert. Sie ärgert sich im Nachhinein, dass sie so lange gewartet hat, bevor sie sich medizinische Hilfe geholt hat. Deshalb meine Bitte an alle Frauen, die das Gefühl haben, ihre Menstruationsblutung sei zu stark: Lasst es einmal ärztlich abchecken!