Kinderwunsch, aber bitte später?Frauenärztin erklärt, was Eizellen einfrieren kostet und wann das eine gute Idee ist

Meine Patientin sitzt unruhig vor mir. Wir haben gerade die routinemäßige Krebsvorsorgeuntersuchung gemacht. Es gab überhaupt keine Auffälligkeiten. Trotzdem hat sie nun Redebedarf, das signalisiert sie mir deutlich. „Wann ist eigentlich der richtige Zeitpunkt, Kinder zu bekommen?“, fragt sie mich.
„Meine biologische Uhr tickt, ich höre sie ziemlich laut"
Kurz bin ich versucht, die Weisheit unserer Großmütter zum Besten zu geben: „Den perfekten Zeitpunkt gibt es nie.“ Da klar ist, dass das natürlich keine befriedigende Antwort ist, halte ich erst einmal inne. Es ist nämlich tatsächlich eine ausgesprochen schwierige Frage.
Natürlich gibt es Schwangerschaften, die unerwartet eintreten und eigentlich nicht so richtig in die aktuelle Lebenssituation passen – und am Ende ein großes Glück bedeuten.
Und doch ist es – leider – nach wie vor so, dass sowohl eine Schwangerschaft als auch das Muttersein einen großen Einschnitt im privaten und beruflichen Leben einer Frau bedeuten und deshalb die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt eine absolut berechtigte ist.
„Puh, das ist schwierig. Ich fürchte, es gibt hier keine für alle Frauen geltende Antwort“, beginne ich. „Meine ältere Schwester wollte immer Kinder haben. Erst war nicht der richtige Partner da. Als er dann da war, war sie jobmäßig total eingespannt. Tja, und dann hat es nicht mehr geklappt. Ich möchte auf keinen Fall, dass mir das auch passiert!“, fährt meine Patientin nun fort.
„Ich bin jetzt 35 Jahre alt. Meine biologische Uhr tickt, ich höre sie ziemlich laut.“ Sie zuckt mit den Achseln. „Allerdings bin ich erst ganz kurz mit meinem neuen Freund zusammen und ehrlich gesagt haben wir noch gar nicht so richtig über das Thema ‘Kinder’ gesprochen.“ Ich nicke.
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Tagtäglich sitzen Frauen jeden Alters in meiner Praxis und fragen, wann der richtige Zeitpunkt für eine Schwangerschaft ist. Manche Frauen sind sehr jung und haben bereits einen dringenden Kinderwunsch, manche Frauen nähern sich langsam den Wechseljahren, haben aber den Wunsch nach einem eigenen Kind noch nicht aufgegeben
Wie lange kann ich schwanger werden?
„Wie lange kann ich überhaupt noch schwanger werden?“, möchte meine Patientin nun wissen. Diese Frage kann ich ihr leichter beantworten. Dazu gibt es nämlich eindeutige Zahlen. Männer sind bis ins hohe Alter zeugungsfähig. Jüngst zeigte Robert de Niro, dass es selbst mit fast 80 Jahren möglich ist, Vater zu werden.
Bei Frauen sieht das biologisch völlig anders aus. Ihre Fruchtbarkeit sinkt mit steigendem Alter – und das bereits ab etwa Mitte 20. Die Anzahl der Eizellen, die nach einer Ovulation befruchtet werden können, nimmt mit den Jahren ab und kann auch medizinisch nicht beeinflusst werden.
Dazu einige Zahlen:
Die weibliche Fertilität ist zwischen 20 und 24 Jahren am höchsten. Pro Zyklus liegt hier die Wahrscheinlichkeit schwanger zu werden zwischen 25 und 30 Prozent.
Ab etwa 35 Jahren nimmt die Fruchtbarkeit deutlich ab. Sie liegt nun pro Monat bei etwa 10 Prozent.
Ab 40 Jahren liegt die Fertalität dann nur noch bei ca. 5 Prozent.
Obwohl ihre Fertilität zwar schon etwas gesunken ist, hat meine Patientin also nach wie vor eine absolut realistische Chance, schwanger werden zu können. Ich spüre ihre Erleichterung.
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„Gibt es denn eine Möglichkeit, untersuchen zu lassen, wie lange ich noch Zeit dafür habe, schwanger werden zu wollen?“ Ich habe das Gefühl, ihre Nervosität nimmt langsam ab und sie kann in aller Ruhe die Fragen stellen, die ihr auf der Seele brennen.
Vorab: Eine Untersuchung, die das ganz eindeutig und präzise herausfinden kann, gibt es nicht.
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So können Sie Ihre Eizellreserve bestimmen lassen
Eine Möglichkeit, die Eizellreserve individuell bestimmen zu lassen, ist aber die Messung des sogenannten Anti-Müller-Hormons (AMH). Dadurch können Hinweise gewonnen werden, ob die seit Geburt angelegten Eizellen bald aufgebraucht sind und keine Eisprünge mehr stattfinden oder ob es noch einen zeitlichen „Puffer“ gibt.
Zwar kann der ermittelte Wert keine ganz präzise Aussage über die tatsächliche Fertilität treffen, dennoch gibt er durchaus Hinweise darauf, wie wahrscheinlich das Eintreten einer natürlichen Schwangerschaft ist oder wie groß die Chancen auf den Erfolg einer künstlichen Befruchtung sind.
Mit dem Alter nimmt jedoch nicht nur die Zahl der befruchtungsfähigen Eizellen ab, sondern auch deren Qualität – das weiß auch meine Patientin. „Aber irgendwann ist das Risiko größer, ein nicht gesundes Kind zur Welt zu bringen, stimmt’s?“ Ich nicke: „Ja, das ist tatsächlich so.“
Das Risiko für kindliche Fehlbildungen, aber auch Komplikationen während der Schwangerschaft steigt mit dem Alter der werdenden Mama. Allerdings gibt es mittlerweile sehr viele pränatalmedizinische Untersuchungen, die man durchführen lassen kann. Dadurch können einige Schwangerschaftskomplikationen verhindert werden und auch Erkrankungen des Babys noch im Mutterleib oder direkt nach der Geburt gut behandelt werden.
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Eizellen einfrieren: Was ist eigentlich Social Freezing und was kostet das?
„Eine Frage habe ich noch“, fährt die Patientin nun fort. „Kann ich nicht einfach meine Eizellen einfrieren lassen? Davon habe ich gehört. Geht das wirklich?“ Tatsächlich geht das.
Als Social Freezing bezeichnet man den Vorgang, bei dem Eizellen zunächst entnommen und dann eingefroren werden, um sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder auftauen und befruchten lassen zu können. Diese Eizellen befinden sich in einem frühen Stadium und altern, im Gegensatz zu der weiblichen Person, nicht.
Vor der Entnahme erfolgt eine medikamentöse ovarielle Stimulationstherapie, an die sich eine Follikelpunktion, meist in Narkose anschließt. Dann erfolgt die Kryokonservierung, also das Einfrieren bei ca. -200 Grad in flüssigem Stickstoff. Es wird empfohlen, dieses Verfahren vor dem 35.Lebensjahr anzustreben, da die Erfolgschancen, den Kinderwunsch so Jahre später erfüllen zu können, später deutlich abnehmen.
In Deutschland gibt es übrigens keine gesetzlichen Einschränkungen, wenn der Kinderwunsch im wahrsten Sinne des Wortes „auf Eis“ gelegt werden soll. Allerdings werden die Kosten nicht von den Krankenkassen übernommen.
Ausgenommen sind Frauen, denen das Vorgehen aus medizinischen Gründen angeboten wird, zum Beispiel bei einer Krebserkrankung. Hier erfolgt in der Regel die volle Leistungsübernahme.
Die Kosten belaufen sich zunächst auf bis zu 4.500 Euro. Später kommen weitere hinzu, wenn es zur Befruchtung und dem Einsetzen der Eizellen kommt.
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Ihre Meinung ist gefragt!
Die Ergebnisse der Umfrage sind nicht repräsentativ.
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„Ich glaube, darüber werde ich wirklich nachdenken“, schließt sie ab und möchte aufstehen. Bevor ich sie allerdings gehen lasse, ist mir eine Sache noch ganz wichtig: „Es gibt im Grunde ziemlich einfache Maßnahmen, um die Fruchtbarkeit, so lange wie es die Natur erlaubt zu erhalten.“
Die wichtigsten sind:
ein gesunder Lebensstil ohne Nikotin und übermäßigen Alkohol
Über- und Untergewicht vermeiden
eine ausgewogene, vitamin- und ballaststoffreiche Ernährung
regelmäßige körperliche Bewegung
Und wenn der Kinderwunsch dann ganz akut ist, sollten diese Dinge beachtet werden:
frühzeitiger Beginn mit Folsäure, am besten Beginn mit 400 ug/tgl. bereits vier Wochen vor der Befruchtung, außerdem auf folsäure-reiche Ernährung achten
auf einen guten Vitamin D-Spiegel achten beziehungsweise bei Bedarf zusätzlich einnehmen
optimale Einstellung der Schilddrüsenwerte
Stress vermeiden und auf ausreichend Schlaf achten
Ermittlung der fruchtbaren Tage mittels Zyklustracking und/ oder Ovulationstests
bei unregelmäßigem Zyklus kann die Einnahme von Mönchspfeffer (Agnus castus) sinnvoll sein, auch die Einnahme von Myo-Inositol kann sich positiv auf die Fruchtbarkeit auswirken (bitte bezüglich Dosierungen mit der behandelnden Gynäkologin besprechen!)
Wichtig: Gerade Frauen, die auf die 40 zugehen, sollten nicht zu lange warten, bis sie ihre Frauenärztin aufsuchen, wenn sich spontan keine Schwangerschaft einstellt. Meinen Patientinnen in diesem Alter empfehle ich, es etwa 3-4 Monate „zu probieren“ und sich ansonsten an mich zu wenden, damit ich einige Untersuchungen, zum Beispiel eine Hormonanalyse, durchführen kann.
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Patientin entscheidet sich am Ende für Social Freezing
Meine Patientin sehe ich übrigens etwa ein halbes Jahr später wieder. Sie hat sich nach der Untersuchung bei mir einen Termin in einem Kinderwunschzentrum geben lassen. Vor kurzem hat sie ihre Eizellen einfrieren lassen. „Aktuell möchte ich noch nicht schwanger werden, aber ich weiß, dass ich einmal unbedingt Kinder haben möchte. Dafür möchte ich jetzt vorsorglich alles tun, was medizinisch möglich ist“, erklärt sie mir ihren Schritt.