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49-Euro-Ticket vor dem Aus? Warum der Kanzler jetzt ein Machtwort sprechen muss

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) muss ein Machtwort in Sachen Deutschlandticket sprechen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) muss in Sachen Deutschlandticket ein Machtwort sprechen.
dpa/Actionpress Foto Online
von Eva Johanna Onkels

Es klang wie der Traum!

Einfach in Bus und Bahn einsteigen und losfahren – das verspricht das Deutschlandticket. Und es könnte eine echte Erfolgsgeschichte sein. Aber jetzt gibt es schon wieder handfesten Streit in der Politik. Dieses Mal zwischen Bund und Ländern. Damit das Deutschlandticket ein Erfolg bleibt, muss der Kanzler jetzt ein Machtwort sprechen!

Kein Hantier mehr mit Tarifgrenzen

Für 49 Euro im Monat können Bürger und Bürgerinnen derzeit mit dem Nah- und Regionalverkehr quer durch das Land fahren. Kein unnötiges Herumschlagen mit Tarifgrenzen für den Gelegenheitsfahrer, kein Überlegen, was denn nun die günstigste Option ist: Ein Tagesticket, ein Wochenticket, ein Monatsticket, ein 10-Tage-Ticket für Pendler. Aus der Politik gibt es weitestgehend Lob für das Ticket – sogar Frankreich hat Interesse an dem Modell bekundet. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sonnte sich im Erfolg. Umso peinlicher jetzt der Streit zwischen Bund und Ländern über die Finanzierung, der das Erfolgsmodell schneller zu Grabe tragen könnte, als irgendwer im Mai gedacht hat.

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Der Knackpunkt – vereinfacht: Die Länder sollen eine Hälfte des Tickets zahlen, der Bund die andere. Der Bund will dazu bis 2025 jedes Jahr 1,5 Milliarden Euro in das Ticket stecken. Doch das reicht nicht aus, um tatsächlich die eine Hälfte der Kosten zu übernehmen, weshalb die Länder mauern. Damit droht entweder das Aus für das Ticket noch in 2024 oder – wahrscheinlicher - eine deutliche Kostensteigerung für die Nutzer. 69 Euro statt 49 für das Deutschlandticket stehen da plötzlich im Raum. Das lohnt sich für den Langstreckenpendler wie mich immer noch – für viele andere wird das Ticket damit aber deutlich unattraktiver. Kann das das Ziel sein in einer Zeit, in der wir vom Auto auf die Bahn umsteigen sollten? Eigentlich nicht.

Nahverkehr ohne Deutschlandtticket viel zu teuer

Klar ist: Billig ist das Ticket für Vater Staat nicht, aber es erfüllt seinen Zweck. Die Vereinfachung von Tarifsystemen ist Gold wert, ein günstiges Nah- und Regionalverkehrsticket tat dringend Not. Um das einmal mit Zahlen zu untermauern: Ein günstiges Ticket von Köln nach Hamburg mit dem ICE kostet clever gebucht 23,90 Euro. Eine Fahrt von Aachen nach Köln liegt bei 20 Euro, das Tagesticket bei 30. Ein Monatsticket für die Strecke kostet 340 Euro! Gerade Regional- und Nahverkehr sind ohne Deutschlandticket absurd teuer – die Preise bewegen da sicherlich niemanden zum Umsteigen. Dabei sollte das ein Ziel des Tickets sein! Dass sich nun ausgerechnet Wissing weigert, weiter auf die Länder zuzugehen, zeigt, dass er sich zwar im Licht des Tickets sonnen will, aber so richtig wohl eher nicht dahintersteht. Was auch nicht wundert: Zumindest gefühlt war der Verkehrsminister nie ein richtiger Freund des Deutschlandtickets zum Preis von 49 Euro.

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Nun ist erneut eine Einigung gescheitert. Weitergehen soll es im November, die Hoffnungen ruhen auf dem Kanzler. Und von dem muss jetzt ganz klar ein Bekenntnis und ein Machtwort zum 49-Euro-Ticket kommen. Und das muss im Sinne der Pendler, des Klimaschutzes und der Verkehrswende lauten: Der Bund übernimmt die Hälfte der Kosten. Punkt. Das Deutschlandticket bleibt bei 49 Euro – zumindest noch im kommenden Jahr. Hohe Lebensmittelpreise, hohe Energiepreise, weiter hohe Spritpreise – da ist das Ticket eine echte Entlastung für viele Haushalte. Das wird womöglich nicht nur Wissing, sondern auch dem Finanzminister Christian Lindner (FDP) nicht schmecken, aber es ist notwendig.

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Ampel sollte das Ticket als Chance sehen

Auch die oft so zerstrittene Ampel kann davon nur profitieren, ist das Deutschlandticket doch ohne Zweifel eine Entlastung für viele Bürgerinnen unde Bürger. Außerdem hat die Regierung hier endlich etwas Handfestes in der Hand, etwas, dass sie als Erfolg verbuchen kann!

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Schlussendlich tut sich niemand einen Gefallen mit der Dauerdiskussion – am allerwenigsten die Bundespolitik. Sie verunsichert die, die das Deutschlandticket nutzen oder mit dem Gedanken spielen, sich eines zuzulegen. Denn wer sich nicht sicher ist, ob das Ticket weiter Bestand hat und ob es nicht doch bald 20, 30, 40 Euro teuer wird, der wird sich vielleicht gar keines holen und der Umstieg auf die Bahn fällt aus. In einem Jahr, in dem wir einen weiteren Rekord-Temperatur-September und (vermutlich) einen Rekord-Temperatur-Oktober erleben dürften, wäre das ein Totalversagen der Politik. Und ein völlig Unnötiges noch dazu. Wenn Scholz noch ein paar Sympathiepunkte beim Bürger gut machen möchte - DAS ist seine Chance