„Wir können nicht so weitersuchen wie tagsüber”
Hunderte Helfer suchen nach Pawlos (6)– doch das wird jetzt schwieriger
Pawlos, wo bist du?
Seit Dienstag wird der sechsjährige Pawlos aus Weilburg (Hessen) vermisst. 450 Einsatzkräfte suchen nach dem Jungen. Autismus-Experte Fabian Diekmann erklärt, warum die Suche nach autistischen Kindern besonders schwierig ist – und warum klassische Suchmethoden nicht immer helfen.
Autistische Kinder verstecken sich oft – und bleiben in ihrem Versteck

Die Polizei geht nicht von einem Verbrechen aus, sondern vermutet, dass sich Pawlos irgendwo versteckt hält. Mehr als 24 Stunden läuft der Großeinsatz bereit. Die zweite Nacht steht bevor. Zuletzt wurden die Suchtrupps immer weiter aufgestockt. Bis zu 450 Einsatzkräfte waren an der Suche beteiligt.
Doch das ist jetzt nicht mehr so möglich, wie ein Polizeisprecher am Mittwochabend auf Nachfrage von RTL mitteilt. „Wir können nicht so weitersuchen wie tagsüber.“ Die Maßnahmen müssen angepasst werden. Zum Beispiel können die Reiterstaffeln aufgrund der fehlenden Sicht nicht eingesetzt werden. Dabei ist es so wichtig, dass Pawlos gefunden wird – und zwar zeitnah. Dienstagmittag wurde er das letzte Mal gesehen und heute Nacht sollen die Temperaturen auf bis zu drei Grad fallen.
Ab Sonnenaufgang soll wieder ganz groß gesucht werden. Das Hinweistelefon bleibt allerdings die ganze Nacht bestehen. Es sind auch schon Hinweise eingegangen, doch noch fehlt der entscheidende Hinweis, um den Sechsjährigen zu finden.
Aber warum kommt er nicht von selbst aus seinem Versteck? „Es geht gar nicht nur um Autismus, sondern um das Alter. Ein sechsjähriges Kind hat andere Suchanforderungen als ein Erwachsener. In diesem Fall, wenn ich es richtig rausgelesen habe, auch nicht sprechend, ist der Punkt, dass Bedürfnisse nicht sofort bemerkt werden“, erklärt Fabian Diekmann, Fachreferent bei Autismus Deutschland im Gespräch mit RTL.
Ein Kind ohne Autismus würde sich irgendwann selbst melden – aus Hunger, Angst oder Kälte. „Dieses kindliche Versteckspiel kann deutlich länger dauern. Man versteckt sich als Kind und kommt nicht irgendwann wieder raus, weil man beispielsweise Hunger, Durst oder auch Angst verspürt.“

Warum Pawlos seine eigene Situation vielleicht gar nicht als Gefahr erkennt
Autistische Kinder nehmen ihre Umgebung oft anders wahr – das kann eine Suche enorm erschweren. „Das merken Kinder generell schon schwierig und in dem Fall aufgrund der Wahrnehmungsbesonderheiten möglicherweise gar nicht.“

Besonders Kälte sei ein wichtiger Faktor: „Es kann halt einfach auf der Wahrnehmungsebene sein, dass das Kind so relativ einfache Sachen wie Wärme und Kälte nicht spürt. Also im Moment ist es nicht besonders warm und das wäre ja schon ein Punkt, der dazu führen würde, dass man schneller mal nach Hause kommt, weil einem einfach kalt wird. Und wenn man das aber nicht spürt in dem Moment, ist das natürlich ein Faktor, der die Suche verlängern kann.
Lese-Tipp: So erkennt ihr, ob ihr Autist seid
Lese-Tipp: Autismus – Auf diese Symptome solltet ihr bei eurem Kind achten
Warum die Stimme der Mutter helfen könnte – aber nicht muss
Die Polizei setzt bei der Suche auf eine besondere Methode: Über Lautsprecher wird eine Aufnahme der Mutter abgespielt, die Pawlos bittet, aus seinem Versteck zu kommen. Laut Diekmann ist das eine sinnvolle Maßnahme, jedoch ohne Garantie auf Erfolg.
Lese-Tipp: Pawlos (6) in Weilburg vermisst! Die Stimme der Mutter soll ihn hervorlocken
„Sicherheit ist das Thema. Also gerade die Stimme der Mutter oder der nächsten Bezugsperson ist der wichtigste Ankerpunkt. Und im besten Fall führt es dazu, dass das Kind dadurch rauskommt.“
Aber: „Andere Menschen rennen durch die Straße, rufen den Namen. Das kann durchaus auch bedrohlich wirken.“ Pawlos könnte sich also noch tiefer in sein Versteck zurückziehen, wenn die Suche ihn verängstigt.
Lese-Tipp: Suche nach Arian (6) – Expertin rät davon ab, nach dem Jungen zu rufen
Lese-Tipp: Mutter des vermissten Mathis (5) – Wer ihn findet, soll Hoppe-hoppe-Reiter singen
Hat der Fall Arian etwas verändert?
Die Suche nach Pawlos erinnert an den Fall Adrian, einen autistischen Jungen, der 2023 in Bayern verschwand und später tot gefunden wurde. Haben sich seither Schutzmaßnahmen verbessert?
„Man ist natürlich ein bisschen aufmerksamer. Das Thema ist nicht neu. Arian ist auch nicht das erste Kind, was vermisst wurde, auch wenn es ein medial sehr aufwendiger und aber auch im Nachhinein natürlich sehr tragischer Fall war. Also jegliche Form von GPS-Tracking-Armbändern, aber natürlich auch ein Training zum Sich-bewegen-in-der-Öffentlichkeit – wie hole ich mir Hilfe? Etwas, was autistischen Menschen häufig schwerfällt, wird hier noch mal, denke ich, verstärkt in den Alltag eingebaut worden sein.“
Die Suche geht weiter – Polizei bittet um Mithilfe
Die Polizei Weilburg setzt die Suche nach Pawlos mit Hochdruck fort und bittet die Bevölkerung um Unterstützung: „Bitte kontrollieren Sie Keller, Schuppen und Gärten. Halten Sie Ausschau, aber erschrecken Sie Pawlos nicht.“
Die Hoffnung bleibt, dass Pawlos bald gefunden wird – bevor es zu spät ist.