Berufungsprozess in FrankreichGisèle Pelicot greift Angeklagten an – „Wie konnten Sie das tun – mit einer leblosen Frau?”

Man convicted in Gisele Pelicot rape trial appeals his sentence at the courthouse in Nimes
Gisele Pelicot während einer Verhandlungspause beim Berufungsprozess in Nimes.
REUTERS
von Sabrina Suberg und Sebastian Stöckmann

Sie muss schon wieder von ihrem Martyrium berichten.
Einer ihrer mutmaßlichen Vergewaltiger wollte seine Strafe nicht akzeptieren und ist in Berufung gegangen. Deshalb betrat die Französin Gisèle Pelicot (72) am Mittwoch noch einmal den Zeugenstand. Und griff den Angeklagten Husamettin D. (44) frontal an.

Missbrauchsvideos werden im Gerichtssaal in Nimes gezeigt

„Wie konnten Sie das tun – mit einer leblosen Frau und dann auch noch ohne Kondom?”, fragt die 72-Jährige am Strafgericht im südfranzösischen Nîmes. Pelicots Stimme ist stark. Sie redet schnell, drückt sich klar aus. „Ich kenne diesen Herren nicht, habe ihn nie gesehen”, sagt sie über Husamettin D. „Ich habe ihn zum ersten Mal auf den Videos gesehen, wie er mich vergewaltigt. Und es ist eine Vergewaltigung.”

Im Gerichtssaal waren zuvor 14 Videos gezeigt worden. Darauf war zu sehen, wie der Angeklagte Gisèle Pelicot mehrfach sexuell missbraucht, während diese reglos ist und zeitweise laut hörbar schnarcht. „Stehen Sie zu Ihren Taten und hören Sie auf, sich hinter Ihrer Feigheit zu verstecken”, forderte Pelicot.

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Prozess um Gisèle Pelicot: Nur Husamettin D. ging in Berufung

In dem aufsehenerregenden Missbrauchsfall wurden im Dezember 2024 insgesamt 51 Männer verurteilt. Gisèle Pelicots Ex-Mann Dominique erhielt die Höchststrafe von 20 Jahren Haft. Er hatte gestanden, seine damalige Frau über fast zehn Jahre hinweg immer wieder mit Medikamenten betäubt, missbraucht und von Fremden vergewaltigen lassen zu haben. Die 50 weiteren angeklagten Männer wurden zumeist wegen Vergewaltigung zu Haftstrafen zwischen drei und 15 Jahren verurteilt.

Einzig Husamettin D. ging gegen seine neunjährige Haftstrafe in Berufung. Er behauptet, von Dominique Pelicot getäuscht worden und davon überzeugt gewesen zu sein, an einem einvernehmlichen Sexspiel teilzunehmen.

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Gisèle Pelicot steht aufrecht im Zeugenstand

„Sagen Sie mir bitte nicht, dass Herr D. von meinem Mann manipuliert wurde. Er wusste genau, was er tut”, sagt Gisèle Pelicot zu Husamettin D.s Anwalt. „Er wusste doch genau, was er tat.” Husamettin D. habe sich auf der Terrasse ausgezogen. „Warum hätte er das tun sollen? Er ist ein Vergewaltiger und wird immer ein Vergewaltiger sein.”

Die 72-Jährige wirkt leicht aufgebracht, spricht aber nach wie vor deutlich. Auch darüber, dass sie sich immer wieder gewundert habe, wo sie sich bestimmte Krankheiten eingefangen habe. Sie steht aufrecht im Zeugenstand, unterstreicht mit ihren Händen ihre Aussagen. Der Angeklagte sitzt eingesunken auf einem Stuhl.

„Auch wenn die Männer anfangs gedacht haben, dass ich nur so tue, als würde ich schlafen: Wann haben sie nach meinem Einverständnis gefragt? Nie”, sagt Gisèle Pelicot. „Keiner ist gegangen, keiner hat etwas gemeldet.”

72-Jährige nennt ihren Ex-Mann „Monsieur Pelicot”

Wenn die Französin von ihrem früheren Mann redet, dann nur als „Monsieur Pelicot”. Sie selbst hat wieder ihren Mädchennamen angenommen. Dominique Pelicot hatte den Angeklagten am Dienstag in seiner Zeugenaussage schwer belastet: Husamettin D. habe gewusst, dass er gezielt nach Männern gesucht habe, die seine „schlafende” Frau „ohne ihr Wissen” vergewaltigen sollten. Ermittlungschef Jérémie Bosse-Platière bestätigte seine Darstellung.

„Ich habe heute das Gefühl, am Ende einer fünfjährigen Justizreise zu stehen”, sagt Gisèle Pelicot am Mittwoch. „Und ich hoffe, nie wieder hierher kommen zu müssen. Aber ich bereue nichts. Allen Opfern sage ich, dass sie sich nicht schämen müssen. Sie haben keine Schuld.”

Verwendete Quellen: eigene RTL-Recherchen, afp