Welche Botschaft Brigitte Kletzmayr heute wichtig ist
„Es war einfach alles zu viel“: Pflegende Tochter am Limit - dann wendet sich das Blatt

...und plötzlich sind die Rollen vertauscht.
Wie gehen Angehörige damit um, wenn Eltern oder Großeltern plötzlich pflegebedürftig werden? Nicht nur Organisatorisches ist dann zu klären, auch mental sind Familien oft mit der Situation überfordert. Eine Situation, die Brigitte Kletzmayr (68) aus eigener Erfahrung kennt: Die Erinnerung an die Hilflosigkeit von damals hat sie dazu animiert, selbst aktiv zu werden. Was daraus erwachsen ist? Uns hat sie ihre Geschichte erzählt.
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Als Tochter pflegebedürftiger Eltern oft selbst überfordert
„Das ständig schlechte Gewissen, die Überforderung, vieles allein schaffen zu wollen – es war einfach alles zu viel“, sagt die heute selbstständige Pflegeberaterin Brigitte Kletzmayr (68) aus München.
Dann spricht sie über ihren eigenen Tiefpunkt, den sie vor 15 Jahren erlebte und der sie schließlich zu ihrer aktuellen Berufung brachte.
„Meine Eltern wurden fast über Nacht pflegebedürftig. Es begann damit, dass meine Mutter sehr krank wurde: Sie bekam Knochenkrebs, musste starke Schmerzmittel einnehmen. Sie litt unter Verwirrungszuständen. Es war schwer, all das so hautnah mitzuerleben“, erinnert sich Kletzmayr an diese schwere Zeit zurück.
Dazu kommt die plötzliche Unselbstständigkeit ihres Vaters: „Er konnte sich selbst nichts kochen, den Haushalt nicht führen, hat aber dann die Hilfskraft nicht ins Haus gelassen. Es war oft sehr schwer, damit umzugehen.“
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Anruf aus dem Pflegeheim: „Es hieß, dass er den Tag nicht überleben wird“
Drei Jahre später stirbt Brigitte Kletzmayrs Mutter mit 75 Jahren im Hospiz.
Auch dem Vater geht es immer schlechter, schließlich muss er in ein Pflegeheim. Für Brigitte Kletzmayr ein ständiges auf und ab der Gefühle: „Ich war berufstätig, hatte eine eigene Familie mit zwei Kindern, stand mitten im Leben. Plötzlich kam ein Anruf, dass mein Vater schwer krank sei. Ich hatte den ganzen Tag gearbeitet und war allein davon gestresst. Es hieß, er werde den Tag nicht überleben, also bin ich so schnell ich konnte zum Pflegeheim gefahren.“ Sie eilt durch die Flure des Pflegeheims, sucht verzweifelt Halt an den Wänden, zu unerträglich ist die Nachricht.
Schließlich stürzt sie in das Zimmer ihres Vaters, rechnet mit dem Schlimmsten. Niemals hätte sie damit gerechnet, was sie dort vorfindet!
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Kletzmayr: Alles war zu viel – doch über manches kann sie heute lachen
„Mein Vater saß in seinem Sessel und aß einen Joghurt, sonst nichts. Er hat einen normalen Eindruck gemacht“, erinnert sie sich heute lachend an diese Situation. Eine Leichtigkeit, die ihr damals völlig fremd war.
Die Belastung war einfach zu groß.
„Ich bin alles andere als eine Alkoholikerin, doch das war so ein Tag, an dem ich zu erschöpft war, um mir ein Glas zu holen. Ich habe den Vodka gleich aus der Flasche getrunken“, erzählt die heute 68-Jährige.
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So wichtig ist die mentale Beratung pflegender Angehöriger
Berichte über solche Reaktionen und mentale Ausnahmesituationen hört Brigitte Kletzmayr mittlerweile oft von Angehörigen. Vor einem Jahr hat sie sich selbstständig gemacht und berät heute die Kinder pflegebedürftiger Eltern, die nicht mehr weiterwissen. Sie versucht, individuell und aus ihrer eigenen Erfahrung heraus zu beraten und damit eine Lücke zu schließen.
„Das kann allen helfen, die Aufgaben nicht gerne abgeben. Ich selbst hätte auch viel mehr Hilfe in Anspruch nehmen sollen“, weiß die Pflegeberaterin heute.
Fünf Profi-Tipps für Angehörige gegen den mentalen Ausnahmezustand
Kletzmayr hat fünf schnelle Tipps für alle parat, die mit ihren zu pflegenden Angehörigen nicht mehr weiterwissen.
Sofort um Hilfe bitten und die Situation nicht mit sich selbst ausmachen – auch im Freundeskreis, bei Geschwistern und Nachbarn fragen
Jede Hilfe annehmen!
Immer eine weitere Person einbinden – Notfallnummer parat haben, beispielsweise von einer Freundin
In schlechten Momenten an Gutes zurückdenken und die Erfahrung in ein gedachtes Schatzkästchen legen (für den nächsten Tiefpunkt)
Katalysatoren suchen, zum Beispiel Musik hören, die gefällt – Atemtechnik anwenden
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Pflegeberatung für Menschen, die Aufgaben nicht gerne delegieren
Kletzmayrs persönliche Beratung kostet je nach Aufwand zwischen 140 Euro und 180 Euro, wobei das erste Gespräch kostenfrei ist. Aber auch Krankenkassen, manche Arbeitgeber und die Verbraucherzentralen bieten psychologische Unterstützung bei der Pflege von Angehörigen kostenfrei an. Informationen dazu finden Interessierte auf der Website von pflegen-und-leben.de.