Experte Thomas Sonnenburg zur Polizeilichen Kriminalstatistik 2022

Deswegen sind immer mehr Kinder tatverdächtig oder kriminell

Sonneenburg
Thomas Sonneenburg im RTL-Gespräch

In Deutschland sind 2022 deutlich mehr Straftaten verübt und von der Polizei registriert worden als im Vorjahr. Damit kehrt sich der positive Trend der zurückliegenden Jahre um. Das betrifft auch Kinder- und Jugendkriminalität. Darüber haben wir mit dem bekannten Sozialpädagogen Thomas Sonnenburg gesprochen. Die Gründe hierfür seien so „vielfältig wie das Leben“, sagt er.

„Die Pandemie hat etwas mit unseren Kindern und Jugendlichen gemacht“ 

Aus seiner Sicht spielt eine große Rolle, dass es um die Anzahl der Taten junger Menschen in einer Zeit geht, die unmittelbar nach der Corona-Pandemie liegt. Auch wenn es noch keine empirischen Studien gebe, ist Sonnenburg sicher: „Die Pandemie hat etwas mit unseren Kindern und Jugendlichen gemacht.“

Corona habe sie „um einen Teil ihrer Kindheit und Jugend beraubt“, sagt er. Hinzu seien Ängste gekommen, die alle Menschen gehabt hätten, „Die Eltern waren verunsichert, die Kinder waren verunsichert“, erklärt er weiter. Viele Kindern und Jugendliche seien plötzlich auf sich allein gestellt gewesen, das habe Spuren hinterlassen.

Sonnenburg spricht auch über die Problematik sozialer Medien. Kinder und Jugendliche hätten vielfach unkontrolliert Zugriff auf Inhalte wie Gewaltvideos oder Pornos. Das fördere zum einen Überforderung, zum andere berge es die Gefahr von Nachahmungseffekten, glaubt er. Problematisch sei zudem, dass Eltern den Anschluss verpasst hätten. „Sie sind nicht in der Lage, das Agieren ihrer eigenen Kinder wahrzunehmen, geschweige denn zu kontrollieren“, bilanziert er.

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„Niemand gebietet Einhalt, niemand hält Kinder zurück.“

Folge sei eine Verrohung, weil es kein Regulativ mehr gebe. „Niemand gebietet Einhalt. niemand hält Kinder zurück.“ Er appelliere an die gesamte Gesellschaft. Man müsse in Prävention investieren, ausgebildete Fachleute wie „wirkliche Therapeuten, Pädagogen, Sozialarbeiter“ an Brennpunkten einsetzen. Ein gelungenes Beispiel sei die Rütli-Schule in Berlin, früher eine berüchtigte Schule in einem Neuköllner Brennpunkt. „Heute ist es der Rütli-Campus, die Direktorin konnte agieren, konnte sich ihr Personal aussuchen und so ist der Weg.“ Die Gesellschaft müsse die didaktischen und pädagogischen Möglichkeiten in der Jugendhilfe nutzen“, so Sonnenburg.

Beim Umgang mit kriminellen Jugendlichen fordert der Pädagoge ein Umdenken. „Mehr Polizeiarbeit, mehr konsequentes Handeln, viel mehr tatsächliche und vor allem schnellere Verurteilung“, fasst er zusammen.

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Experte beklagt Werteverlust: "Darüber müssen wir reden"

Es gebe in Deutschland einen Werteverlust, der dazu geführt habe, dass Kinder „Werte wie Fleiß, Disziplin, Solidarität miteinander umgehen, „falsch interpretieren oder gar nicht kennen.“ Stattdessen würden „Werte wie Durchsetzungsvermögen, Kraft‚ ‚fame bekommen‘, also Ruhm haben“ im Vordergrund stehen.

„Darüber müssen wir reden“, sagt Sonnenburg. Das müsse mit Kindern und Jugendlichen besprochen werden. Sie seien in ihrer Entwicklung noch veränderbar.“ Sie seien „empfänglich für neue und richtige Werte“, ist er überzeugt. (uvo)