Corona-Erkrankung, Erkältung, Grippe und Co.

Immunsysteme auf Sparflamme und kein Ende in Sicht: Wann ist der Rebound-Effekt endlich vorbei?

Eine junge Frau sitzt krank auf ihrem Sofa, um sie herum sind unter anderem ganz viele Taschentücher verteilt.
Hört das denn nie auf? Noch immer sind viele Menschen krank und anfällig für Infekte. Dr. Specht erklärt, woran das liegt.
Tero Vesalainen

von Vera Dünnwald

Es nervt! Auch wenn es mit großen Schritten auf den Frühling zugeht und wir somit die lästige Krankheitssaison so langsam aber sicher hinter uns lassen: Noch immer werden wir von Infekten geplagt. Hier eine Erkältung, da nochmal mit Corona infiziert – und das, obwohl doch auch die letzte Grippe-Infektion erst wenige Wochen zurückliegt und das Kind erst vor Monaten mit dem RS-Virus zu kämpfen hatte. Hört das überhaupt nochmal auf?

Wir haben bei Allgemeinmediziner und Medizinjournalist Dr. Christoph Specht und dem Bonner Virologen Hendrik Streeck nachgefragt.

Ihre Meinung ist gefragt!

Die Ergebnisse der Umfrage sind nicht repräsentativ.

Rebound-Effekt sorgt nach wie vor für Infektionen aller Art

Dauernd ist irgendetwas, es hustet und niest an jeder Ecke. Können wir nicht einfach mal wieder über einen längeren Zeitraum gesund sein? Zum Glück wissen wir, wer der Übeltäter ist. Schuld ist nämlich der sogenannte Rebound-Effekt.

Aufgrund von Corona-Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen, strengen Hygienemaßnahmen und Co. blieben in den letzten zweieinhalb Jahren viele Infektionen, wie zum Beispiel die herkömmliche Erkältung, aus. Und weil das Immunsystem kaum etwas bekämpfen musste, ist es aus dem Training gekommen. Hendrik Streeck erklärt im RTL-Interview: „Unser Immungedächtnis ist einfach nicht mehr so frisch.

Doch Viren und Bakterien verschwinden ja nicht einfach. Dr. Specht sagt: „Normalerweise haben wir jedes Jahr Kontakt mit den unterschiedlichsten Viren. Wir infizieren uns und unser Immunsystem bekämpft sie für uns – und dann sind wir erst einmal wieder ‘geboostert’, sprich immun.“

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Wie ein Boomerang kamen die Infektionen vor allem im vergangenen Herbst und Winter zurückgerast und wir lagen flach.

Doch müssten wir nicht so langsam über den Berg sein?

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Mediziner und Virologen geben Entwarnung: Wir werden jetzt nicht andauernd krank sein"

Warum wir auch jetzt noch krank sind, liege noch immer am Rebound-Effekt. Aber: „Es kommt auch ein psychologischer Effekt hinzu, dass wir nicht mehr wissen, dass es eben auch normal sein kann, mehrere Infektionen hintereinander durchmachen zu müssen. Wir sind nicht mehr daran gewöhnt, regelmäßig Erkältungen zu haben und leben ein kleines bisschen in einer Art verzerrten Wahrnehmung“, so der Mediziner. Dem stimmt auch Hendrik Streeck zu.

Dr. Specht ist jedoch guter Dinge: „Wir werden jetzt nicht andauernd alle zwei, drei Monate krank sein. Das hört auf!“ Er erklärt zudem: „Auch wenn man natürlich nicht in die Glaskugel gucken kann, gehe ich nicht davon aus, dass die aktuelle Situation so bleibt. Wir sind über den Berg. Jetzt kommt der Sommer und auch der Herbst danach wird nicht wieder total furchtbar, was Infektionen angeht.“

Streeck erklärt zudem: „Wir wissen, dass sowas in den Sommermonaten meistens wieder aufhört, sodass man damit rechnen kann: Das Wetter wird schöner, die Leute gehen nach draußen, das Immunsystem wird gestärkt. Da müssen wir nicht mit vermehrten Infektionen rechnen.“

Der Bonner Virologe sagt, dass wir erst wieder im Herbst und Winter mit weiteren Erkältungserkrankungen rechnen müssen. „Das kennen wir von der Zeit vor der Pandemie. Diesen Herbst-Schnupfen, den haben wir glaube ich alle.“ Das sei normal.

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Was Sie zur Erkältungssaison wissen sollten

Dr. Christoph Specht schaut in die Kamera.
Dr. Christoph Specht erklärt, was Sie tun können, um Ihr Immunsystem zu stärken.
Moritz Jansen, photoMo

Heißt also: Auch wenn wir vielleicht vermehrt krank waren oder es noch immer sind, ist dieser Zustand nicht von Dauer. „Das wäre die Theorie des nachhaltig geschädigten Immunsystems aufgrund von Covid-19, für die es keine Evidenz gibt. Also es ist grundsätzlich schon möglich, dass unser Immunsystem unter der Corona-Infektion gelitten hat. Aber das gilt dann auch für alle anderen Infektionen, denn eine Veränderung im Immunsystem erfährt man eigentlich nach jeder Infektion“, so Dr. Specht.

Sicherlich gibt es auch Menschen, die vorher so gut wie nie krank waren und während der Erkältungssaison in Herbst und Winter mehr Infektionen durchgemacht haben, als jemals zuvor. Dies könne aber auch einfach Zufall gewesen sein, erzählt der Allgemeinmediziner. „Da gibt es keine Statistiken zu.“

Was man jedoch weiß: „Die Grippefälle sind auf jeden Fall wieder angestiegen und die Grippewelle ist diesmal auch früher losgerollt, nämlich schon im Dezember anstatt im Februar. Aber das ist nicht ungewöhnlich, das gibt es alle paar Jahre mal.“

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SCHON wieder krank? Das können Sie tun

Doch was sollte ich tun, wenn ich mal wieder flach liege, vor allem, wo doch die Maßnahmen nun aufgehoben wurden und die Normalität in großen Teilen zurückgekehrt ist? „Corona zum Beispiel ist mittlerweile wie ein Erkältungsvirus. Auch bei Erkältungen und anderen Infektionen gilt nach wie vor: Wenn ich krank bin, bleib ich zu Hause und halte mich von anderen fern.“

Dr. Specht sagt, dass man aber trotzdem nicht vermeiden könne, andere anzustecken oder sich selbst zu infizieren. Denn: „Wenn niemand angesteckt wird, ist das auch nicht gut. Dann haben wir ja wieder genau das, was wir gerade haben. Es verschiebt sich nur.“ Es sei nicht mit dem Leben vereinbar, immer eine sterile Umgebung zu haben.

Um trotzdem vorsichtig zu sein und sein Immunsystem zu stärken, solle man laut des Mediziners vor allem zu langfristigen Maßnahmen greifen. „Nichts hilft kurzfristig“, erklärt Dr. Specht. „Grundsätzlich ist es immer erstmal gut, etwas zu machen, was dem Körper nicht schadet, sprich: nicht rauchen, kein Übergewicht haben, Alkohol in Maßen, eine Lebensführung verfolgen – das ist das Wichtigste.

Auch diese Tipps helfen gegen Infektionen

Darüber hinaus, so betont er, sei es wichtig, sich genügend zu bewegen – auch bei schlechtem Wetter. „Frische Luft ist immer gut. Da sollte man sich auch schon mal der schlechten Witterung aussetzen, das stärkt uns.“ Viel zu trinken sei ebenfalls von Nöten, da so die Schleimhäute feucht gehalten werden.

Der Allgemeinmediziner rät hingegen von vermeintlich hilfebringenden Dingen aus dem Alltag ab: „ Saunagänge und Wechselduschen zum Beispiel sind prinzipiell gut für die Immunabwehr. Aber ihre richtige Wirkung können sie eigentlich erst dann entfalten, wenn sie regelmäßig gemacht werden.“

Besser: Wenn Sie gerne saunieren oder Ihnen Wechselduschen auch bei der Entspannung helfen, dann bauen Sie diese Unternehmungen weiterhin in Ihre Routine ein. Dann hat es vielleicht im nächsten Jahr, wenn die nächste Erkältungssaison in den Startlöchern steht, einen positiven Effekt auf Ihre Gesundheit.