Vater von Mila (8) will das Medikament jetzt selbst bis zur Zulassung bringen

Seltene Krankheit: Eltern lassen unerforschten Wirkstoff an todkranker Tochter (8) testen - und der wirkt sogar!

Mila (8) leidet, seit sie 3 Jahre alt ist, an GM1 Gangliosidose 1 Typ 2, auch bekannt als Derry Syndrom.
Mila (8) leidet seit sie 3 Jahre alt ist an GM1 Gangliosidose 1 Typ 2, auch bekannt als Derry Syndrom.
Lothar Möller, "Milas Weg", Lothar Möller/"Milas Weg"

Ein Mädchen aus Mönchengladbach leidet an einer schweren, seltenen Krankheit. Die medizinische Prognose könnte nicht düsterer sein. Die Eltern finden sich damit nicht ab - sondern finden mithilfe von Freunden eine in der Forschung schon fast vergessene Wirksubstanz. Sie soll die Krankheit aufhalten - obwohl sie als Medikament nicht zugelassen ist. Ihr Vater sucht jetzt mit der Webseite „Milas Weg“ den Weg in die Öffentlichkeit, will Geld für die weitere Erforschung einsammeln - und damit vielen Kindern das Leben retten.

Mila verlor ihre Sprache und ihre Motorik

Die achtjährige Mila Kapturczak wurde 2014 als ganz normales Kind in Mönchengladbach geboren. „Mit drei Jahren konnte sie sprechen, schon ganze Sätze wie ‘Papa, ich liebe dich’ sagen, sie konnte laufen, alles ganz normal“, erzählt uns ihr Vater Lothar Möller, Geschäftsführer eines großen Dachdeckerbetriebs. „Aber dann verlor sie ihre Sprache und Motorik wieder, fing an, wieder in die Hose zu machen.“

Erst 2019 finden Ärzte der Düsseldorfer Uniklinik die Ursache dafür: GM1 Gangliosidose 1 Typ 2, auch bekannt als Derry-Syndrom. Eine sogenannte Speicherkrankheit, bei der es zu toxischen Ablagerungen in Zellen oder Organen kommt. Weltweit leiden 6.000 Kinder daran. Sie alle haben eine Lebenserwartung von nur maximal elf Jahren.

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Durch Recherche und Zufälle wird ein Wirkstoff gefunden

Vater Lothar Möller und Mutter Nicole Kapturczak sind verzweifelt – aber sie beschließen zu kämpfen. Lothar wendet sich an den Apotheker Oliver Dienst, wie er auf der Webseite „Milas Weg“ schreibt. Die beiden machen sich auf die Suche und recherchieren alles über die Erkrankung. Durch Zufall stoßen sie dabei auf den Biochemiker Dr. Axel Heinemann, der über seine Datenbank-Zugänge noch mehr in die Tiefe gehen kann. Sie finden heraus: In den 1980er-Jahren wurde in Japan an einer Substanz geforscht, die bei einer Erkrankung ähnlich der GM1 Gangliosidose eingesetzt wurde.

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Aloxistatin heißt die Substanz, wurde vom Schweizer Unternehmen Dorphan SA 2015 patentiert und bereits bei verschiedenen Speicherkrankheiten eingesetzt. Der erfolgversprechendste Einsatz erfolgte an einem ukrainischen Kind im Jahr 2018. Doch der Einsatz kam zu spät – das Kind verstarb trotzdem. Danach versandet die Forschung zum Einsatz der Substanz bei an GM1 Gangliosidose erkrankten Kindern.

Letzte Hoffnung Aloxistatin: Mila wird zur Testperson

Ein vielversprechender Wirkstoff war also gefunden - aber ein Wirkstoff macht noch kein Medikament. Viele Studien sind nötig, damit eine Zulassung erreicht werden kann. Und die brauchen Zeit - Zeit, die Mila nicht hat. Ihre Eltern beschließen, ihn zusammen mit der Uniklinik Gießen und der Kinderärztin Dr. Christina Lampe, einer Expertin für seltene Krankheiten, einzusetzen - mit Mila als Testperson. Zuerst wird ermittelt, in welcher Form die Verabreichung geschehen soll. Schließlich werden Kapseln hergestellt - 50 Gramm zum Preis von 100.000 Euro.

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Die Ergebnisse der Umfrage sind nicht repräsentativ.

Nach sechs Monaten Behandlung geht es Mila besser

Die Ärzte beginnen mit geringen Dosen, die sie langsam steigern. Und die Ergebnisse sind mehr als ermutigend: Nach sechs Monaten mit dieser „Behandlung“ ist Mila aufmerksamer, konzentrierter und wesentlich fitter. Sie lächele seitdem wieder von morgen bis abends, wie die Eltern auf ihrer Webseite berichten. Sogar zur Toilette kann sie wieder.

Befürchtete unbekannte Nebenwirkungen bleiben aus. „Der Wirkstoff kann die entstandenen Schäden nicht mehr beheben“, erzählt uns ihr Vater im Interview. „Aber es kann weitere stoppen.“ Bisherige Medikamente seien schon abgesetzt worden – damit entfallen auch deren Nebenwirkungen. Nur ein Mittel gegen Epilepsie muss sie noch nehmen.

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Milas Eltern, Lothar Möller und Nicole Kapturczak, wollten sich nicht mit dem Schicksal abfinden.
Milas Eltern, Lothar Möller und Nicole Kapturczak, wollten sich nicht mit dem Schicksal abfinden.
Lothar Möller/Nicole Kapturczak, "Milas Weg", Privat

„Milas Weg“ soll in die Phase II führen – und allen helfen

Und jetzt geht es nicht mehr nur um Mila – nach all den Meilensteinen, die ihr Vater mit seinen Mitstreitern nun schon erreicht hat, soll der Wirkstoff weiter erforscht werden. Damit er eine reguläre Zulassung als Medikament für alle bekommen kann. „Im Moment sind wir quasi in Phase I, wahrscheinlich bekommen wir eine Ausnahmegenehmigung der Europäische Arzneimittel-Agentur.“ Da der Wirkstoff bei Mila eben schon positive Wirkung zeige. Eigentlich notwendige Vorstudien entfallen dann.

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Die Hoffnung: Wenn sie es durch eigene Finanzierung die Phase II der Erprobung schaffen, interessieren sich endlich auch die Pharmakonzerne. „Denn die investieren nicht in der frühen Phase“, hat auch Möller lernen müssen. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg, der weitere Mittel vonnöten macht. „Ich habe am Anfang gedacht, ich schaffe das allein, ich kenne viele Unternehmer und viele vermögende Leute“, erzählt er uns. Aber er musste lernen: Die Spendenbereitschaft ist gering. Deswegen jetzt der Weg an die Öffentlichkeit.

Vater Lothar wird nicht aufgeben, bis das Ziel erreicht ist

Die Idee zur Webseite zu „Milas Weg“ hatte Möller Anfang Dezember – und jetzt ist sie bereits online. Fabio Borquez, bekannter Fotokünstler und Architekt, half ihm dabei. Möller selbst ist weiter in seinem großen Netzwerk unterwegs, um auch prominente Unterstützer zu suchen. „Horst Lichter hat mir versprochen: Ich spreche mal den Chef von Haribo an, die haben ja auch eine große Stiftung, und dann sehen wir mal, was wir machen können“, berichtet er. Eine Million Euro hat Lothar Möller bereits gesammelt. Und er wird nicht locker lassen, bis er das Ziel erreicht hat – so viel ist sicher.