Schüler erfinden Unterhose, die schrillen Ton erzeugt
Alarm-Slip soll Frauen vor Vergewaltigung schützen – Missbrauchsopfer ist skeptisch
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TV-Bericht über Vergewaltigung ließ Schüler nicht mehr los
Als Fynn (20) einen Fernsehbericht über eine Vergewaltigung sieht, fängt es in seinem Kopf an zu rattern. Monatelang tüftelt er gemeinsam mit seiner Mitschülerin Jana (18), wie man Frauen vor sexuellen Übergriffen schützen kann. Dann ist die Lösung gefunden: ein Slip mit eingebauter Alarmanlage. Kristin Auerswald (30), die Opfer einer Vergewaltigung wurde, ist von der Erfindung nicht restlos überzeugt. Im Video berichten Frauen, was sie vom Alarm-Slip halten.
Slip erzeugt Alarmton, sobald jemand daran reißt
"Wenn an der Unterhose gerissen wird, wird ein Dorn aus einem Kunststoffgehäuse gezogen und ein lauter und schriller Ton erzeugt", erklärt Fynn den Alarm-Slip. Krach machen soll er aber nur, wenn sich das Gummi des Bundes zu sehr weitet. Ein Fehlalarm sei deshalb ausgeschlossen, erklärt Jana: "Beim An- und Ausziehen ist die Spannung nicht groß genug, um den Alarm auszulösen. Man kann den Slip ganz normal über die Hüfte ziehen."
Jana Klein und Fynn Bukschat bei "Jugend gründet" erfolgreich
Mit ihrer Erfindung standen Jana Klein und Fynn Bukschat 2021 im Finale des Schülerwettbewerbs "Jugend gründet" und haben dort zwei Sonderpreise gewonnen. Die Schüler des Stuttgarter Albertus-Magnus-Gymnasiums hatten die Zeit des Corona-Lockdowns genutzt, um aus ihrer Idee ein funktionstüchtiges Produkt zu machen.
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Schüler wollen Erfindung weiterentwickeln und auf den Markt bringen
Fynn erinnert sich genau, was ihm seinerzeit beim Anblick der schlimmen TV-Bilder von der Vergewaltigung durch den Kopf ging. "Das hat mich so schockiert, weil es auch so nah war – es hat mich nicht mehr losgelassen", erzählt er. Dann hab ich gleich mit Jana geredet, weil es wichtig ist, die Meinung einer Frau darüber zu hören." Bis zum nächsten Jahr wollen Jana und Fynn die Alarm-Unterhose weiterentwickeln und dann auch verkaufen.
Kristin Auerswald wurde von ihrem Stiefvater vergewaltigt
Aber ist der Slip wirklich ein wirksames Mittel gegen sexuelle Übergriffe? "Er kann hilfreich sein, doch er schützt die Frau nicht vor der Gewalt", sagt Kristin Auerswald aus Freiberg (Sachsen) im RTL-Interview. Sie wurde von ihrem Stiefvater jahrelang missbraucht und vergewaltigt. Das Landgericht Zwickau verurteilte ihn im Oktober 2020 zu drei Jahren und neun Monaten Haft. Derzeit macht Kristin Auerswald eine Traumatherapie, um den Missbrauch zu verarbeiten.
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Alarmton des Slips klingt eher wie Marderschreck
"Ich finde es grandios, dass sich so junge Leute Gedanken machen und kreativ sind, das sollten wir fördern", erzählt die 30-Jährige. Aber für ganz ausgereift hält sie den Slip von Jana und Fynn noch nicht. Besser sei vermutlich etwas "mit einem besonderen Ton", das nicht an einen Marderschreck oder eine Auto-Alarmanlage erinnere. Denkbar sind für Kristin Auerswald zum Beispiel GPS-Armbänder oder-Uhren, über die man bei Gefahr per Knopfdruck die Polizei informieren kann. "Aber all das bewahrt uns nicht vor einer Vergewaltigung, das muss uns bewusst sein", sagt die 30-Jährige.
Video: Vergewaltiger abwehren - so können Sie in einer Notsituation reagieren
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Missbrauchsopfer will Alarm-Unterhose nicht tragen
Kristin Auerswald würde den Alarm-Slip nicht tragen. "Ich hab gelernt, auf mein Bauchgefühl zu hören", erklärt sie. "Letztlich ist das eine Notsituation. Da hilft ein Slip nicht, da hilft kein Armband, da hilft gar nichts." Man könne nur versuchen, wegzulaufen und auf sich aufmerksam zu machen. "Es ist eine Extremsituation. Wäre es das nicht, gäbe es nicht so viele Vergewaltigungen", glaubt die Sächsin.
Sie sieht auch die Gefahr, dass Vergewaltiger nicht nur abgeschreckt werden. "Es kann sein, dass der Täter noch aggressiver wird, wenn er diesen Ton hört", sagt Kristin Auerswald.
Keine Absolute Sicherheit vor Vergewaltigung
Den jungen Forschern macht die 30-Jährige Mut. "Sie sind sehr kreativ. Wenn sie weiterforschen und weitere Ideen sammeln, gibt's noch viele Möglichkeiten, glaubt sie. Denkbar seien zum Beispiel weitere Kleidungsstücke mit der entsprechenden Technik für den Notfall.
Absolute Sicherheit könne aber auch die beste Erfindung nicht bieten, betont Kristin Auerswald: "Am Ende wird auch das die Frau oder das Kind nicht vor der Gewalt schützen." (bst)