Plädoyer der Verteidigung von Dominique Pelicot„Ich bin die Anwältin des Teufels”

Nach der Anklage hat jetzt die Verteidigung das Wort.
In der Schlussphase des Prozesses um die massenhafte Vergewaltigung von Gisèle Pelicot sprach heute Béatrice Zavarro für den Hauptangeklagten Dominique Pelicot. Sie beginnt ihr Plädoyer mit einer Anspielung auf den „Teufel von Avignon“, wie der Hauptangeklagte und Ex-Mann des Opfers vielfach bezeichnet wird.
Anwältin zeichnet Bild einer traumatischen Jugend des Angeklagten
Das habe sie in der Presse gelesen und ihrem Mandanten deswegen oft gesagt: „Er und ich gegen den Rest der Welt.“ Ihr Mann hat ein monströses Verbrechen gestanden, begangen an seiner damaligen Frau. Er hat sie betäubt, vergewaltigt und massenhaft von anderen Männern vergewaltigen lassen. Daran besteht kein Zweifel.

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Zavarro betont, dass sie die Aufgabe seiner Verteidigung „voll und ganz“ angenommen habe. Zugleich betont sie, „enormen Respekt vor Madame Pelicot und ihrer Würde“ zu haben. Anschließend beschreibt sie dem Gericht die „chaotischen Familienverhältnisse“, in denen ihr Mandant groß geworden sei. Seine Kindheit und Jugend seien geprägt von einem tyrannischen Vater, vom Missbrauch seiner Adoptivschwester. Dominique habe sich Zeit seines Lebens für den Vater geschämt, diesem auf keinen Fall ähnlich sein wollen.
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„Er hat seine Frau und seine Kinder geliebt”
Als Beleg liest sie aus einem Brief ihres Mandanten an seine Mutter vor. Darin geht es ihr eigenes Leid, um das des Jungen und dem Missbrauch, dem er ausgesetzt gewesen sei. Ein weiteres traumatisches Ereignis sei für Dominique gewesen, im Alter von 14 oder 15 Jahren gezwungen worden zu sein, an einer Gruppenvergewaltigung teilzunehmen. Er erinnere sich bis heute an verstörende Details, derentwegen er sich nach der Tat habe übergeben müssen. Auf dieses Ereignis wird Zavarro später noch Bezug nehmen.

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Doch vorher spricht die Anwältin darüber, wie glücklich ihr Mandant anfangs mit Gisèle gewesen sei, mit den gemeinsamen Kindern. Sie zeichnet das Bild eines liebevollen und hilfsbereiten Vaters und Ehemannes, der seine Frau und seine Kinder geliebt habe. Er habe ihr gesagt, „Ich war nichts ohne sie und heute bin ich wieder nichts“, so Zavarro.
„Dominque Pelicot ist nicht pervers geboren worden“
Sie zitiert aus dem psychiatrischen Gutachten über ihren Mandanten. Der sei von einer „gewissen Perversion befallen“, aber laut Gutachter „nicht pervers geboren worden.“ Unter anderen Umständen wäre es nicht zur Eskalation gekommen, hätte es die Gruppenvergewaltigungen nicht gegeben, glaubt die Anwältin. Sie frage sich, „ob er nicht selbst sein schlimmster Feind ist.“
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Wie sein Opfer diese Aussagen wertet, was Gisèle denken mag? Sie beobachtet ihren ehemaligen Mann, der wie zusammengesunken wirkt, das Kinn auf die Brust gedrückt, seinen Gehstock umklammernd. Ihr Blick wirkt nachdenklich und traurig, sein Blick ist auf den Boden gerichtet, die Augen sind meist geschlossen.
„Er hat niemanden eingeschüchtert oder gezwungen“
Als es um seine Taten geht, erwähnt die Anwältin, wie er die anderen Vergewaltiger aufgefordert habe, sich die Hände zu wärmen, keine Gewalt – welch Widersinn bei einer Vergewaltigung! – anzuwenden. Zavarro behauptet, dass es ihm wichtig gewesen sei, Gisèle zu betäuben, „damit sie nicht die gleichen Schmerzen wie seine Mutter oder das Opfer der Baustellen-Gruppenvergewaltigung erleiden musste.“
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Pelicots Bild als großer Manipulator wies die Verteidigerin zurück. „Alle stehen unter seinem Einfluss?“, fragte sie mit Blick auf die 50 Mitangeklagten. „War Pelicot bedrohlich? Nein. Gewaltvoll? Nein. Beleidigend? Nein. War die Tür abgeschlossen? Nein.“ Sie verwies auf die Schuld der jeweiligen Mittäter, die gewusst hätten, was sie tun. „Natürlich war er etwas autoritär, aber er hat niemanden eingeschüchtert oder gar gezwungen“, sagt sie.
„Er wollte verhaftet werden, damit das aufhört”
Noch einmal verweist sie darauf, wie sehr Dominique selbst seine Taten bedauere. Er habe ihr geschrieben: „Ich bin traurig, was aus mir geworden ist. Wie mein Vater, meine Kinder werden niemals an mein Grab kommen.“ Sie bittet darum, ihrem Mandanten beim Urteil zugute zu halten, dass er bereits seit vier Jahren in Untersuchungshaft sitze, ohne jemals darum gebeten zu haben, entlassen zu werden. Das sei ungewöhnlich, findet sie. Die Juristin zieht Vergleiche zu prominenten Franzosen, die wegen Missbrauchstaten angeklagt, aber auf freiem Fuß seien.
Ihrer Darstellung nach habe Pelicot es förmlich darauf angelegt, verhaftet zu werden. Diese Verhaftung im September 2020 erfolgte, als er in einem Supermarkt Frauen unter dem Rock fotografierte. Dabei habe er sich absichtlich auffällig verhalten, legt seine Anwältin nahe. Er habe sich bei den Polizisten bedankt, dass sie ihm „diese Last abgenommen haben“, habe er gesagt. Es sei Zeit, „dass das aufhörte.“
Gedicht rührt Gisèle Pelicot offenbar
Zum Ende ihres Plädoyers wendet sich Béatrice Zavarro an die gesamte Familie, die beiden Söhne, an seine ehemalige Frau und an seine Tochter Caroline, die ebenfalls schwere Vorwürfe gegen ihren Vater erhoben hat. Es ist ein Gedicht, das der Angeklagte an seine Familie geschrieben hat. Die Anwältin spricht die beiden Frauen an und sagt: „Denken sie an den, der sie tief geliebt hat. Und nehmen sie sich derer an, die er geliebt hat.“ Gisèle Pelicot ist anzumerken, dass die Worte sie rühren.
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Nach dem Plädoyer für Dominique Pelicot folgen etwa zwei Wochen lang die Forderungen der Verteidiger der 50 weiteren Angeklagten. Dem seit heute 72-jährigen Pelicot drohen 20 Jahre Haft, die Höchststrafe bei schwerer Vergewaltigung. Sein Urteil will das Gericht kurz vor Weihnachten sprechen.






























































