Dominique Pelicots unfassbare Aussage vor Gericht

„Ich wusste nicht, dass es Vergewaltigungen in der Ehe gibt“

Gisèle Pelicot legt von Beginn an Wert darauf, kein anonymes Opfer sein zu wollen.
Gisèle Pelicot legt von Beginn an Wert darauf, kein anonymes Opfer sein zu wollen. „Das ist der Prozess der Feigheit“, sagt sie in ihrer letzten Aussage vor Beginn der Plädoyers.
dpa
von Sabrina Suberg und Patricia Kiel

Diese Aussage macht sprachlos!
Im Vergewaltigungsprozess von Avignon hat Gisèle Pelicot (72) am Dienstag (19. November) die Chance, das letzte Mal zu Wort zu kommen, ehe die Plädoyers verlesen werden. Sie bezeichnet das Verfahren als „Prozess der Feigheit“. Der Hauptangeklagte Dominique Pelicot (71) wirkt müde an diesem Tag, schockiert aber besonders mit einer seiner Aussagen.

Avignon: Dominque Pelicot hat als Erster das Wort

Als Letzter betritt Dominique den Gerichtssaal, doch spricht als Erster. Es scheint, als käme er nur mit Mühe und Hilfe eines Gehstocks auf seinen Stuhl. Nach einer Zeit stützt er die Ellbogen auf die Beine, vergräbt sein Gesicht in den Händen, als würde er schlafen. Wochenlang wurde in dem Mammutprozess um die vielfachen Vergewaltigungen in Südfrankreich verhandelt. Jetzt geht das Verfahren in eine neue Phase. Diese Woche sollen die Plädoyers beginnen. Für Gisèle bedeutet das, dass sie ein letztes Mal im Prozess sprechen wird.

Dominique Pélicot (72) lud Männer ein, um seine Frau Gisèle (72) zu vergewaltigen.
Dominique Pelicot lud Männer ein, um seine Frau Gisèle zu vergewaltigen.
Privat

Bevor der Ex-Ehemann Dominique von den Anwälten seiner Mitangeklagten und denen seiner Frau befragt wird, erhält er Gelegenheit für eine kurze Aussage. Zudem wird ein Protokoll einer seiner Vernehmungen durch die Polizei vorgelesen. „Es war mir ein Genuss, meine Frau an und auszuziehen. Sie in Posen zu legen, die sie nicht mochte“, heißt es darin. Er schildert auch, wie es ihm Freude bereitet hat, andere beim Sex mit seiner Frau zu beobachten.

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Unfassbar: Dass es sich dabei um Vergewaltigungen gehandelt hat, will ihm scheinbar gar nicht bewusst gewesen sein. „Ich wusste nicht, dass es Vergewaltigungen in der Ehe gibt. Für mich ist eine Vergewaltigung etwas, wo jemand einen anderen mit Gewalt nimmt“, gibt er damals gegenüber der Polizei an. „Es ist für mich sehr schwierig, wenn gesagt wird, dass es praktisch eine Banalität ist, Madame Pelicot vergewaltigt zu haben“, sagt Gisèle dagegen. Sie frage sich, wann die Angeklagten entschieden hätten, das Vorgehen nicht anzuzeigen. Die Gesellschaft sei patriarchal und müsse dies erkennen. „Wir banalisieren Vergewaltigungen“, kritisiert die 72-Jährige.

Im Video: Wer sind die Männer, die Gisèle Pelicot vergewaltigt haben?

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Ehemann drohen bis zu 20 Jahre Haft

In dem Verfahren stehen 51 Männer vor Gericht. Der Hauptangeklagte soll seine damalige Frau über fast zehn Jahre lang mit Medikamenten betäubt, missbraucht und von fremden Männern vergewaltigt lassen haben. Den Angeklagten drohen bis zu 20 Jahre Haft. Wegen der Vielzahl an Beschuldigten wird erwartet, dass sich die Plädoyers der Verteidigung über drei Wochen ziehen werden. Der Prozess, der seit September läuft, hat Frankreich stark erschüttert und die Debatte um die Strafgesetzgebung zu sexueller Gewalt neu angekurbelt. Ein Urteil dürfte das Gericht kurz vor Weihnachten sprechen.