Nach Unionsantrag mit AfD-Stimmen

Holocaust-Überlebender will sein Bundesverdienstkreuz zurückgeben

Albrecht Weinberg ist über die Abstimmung von CDU und FDP mit den Stimmen der AfD enttäuscht.
Albrecht Weinberg zieht aus der Abstimmung seine Konsequenzen.
Sina Schuldt/dpa

Dieser Antrag sorgt bei Albrecht Weinberg (99) für Entsetzen!
Nachdem die Union eine Abstimmung zur Verschärfung der Migrationspolitik mithilfe von Stimmen der AfD gewinnt, zieht der Holocaust-Überlebende seine Konsequenzen – und möchte so ein deutliches Zeichen setzen!

Albrecht Weinberg plant Rückgabe gemeinsam mit Fotograf Luigi Toscano

Weinberg überlebt während des Zweiten Weltkriegs drei Konzentrationslager, der Großteil seiner Familie wird von Nazis ermordet. Mittlerweile leistet er Aufklärungsarbeit in Schulen, erhält unter anderem dafür das Bundesverdienstkreuz. Die Ehrung möchte er nun aber zurückgeben. Sein Freund, der sich für das NS-Gedenken engagierende Fotograf Luigi Toscano, möchte es ihm gleichtun. 2021 erhält er von Frank-Walter Steinmeier eine Verdienstmedaille.

„Entweder empfängt uns der Bundespräsident oder wir werfen es bei ihm in den Briefkasten“, erzählt Toscano. Er sei erschüttert, empört und aufgewühlt über das, was am Mittwoch im Bundestag geschehen sei. „Ich bin um meine demokratischen Werte verraten worden“, sagt er der Deutschen Presse-Agentur. Zuvor berichteten mehrere Medien.

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Die Union brachte am Mittwoch ihren Fünf-Punkte-Plan für eine schärfere Migrationspolitik knapp mit Stimmen von AfD, FDP und Fraktionslosen durch den Bundestag. Erstmals beschaffte die AfD dabei im Plenum eine Mehrheit. Am Freitag stimmt das Parlament über einen Gesetzentwurf der Union zur Eindämmung der Migration ab. Neben der AfD signalisierten bereits FDP und BSW ihre Zustimmung.

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Albrecht Weinberg überlebte drei Konzentrationslager

Auch Weinberg ist schockiert über das Abstimmungsergebnis im Bundestag. Es sei eine spontane Entscheidung gewesen, das Bundesverdienstkreuz, das eine hohe Ehre für ihn sei, zurückzugeben. Er wolle das Gleiche tun wie sein Freund Toscano. „Es ist zu schwer geworden, es zu tragen, wenn man solche Nachrichten hat. Furchtbar”, erzählt der 99-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.

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Weinberg überlebte die drei Konzentrationslager Auschwitz, Mittelbau-Dora im Harz, Bergen-Belsen bei Celle und mehrere Todesmärsche. Seine jüdische Familie wurde von den Nazis fast vollständig ermordet. 2012 kehrte er zusammen mit seiner Schwester aus den USA zurück in seine ostfriesische Heimat. Seitdem geht er in Schulen und berichtet Schülerinnen und Schülern von seinen Erinnerungen.

Das will er auch weiter tun. „Ich gehe in den letzten zehn Jahren in Schulen und spreche zu Schülern, was sein kann und was würde sein, wenn die die Macht wieder übernehmen“, berichtet Weinberg mit Blick auf die AfD. „Die haben ja keine Ahnung, wie das ausgesehen hat ‘45 Deutschland.” Er hoffe, dass die Menschen zur Vernunft kommen. „Politik ist ein komisches Geschäft.“

„Gefahren sind verheerend“

Auch der Fotograf Luigi Toscano möchte sein Bundesverdienstkreuz zurückgeben. (Archivbild)
Der Fotograf Luigi Toscano möchte seine Verdienstmedaille zurückgeben. (Archivbild)
Imago

Toscano, Fotograf und Filmemacher, macht mit dem Erinnerungsprojekt „Gegen das Vergessen“ die Schicksale der Überlebenden öffentlich und verschafft den letzten Zeitzeugen der NS-Verbrechen Aufmerksamkeit.

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„Die Probleme, die wir haben mit der Migration, wir wissen, dass sie da sind, aber die dürfen wir nicht mit den Steigbügelhaltern der Rechten lösen“, setzt Toscano fort. Er erwarte von Demokraten eigentlich hundertprozentigen Einsatz für die Demokratie. Was gestern passiert sei, habe damit nichts mehr zu tun. „Die Symbolik und die Gefahren, die daraus resultieren, sind verheerend.“ (fkl, mit dpa)