Welche Ziele der russische Präsident im Ukraine-Konflikt verfolgt
Was will Putin eigentlich erreichen?
Der Ukraine-Konflikt: Es ist eine der größten Bedrohungen für den Frieden in Europa seit dem zweiten Weltkrieg. Seit nun schon Monaten verhandeln die USA, Russland, die Ukraine und die EU über eine friedliche Lösung – bisher erfolglos. Jetzt will es auch Bundeskanzler Olaf Scholz noch einmal persönlich versuchen. Am Montag sprach er mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyi, am Dienstag reist er weiter zu Gesprächen mit Wladimir Putin. Aber was treibt den russischen Präsidenten eigentlich an? Was erhofft er sich von seiner Ukraine-Politik?
Lese-Tipp: Alle Entwicklungen im Ukraine-Konflikt lesen Sie auch in unserem Live-Ticker.
Was will Putin überhaupt in der Ukraine?
Russlands Präsident Putin hatte in den vergangenen Wochen immer wieder betont, dass er sich dadurch bedroht fühle, dass die Ukraine in die EU und vor allem in das westliche Militärbündnis NATO aufgenommen werden könnte.
Der Grund dafür liegt in der Geschichte: Bis 1990 standen sich die NATO und der von Moskau geführte Warschauer Pakt im Kalten Krieg feindlich gegenüber. Als die Sowjetunion zerfiel, war auch der Warschauer Pakt am Ende. Die NATO aber blieb und nahm immer mehr ehemalige Warschauer-Pakt-Länder, wie zum Beispiel Estland, Lettland oder Rumänien auf, weil diese Angst hatten, dass Russland zurückkommen könnte.
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Putin sieht die Aufnahme dieser Länder allerdings als Bedrohung für sich, was angesichts der dort stationierten westlichen Soldaten und Waffensysteme auch nicht ganz unverständlich ist.
Das kauft ihm der Politikwissenschaftler Professor Thomas Jäger von der Universität Köln aber nicht ab: „Was wenig glaubwürdig ist, ist, dass sich Russland sicherheitspolitisch bedroht fühlt“, erklärte Jäger im RTL-Interview. Es sei hingegen offensichtlich, dass Russland die Dominanz über die ehemaligen Sowjet-Republiken und des Warschauer Pakts anstrebe.
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Platzeck: Putins Bedenken ernst nehmen
Laut Jäger will Putin aber noch mehr: „Das Ziel, das Russland anstrebt, hat Präsident Putin schon 2001 im Deutschen Bundestag genannt, nämlich Russland und Europa zu einem handlungsfähigen Akteur aufzubauen, der neben USA und jetzt China international bestehen kann.“
Heißt im Klartext: Putin will Russland zu alter Größe und alter Macht zurückführen, die das Land zuletzt zu Zeiten der Sowjetunion, also bis etwa 1991, hatte. Außerdem will er den weltweiten Einfluss Russlands – auch über die ehemalige Sowjetunion hinaus – wieder vergrößern.
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So argumentieren auch Teile der Bundeskanzler-Partei SPD. Man müsse die Sicherheitsbedenken Russlands ernst nehmen, fordert der ehemalige SPD-Vorsitzende Matthias Platzeck, der heute Vorsitzender des deutsch-russischen Forums ist. „Es geht darum Russland Stück für Stück als Partner zurückzugewinnen“, so Platzeck in der ARD.
Prof. Jäger: Putin will Sowjetunion zurück
Expertin: Putin will keinen Krieg
Ob Wladimir Putin diese Macht allerdings mit dem Militär erzwingen will, halten Experten für unwahrscheinlich. „Bisher war es auf der russischen Seite immer so, dass man versucht hat, mit minimalen militärischen Mitteln maximale politische Ziele zu erreichen. Das heißt man kann das Militär einsetzen, um die Verhandlungsposition zu untermauern“, sagt die Russland-Expertin Margarete Klein von der Stiftung Wissenschaft und Politik im RTL-Interview.
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Außerdem sind die Russen strikt gegen einen Krieg. Zwar sehe mehr als die Hälfte der Russinnen und Russen die Schuld an dem Konflikt bei den USA. „Aber es gibt wenig Unterstützung in der russischen Bevölkerung für einen Krieg in der Ukraine. Das ist die wirkliche Achillesferse der russischen Führung“, erklärt Klein.
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Wieso aber dann der Truppenaufmarsch?
Da stellt sich allerdings die Frage, wieso der russische Präsident mehr als 100.000 Soldaten an die Grenze zur Ukraine befohlen hat.
Russland-Experte Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik hat dazu eine klare Meinung. Es sei zwar unklar, ob Putin wirklich angreifen wolle. „Ich will das nicht so ganz von der Hand weisen“, sagte er im RTL-Interview. Putin habe immer wieder klar gemacht, wie er zur Ukraine stehe. „Da ist der Grundton, dass die Ukraine zu Russland gehört, dass die Ukraine niemals ein souveräner Nationalstaat gewesen sei (...) das sind alles Indizien für seine Weltsicht und dass er grundsätzlich der Ukraine gegenüber nicht unbedingt feindlich, aber gegnerisch eingestellt ist“, betont Kaim.
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All das sind aber nur Indizien, quasi Puzzleteile, die Experten und Politiker versuchen zusammenzusetzen. Was genau Wladimir Putin anstrebt, wissen nur engste Vertraute. Klar ist aber: Auch wenn Russland in die Ukraine einmarschieren sollte – die NATO wird zumindest militärisch nicht einschreiten. „Die wirklich harte Grenze ist für den Westen das NATO-Gebiet. Alles andere ist militärisch kein Punkt für die NATO“, erklärt der Militärexperte Thomas Wiegold im RTL-Interview.
Anders sieht es aus, wenn Russland die NATO-Mitgliedsstaaten Estland, Lettland oder Litauen angreifen würde. „Da hat die NATO eine Beistandsverpflichtung, eine Bündnisverpflichtung und hat da ja auch schon zusätzliche Truppen stationiert.“
Damit es zu all dem aber gar nicht erst kommt, versucht jetzt auch der deutsche Kanzler zu vermitteln. Der RTL-Russland-Experte Dirk Emmerich sagt dazu: „Ich glaube schon noch, dass ein Fünkchen Hoffnung da ist, dass es zu einer Deeskalation kommen kann, die so unglaublich notwendig wäre.“ (sst)
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