Psychotherapeutin schätzt die Gefahr einTränen bei „Paw Patrol" und „Bibi & Tina": Diese FSK-0-Filme können Kinder verstören

Zu brutal, zu verstörend? Im vergangenen Sommer flohen Eltern mit ihren weinenden Kindern aus dem Kinosaal bei „Bibi & Tina“, jetzt machen ähnliche Berichte zum neuen „Paw Patrol“-Streifen die Runde. Und das, obwohl die entsprechenen Filme eigentlich für Kids jeden Alters eingestuft sind und eine FSK-0-Freigabe besitzen.
Tatsächlich ist generell Vorsicht geboten: Es gibt Filme, bei denen Eltern trotz offizieller Freigabe wegen möglicherweise traumatisierender Szenen achtsam sein sollten. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin und Autorin („Mind is magic“*) Miriam Hoff erklärt, was Sie beachten sollten, wenn Ihr Kind während und nach einem Film verstört wirkt.
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Grausame Szenen in Filmen ohne Altersbeschränkung
Besonders die alten Filmklassiker haben es ganz schön in sich. So soll in „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ die Hauptprotagonistin von einem Jäger ermordet werden. Dieser bringt es nicht übers Herz und setzt das Mädchen aus, statt es zu töten. Dennoch schafft es die Stiefmutter von Schneewittchen, sie zu vergiften. Glücklicherweise endet die Geschichte dennoch mit einem Happy End.
Ein Disney-Klassiker, der vielen sicher durch seine große Traurigkeit im Gedächtnis geblieben ist, ist „Bambi“. Das kleine Rehkitz ist auf der verzweifelten Suche nach seiner Mutter, die bereits von einem Jäger getötet wurde. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Miriam Hoff hält es für bedenklich, den Film schon den Kleinsten zu zeigen, wie sie im RTL-Interview erzählt: „Ich denke schon, dass das zu grausame Bilder sind. Ich weiß nicht, warum man damals FSK 0 vergeben hat.“ Vor allem Kinder, die sensibel seien oder stark an der Mama hingen, könne der Film traumatisieren: „Wenn ein Kind dann so etwas sieht, werden Ängste getriggert und auf die Realität übertragen.“
Genauso verhält es sich beim „König der Löwen“, in dem Simbas Vater umgebracht wird und die Hyänen auch hinter dem jungen Löwen herjagen. Für Kinderseelen sehr belastende Szenen. Auch hier hält Hoff die Freigabe ab 0 Jahren bedenklich, da die Thematik die Kinder überfordern könne: „Wir wissen ja nicht, was beim Kind hängen bleibt. Ist es wirklich das gute Ende oder bleibt nur der traurige Moment hängen?“ Der neue „Der König der Löwen“, der die gleiche Story beinhaltet, ist daher ab sechs Jahren freigeben worden.
Nicht nur der Tod kann traumatisch auf die Kleinen wirken, sondern auch Quälerei. In „Toy Story“, wo es um die Abenteuer der lebendigen Spielzeuge von dem Jungen Andy geht, gibt es den bösen Nachbarsjungen Sid. Vor ihm fürchten sich alle Spielzeuge, denn er probiert an ihnen Foltermethoden aus. Grausam werden die Spielzeuge entstellt. Als Woody in seine Fänge gerät, wird es dramatisch.
Grausame Szenen über Entführungen, musste die „Däumeline“ im gleichnamigen Film erfahren. Sie wird von Tieren entführt und soll zwangsverheiratet werden. Von den Tieren wird sie zudem auch noch als hässlich verspottet, weil sie anders aussieht.
Diese kleine Auswahl an Filmen, die keine Altersbeschränkung haben, zeigt, dass Eltern darauf achten sollen, was ihre Kinder zu sehen bekommen.
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So erkennen Sie, ob Ihr Kind traumatisiert wurde
Zwischen dem dritten und sechsten Lebensjahr findet die kindliche Entwicklungsphase des „magischen Denkens“ statt. In dieser Zeit können die Kinder noch nicht zwischen Realität und Fiktion unterscheiden.
„Deswegen ist es umso kritischer, wenn die Kinder diese Filme sehen mit den sehr einprägsamen Bildern, weil ihnen nicht klar ist, dass es nur ein Film ist. Die Bilder bleiben im Kopf“, so Miriam Hoff.
Eltern können beim Fernsehschauen schon an einigen Warnsignalen erkennen, dass ihr Kind überfordert sein könnte:
das Kind hält sich die Augen und/oder Ohren zu
es sucht körperliche Nähe bei den Eltern
aufgerissene Augen
Zittern
Weinen
Weggucken
Wenn Sie diese Anzeichen bemerken, sollten Sie Ihr Kind ansprechen und ihm Geborgenheit und Sicherheit vermitteln: „Mit dem souveränen Verhalten kann ich meinem Kind zeigen, dass kein Grund zur Angst besteht.“
Zudem rät die Expertin, den Film nicht an schlimmen Szenen zu stoppen und das Kind mit den schlechten Bilder zurücklassen: „Wenn das Kind sich bereit zeigt, den Film gemeinsam zu Ende sehen, ist es sinnvoll, das Happy End am Schluss mitzubekommen.“ Zum Beispiel wie Simba am Ende selbst König wird. Ginge man in der schlimmsten Szene aus dem Film, blieben die schlimmsten Themen hängen. Jedoch sollte der Wunsch des Kindes immer respektiert werden.
Nach dem Film können laut der Expertin noch weitere Auffälligkeiten darauf hindeuten, dass das Kind sich immer noch mit verstörenden Szenen beschäftigt:
Albträume
es redet ständig von dem Film oder der Szene
Kinder übertragen die Handlung des Films auf Familie oder Tiere
verstörende Bilder werden gemalt
Entwicklungsschritt zurück (es nässt sich beispielsweise wieder ein; es wird anhänglicher; traut sich Dinge nicht mehr, die es vorher konnte)
Schlaf- und Essverhalten verändert sich
Bauchschmerzen
Kopfschmerzen
Dies sind laut der Psychotherapeutin alles Anzeichen, dass eine kindliche Psyche überfordert wurde. Eltern müssen ihren Kindern dabei helfen, das Gesehene aufzuarbeiten.
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Hilfe für traumatisierte Kinder: Ansprechen ist das Wichtigste
Eltern müssen ihren Kindern helfen, wenn diese durch einen Film überfordert wurden: „Wichtig ist, dass es angesprochen wird. Manche glauben, dass man es besser nicht anspricht, damit es nicht verstärkt wird. Das ist ein großer Fehler. Dann lässt man sein Kind mit den Ängsten und der Fantasie alleine und das ist fatal“, so Hoff.
Die Fantasie der Kinder sei groß und sie malen sich die schlimmsten Dinge aus. Eltern müssen da von außen helfen, diese Ängste zu regulieren. Die Kinder müssen die Chance erhalten, ihre Gefühle auszusprechen. Eltern können dann auf Geschichten verweisen, wo alles gut ausgegangen ist.
Ein weiterer Tipp der Expertin ist, dass verstörende Szenen im Nachgang mit Puppen nachgespielt werden können: „Einmal die Traurigkeit reinszenieren, aber auch das Kind fragen, wie es gut ausgehen könnte, welcher Helfer, welche Fee könnte kommen, die Mama von Bambi könnte auch wieder zum Leben erweckt werden, gemeinsam spielerisch oder zeichnerisch Lösungen erarbeiten.“ Dies würde dazu führen, dass das Kind wieder Urvertrauen und Kontrolle über die Situation gewänne.
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Wie wähle ich den richtigen Film für mein Kind aus?
Laut der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin sollen Eltern bei der Auswahl der Filme immer die Persönlichkeit des Kindes miteinbeziehen. Dazu gehöre der Entwicklungsstand des Kindes, die soziale und emotionale Entwicklung. Zudem sollten Eltern immer darauf achten, was das Kind schon erlebt hat. Sensible Kinder oder traumatisierte Kinder mit Verlusterfahrungen gehen eventuell anders mit verstörenden Szenen um als Kinder, die nicht diesen Background haben.
Wenn bei einem Kind gerade die Großeltern verstorben sind, sollten Eltern darauf achten, dass die Kinder keine Filme wie Bambi sehen sollten, wo auch Familienmitglieder sterben.
Eltern sollten immer im Hinterkopf haben, dass die FSK „nicht auf den individuellen Verarbeitungsmechanismus des Kindes eingehen kann“, so Hoff.
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Was bedeutet eigentlich FSK 0?
FSK 0 bedeutet, dass ein Film ohne Altersbeschränkung freigegeben ist. Die FSK-Stelle beschreibt die Kriterien für diese Kategorie wie folgt:
„Kleinkinder erleben filmische Darstellungen unmittelbar und spontan. Ihre Wahrnehmung ist vorwiegend episodisch ausgerichtet, kognitive und strukturierende Fähigkeiten sind noch kaum ausgebildet. Schon dunkle Szenarien, schnelle Schnittfolgen oder eine laute und bedrohliche Geräuschkulisse können Ängste mobilisieren oder zu Irritationen führen. Kinder bis zum Alter von sechs Jahren identifizieren sich vollständig mit der Spielhandlung und den Filmfiguren. Vor allem bei Bedrohungssituationen findet eine direkte Übertragung statt. Gewaltaktionen, aber auch Verfolgungen oder Beziehungskonflikte lösen Ängste aus, die nicht selbständig und alleine abgebaut werden können. Eine schnelle und positive Auflösung problematischer Situationen ist daher sehr wichtig.“
Dennoch betont Rechtsanwältin Nicole Mutschke, dass es sich bei der sogenannten FSK um die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft handele: „Wie die FSK selbst betont, sind die Altersfreigaben ‘keine pädagogischen oder ästhetischen Empfehlungen für eine bestimmte Altersstufe’. Die Altersfreigabe soll für Eltern also eine erste Orientierung bieten, aber auch nicht mehr.“
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