"Wahrscheinlichkeit erwischt zu werden immer höher"

Kinderporno-Razzien in Berlin und BaWü: Hier jagt die Polizei die Verdächtigen

19.05.2021, Berlin: Eine Beamtin der Polizei sitzt in der Dienststelle des Landeskriminalamtes (LKA) in der Keithstraße. Mit einer großen Razzia ist die Berliner Polizei gegen Konsumenten und Verbreiter von Kinderpornografie vorgegangen. Seit dem frühen Mittwochmorgen durchsuchten Fahnder des Landeskriminalamtes (LKA) mehr als 40 Wohnungen und andere Räume, wie die Polizei mitteilte. Es gehe um den Verdacht der Verwendung und Verbreitung kinderpornografischer Abbildungen, also Abbildungen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs. Foto: Paul Zinken/dpa-Zentralbild/dpa - ACHTUNG: Karte wurde aus rechtlichen Gründen gepixelt +++ dpa-Bildfunk +++
Großrazzia gegen Kinderpornografie in Berlin
pdz axs, dpa, Paul Zinken

Die meisten Hinweise kommen aus den USA, die Täter sitzen aber auch in Deutschland und geraten immer mehr ins Visier der Polizei: In Berlin und Baden-Württemberg sind die Ermittler mit Razzien gegen Konsumenten und Verbreiter von Kinderpornografie vorgegangen.

Razzia gegen Kinderpornografie in Berlin: 42 verdächtige Männer

19.05.2021, Berlin: Norma Schürmann, Kriminaldirektorin und Dezernatsleiterin "Sexualdelikte beim LKA" steht bei einem Pressegespräch in einem Flur der Dienststelle des Landeskriminalamtes (LKA) in der Keithstraße. Mit einer großen Razzia ist die Berliner Polizei gegen Konsumenten und Verbreiter von Kinderpornografie vorgegangen. Seit dem frühen Mittwochmorgen durchsuchten Fahnder des Landeskriminalamtes (LKA) mehr als 40 Wohnungen und andere Räume, wie die Polizei mitteilte. Es gehe um den Verdacht der Verwendung und Verbreitung kinderpornografischer Abbildungen, also Abbildungen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs. Foto: Paul Zinken/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Norma Schürmann, Kriminaldirektorin und Dezernatsleiterin "Sexualdelikte beim LKA" steht bei einem Pressegespräch in einem Flur der Dienststelle des Landeskriminalamtes (LKA) in der Keithstraße.
pdz axs, dpa, Paul Zinken

Seit dem frühen Mittwochmorgen durchsuchten insgesamt 250 Einsatzkräfte mehr als 40 Wohnungen und andere Räume in Berlin, wie die Polizei mitteilte. Es gehe um den Verdacht der Verwendung und Verbreitung kinderpornografischer Abbildungen, also Abbildungen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs.

42 Verdächtige seien im Visier der Ermittler, allesamt Männer, sagte Norma Schürmann, zuständige Dezernatsleiterin im Landeskriminalamt (LKA). Sie seien zwischen 17 und 84 Jahre alt. Zwei Drittel der Verdächtigen sollen polizeibekannt sein, die Hälfte fiel bereits mit Sexualdelikten auf. Es gehe bei den Durchsuchungen nicht um zusammenhängende Fälle, sondern um lauter Einzelermittlungen, so Schürmann. Ziel sei das Beschlagnahmen von Computern, Handys und anderen Datenträgern. Festnahmen gab es nicht. Um 13.00 Uhr sollte eine erste Bilanz vorgestellt werden.

Baden-Württemberg: Kinderporno-Ermittlungen gegen 53 Personen

Auch in Baden-Württemberg haben 130 Polizei bei insgesamt 48 Hausdurchsuchungen am Dienstag Hunderte Beweismittel beschlagnahmt – darunter Smartphones, Tablets, Computer und andere Datenträger. In Freiburg und im Landkreis Lörrach lag der Schwerpunkt der Razzien, darüber hinaus gab es Durchsuchungen in den Landkreisen Waldshut, Emmendingen und Breisgau-Hochschwarzwald.

53 Personen im Alter zwischen 14 und 84 Jahren stehen im Verdacht, kinderpornografische Schriften besessen und verbreitet zu haben. Auch hier gibt es zwischen den Verdächtigen nach derzeitigem Stand keinen Zusammenhang. Die Ermittlungen waren durch Hinweise von US-Behörden ins Rollen gekommen.

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So läuft eine Razzia ab

BKA erhält zehntausende Hinweise jährlich aus den USA

„Die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, wird für die Täter beim Thema Kinderpornografie immer höher“, sagte Schürmann vom LKA. In den USA würden die Netzbetreiber mit Algorithmen den Datenverkehr durchforsten und Verdachtsfälle und deren IP-Adressen dem „National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC)“ melden. Die IP-Adressen werden dann in andere Staaten weitergeleitet.

„Das Gros der Verdachtsfälle in Deutschland wird von NCMEC gemeldet. Es gibt inzwischen wahnsinnig viel Verfahren“, sagte Schürmann. Zehntausende Hinweise erhalte das Bundeskriminalamt (BKA) jährlich und leite sie weiter an die Landeskriminalämter. Durch Gesetzesänderungen seien auch die deutschen Betreiber künftig zu derartigem automatisierten Scannen des Datenverkehrs verpflichtet.

Beim Berliner LKA habe man wegen der zunehmenden Fallzahlen die zuständigen Dezernate ausgebaut und personell verstärkt, sagte Schürmann. Weitere einzelne Durchsuchungen und auch Razzien seien immer wieder zu erwarten. Allein im vergangenen Jahr habe es in Berlin 300 ähnliche Durchsuchungen gegeben. „Die ermittelnden Kripo-Beamten arbeiteten alle freiwillig im Bereich Sexualdelikte. Die Auswertung von so vielen beschlagnahmten Computern und Handys könne dann bis zu einem Jahr dauern, zahllose Bilder und Filme müssten gesichtet, für Staatsanwaltschaften und Gerichte ausgewertet und beschrieben werden.“

Diskrete Ermittlungen, um Unschuldige nicht an den Pranger zu stellen

LKA-Dezernatsleiterin Judith Dobbrow erklärte, die Täter würden Bilder und Filme weltweit austauschen. Privaten Kontakt zu den Opfern gebe es oft nicht. Verwandte würden Fotos von Kindern machen und im Internet anbieten. Viele Täter würden sich sicher fühlen, gerade im sogenannten Darknet, in dem man sich abgeschottet und anonym bewegen könne. Dazu komme das Problem, dass Jugendliche und Kinder unbedarft eigene und fremde Bilder in Chatgruppen tauschen würden, sagte Dobbrow. „Sie haben kein Bewusstsein, dass ein Missbrauch da hinterstehen kann.“ Sie könne nur alle Eltern und Kinder auffordern, sehr vorsichtig mit eigenen Bildern zu sein.

Bei den Durchsuchungen in dem Bereich gehe die Polizei unauffällig und ohne uniformierte Kräfte vor, sagte Schürmann. „Es geht nicht darum, die Verdächtigen an den Pranger zu stellen, denn es können ja auch entlastende Beweise gefunden werden.“

Im Video: Deutscher "Boystown"-Verdächtiger in Paraguay festgenommen

Erst Anfang Mai hatte die bayerische Polizei bei einer Kinderpornografie-Razzia 49 Objekte durchsucht, gegen 51 Verdächtige wurde ermittelt. Die Täter kommen aus „allen Altersgruppen, allen Berufsgruppen, allen sozialen Schichten und allen Regionen“, hieß es dort.

Kurz zuvor hatte das BKA mitgeteilt, dass eine der weltweit größten Kinderpornografie-Plattformen mit Namen „Boystown“ im Internet zerschlagen wurde. Mehrere Männer wurden als mutmaßliche Betreiber in Deutschland festgenommen. Die Darknet-“Tauschbörse“ soll mehr als 400.000 Mitglieder in vielen Ländern gehabt haben. Unter den geteilten Bild- und Videoaufnahmen hätten sich auch Aufnahmen von schwerstem sexuellen Missbrauch von Kleinkindern befunden.

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Wie können wir unsere Kinder vor den Gefahren im Netz schützen?

Laut dem erfahrenen Cyber-Kriminologen Thomas-Gabriel Rüdiger ist anzunehmen, dass jedes Kind im Netz mindestens einmal mit einem Täter in Kontakt gerät. Was wir tun können, um Kinder vor derartigen sexualisierten Angriffen zu schützen, worin er eine Chance für Ermittler sieht und welche Websites und Apps neben "Knuddels" noch als sogenannte Anbahnungsplattformen für sexuellen Missbrauch gelten, erklärt er hier.

Wie man als Bekannter, Nachbar oder Erzieher erkennt, dass ein Kind in Not ist und womöglich Hilfe braucht und welche Warnsignale es gibt, erfahren Sie hier. Eine Checkliste hat zudem das "Projekt Kinderaugen" veröffentlicht. Beratungsstellen und das Jugendamt helfen, einen Anfangsverdacht einzuordnen.

Wichtige Telefonnummern:

Hilfetelefon Sexueller Missbrauch: 0800-2255530

Elterntelefon "Nummer gegen Kummer": 0800-1110550

Kinder- und Jugendtelefon "Nummer gegen Kummer": 116 111