Anwalt erklärt Entscheidung im Mordfall Zoe (†17)Zoes Killer kommt frei, weil das Gericht zu langsam war
Es ist eines jener Urteile, die Laien unverständlich erscheinen und das Vertrauen in unseren Rechtsstaat erschüttern: Ein Mann vergewaltigt und tötet eine Frau auf brutale Weise und wird verurteilt. Trotzdem kommt er jetzt frei, nur wenige Monate nach dem Urteil. Wie kann das sein? Weil das Gericht zu langsam war! Rechtsanwalt Arndt Kempgens erklärt, warum das Oberlandesgericht Zweibrücken dem Antrag des mutmaßlichen Mörders auf Freilassung stattgegeben hat.
„Solange jemand nicht rechtskräftig verurteilt ist, gilt die Unschuldsvermutung“

Rückblende: Der Fall Zoe
Im März 2020 wird Zoe in Ludwigshafen Opfer des entsetzlichen Verbrechens. Der mutmaßliche Täter wird gefasst, er ist kein Unbekannter. Lukas V. soll schon zuvor zwei minderjährige Mädchen (14) missbraucht haben.
Am 3. August 2022 verurteilt das Landgericht Frankenthal den 19-Jährigen wegen Mordes und Vergewaltigung der 17-jährigen Zoe sowie sexuellen Missbrauchs von Kindern zehn Jahren Haft. Eine höhere Strafe war nicht möglich, weil er zum Zeitpunkt der Taten noch minderjährig war.
Sowohl Angeklagter als auch Staatsanwaltschaft legen Revision gegen das Urteil ein. Der Angeklagte fordert eine mildere Strafe, die Staatsanwaltschaft fordert Sicherungsverwahrung nach der Haft, weil von Lukas V. weiter Gefahr ausgehe. Wegen der Revision ist das Urteil nicht rechtskräftig.
„Solange jemand nicht rechtskräftig verurteilt ist, gilt die Unschuldsvermutung“, erklärt Anwalt Kempgens. „Deswegen hat der Angeklagte – auch wenn er schuldig zu sein scheint – einen Anspruch darauf, dass er bis zur Rechtskraft des Urteils auf freien Fuß gesetzt wird.“
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Kempgens sagt: „Im Grunde genommen ist hier nicht die Revision das Problem, sondern die erste Verhandlungsschleife vor dem Landgericht.“ Es habe fast zweieinhalb Jahre von der Anklage bis zum Urteil gedauert. „Das Oberlandesgericht sagt, die Verhandlung in erster Instanz hat sechs Monate länger gedauert, als sie hätte dauern müssen und dürfen.“ Deswegen wird V. freigelassen, bis das Revisionsverfahren abgeschlossen und rechtskräftig ist.
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"Verständlich, dass das zu Wut, Trauer und Verzweiflung führt“
Solange wird der mutmaßliche Mörder auf freiem Fuß bleiben. „Das Verfahren hätte beschleunigt werden müssen, das ist versäumt worden“, bilanziert der Anwalt aus Gelsenkirchen. „Vollkommen verständlich, dass das geradezu haarsträubend wirkt und zu Wut, Trauer und Verzweiflung führt“, so der Jurist.
Das bestätigt Zoes Schwester Vivien: „Wir sind einfach nur fassungslos. Junge Mädchen müssen vor dem Typ geschützt werden. Er ist ein verurteilter Mörder, so jemand hat draußen nicht frei rumzulaufen.“ Sie findet: „Die Gefahr ist viel zu hoch, dass er das wieder macht."