Sondierungsgespräche – und die Ergebnisse?

Bürgergeld, Rente, Migration: So wollen Union und SPD regieren

Der erste Schritt ist gemacht!
CDU, CSU und SPD haben für eine schwarz-rote Koalition „in einer ganzen Reihe von Sachfragen Einigkeit erzielt“, sagt Unions-Fraktionschef Friedrich Merz. Dabei geht es vor allem um Bürgergeld, Rente und Migration. Ein Überblick mit den Ergebnissen des Sondierungspapiers.

Sondierungspapier – „erster wichtiger Schritt“ für schwarz-rote Koalition

Vor rund zwei Wochen wurde gewählt, tagelang wurde nun zwischen der CDU und CSU als Wahlgewinner und der SPD sondiert. Mit einem ersten Erfolg. Wie CDU-Chef Friedrich Merz und der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil am Samstagnachmittag mitteilten, einigten sich Union und SPD auf ein elfseitiges Sondierungspapier.

Man habe für eine schwarz-rote Koalition „in einer ganzen Reihe von Sachfragen Einigkeit erzielt“, sagte Unions-Fraktionschef Friedrich Merz. Darunter fallen Vereinbarungen zu den Bereichen Finanzen, Wirtschaft, Arbeit und Soziales und Migration. SPD-Chef Lars Klingbeil sprach von einem „ersten wichtigen Schritt“. Beide Seiten hätten sich vorgenommen, „unser Land auf Vordermann zu bringen“.

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Sondierungsgespräche zu Bürgergeld, Rente, Migration: Auf diese Ergebnisse einigten sich CDU, CSU und SPD

Das elfseitige Sondierungspapier enthält insbesondere Vereinbarungen zu den Bereichen Finanzen, Wirtschaft, Arbeit und Soziales und Migration:

  • Staatsangehörigkeitsrecht: Das von der Ampel-Koalition reformierte Staatsangehörigkeitsrecht soll weiter Bestand haben. Die verkürzten Wartefristen für eine Einbürgerung und der Doppelpass für Nicht-EU-Bürger sollen bleiben.

  • Zurückweisungen: An den Landgrenzen sollen künftig auch Menschen zurückgewiesen werden, die ein Asylgesuch stellen – allerdings nur in Abstimmung mit den Nachbarstaaten. Möglich sind Zurückweisungen grundsätzlich nur da, wo es stationäre Grenzkontrollen gibt. Die hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zwar in den vergangenen Jahren sukzessive für alle deutschen Landgrenzen angeordnet – wer einen Asylantrag stellen will, darf aber in der Regel einreisen.

  • Steuerreform: Die „breite Mittelschicht“ soll laut Sondierungspapier entlastet werden. Geplant ist eine Reform der Einkommensteuer. Außerdem soll die Pendlerpauschale in der Steuererklärung erhöht werden.

  • Bürgergeld: Das Bürgergeldsystem soll überarbeitet werden. „Wir werden das bisherige Bürgergeldsystem neu gestalten, hin zu einer Grundsicherung für Arbeitssuchende“, sagte Merz. „Für Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern, wird ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen.“

  • Rente: Wer in der Rente noch freiwillig weiterarbeitet, soll bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei dazuverdienen können. Die sogenannte Mütterrente soll ausgeweitet werden: Auch für vor 1992 geborene Kinder sollen drei statt wie bisher maximal zweieinhalb Erziehungsjahre bei der Rente angerechnet werden.

  • Gastronomie: Die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie soll dauerhaft auf 7 Prozent sinken. Die Mehrwertsteuer in der Gastronomie war bereits in der Corona-Zeit von 19 auf 7 Prozent gesenkt worden, allerdings nur vorübergehend.

  • Stromsteuer: Zur Entlastung von Unternehmen und privaten Haushalten soll die Stromsteuer auf den in der EU erlaubten Mindestwert sinken. Das soll zu Entlastungen um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde führen. Union und SPD wollen daneben die Übertragungsnetzentgelte halbieren, ein Bestandteil des Strompreises.

  • E-Autos: Um die schleppende Nachfrage nach Elektroautos wieder stärker anzukurbeln, planen Union und SPD wieder „einen Kaufanreiz“. Eine bestehende Kaufprämie war Ende 2023 wegen Haushaltsnöten von der Ampel-Koalition abrupt gestoppt worden, danach sackte die Nachfrage spürbar ab.

  • Landwirtschaft: Das von der Ampel-Koalition beschlossene Aus für Agrardiesel-Vergünstigungen für Bauern soll gekippt werden.

  • Nahverkehr: Das beliebte Deutschlandticket für Busse und Bahnen kommt in den Koalitionsverhandlungen auf den Tisch - über „die Fortsetzung“ über das Jahresende hinaus soll beraten werden.

  • Pflege: Angesichts immer weiter steigender Milliardenkosten wollen Union und SPD „eine große Pflegereform” auf den Weg bringen.

Bei Migration übernahmen die möglichen Koalitionspartner weitgehenden Positionen der Union. Die Zurückweisung auch von Asylsuchenden an den Grenzen solle „in Abstimmung mit den europäischen Nachbarn“ erfolgen, sagte Merz. Dazu sollten durch eine neue Regierung die Grenzkontrollen sofort verstärkt werden.

Auch der Familiennachzug für sogenannte subsidär Schutzberechtigte soll ausgesetzt werden. Das sind Menschen, die kein Asyl erhalten haben, aber aus anderen Gründen vorerst in Deutschland bleiben dürfen. Die SPD konnte laut Klingbeil ihrerseits durchsetzen, dass es bei der während der Ampel-Koalition erfolgten Reform des Staatsangehörigkeitsrechts mit kürzeren Einbürgerungsfristen bleibt.

Im Wirtschaftsbereich zielen beide Seiten auf eine Senkung der Energiepreise, insbesondere die Industrie auf fünf Cent je Kilowattstunden. Merz sagte, vereinbart worden sei auch, möglichst den ersten Kernfusionsreaktor der Welt in Deutschland zu bauen.

Das bisherige Bürgergeld soll laut Merz wie von der Union zu einer neuen Grundsicherung werden. Leistungsbezieher, die jegliche Arbeitsaufnahme verweigern, sollten künftig alle Leistungen vollständig entzogen werden, sagte der CDU-Chef. Zugeständnisse der Union an die SPD gab es insbesondere bei der Stabilisierung der Renten und bei der Verlängerung der Mietpreisbremse.

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Video-Tipp: Union und SPD wollen Koalitionsverhandlungen aufnehmen

Erfolgreiche Sondierung nach Bundestagswahl – aber wie geht es jetzt weiter?

Eine neue Regierung haben wir damit allerdings noch nicht. Die Sondierungen zwischen Union und SPD hatten vor rund einer Woche begonnen. Ziel ist es dabei, bei den wichtigsten Themen und vor allem bei Themen mit Konfliktpotenzial zu einer Grundsatzeinigung zu kommen. Das Ergebnis soll dann als Grundlage für die weiteren Gespräche gelten.

Wenn die Parteigremien dem Papier zustimmen, kann die Arbeit am eigentlichen Koalitionsvertrag beginnen. Das dürfte aber schnell gehen und gilt als Formsache. Daraufhin folgen dann die sogenannten Koalitionsverhandlungen. Dabei klären die Parteien, welche Projekte sie in der Legislaturperiode zusammen anpacken wollen – und auch, welche Partei welches Ministerium besetzt. Beziehungsweise, welche Ministerien es geben soll. Hier sollen dann auch die Detailfragen geklärt werden.

Der voraussichtlich künftige Kanzler Friedrich Merz hat das Ziel ausgegeben, bis Ostern mit den Verhandlungen durch zu sein. Erst wenn ein Koalitionsvertrag steht und von den Parteien beschlossen ist, steht auch die Regierung.

Die Union hatte die Bundestagswahl am 23. Februar mit 28,5 Prozent deutlich gewonnen. Die SPD landete mit 16,4 Prozent hinter der AfD (20,8 Prozent). Eine Alternative zur schwarz-roten Koalition gibt es nicht, weil Schwarz-Grün keine Mehrheit hat und eine Zusammenarbeit mit der AfD von der Union klar ausgeschlossen wird. (jow/dpa)