Sollten auch deutsche Schulen auf tierische Lehrer setzen?

Tierschutz als Schulfach? In Rumänien gibt’s jetzt Hühner im Klassenzimmer

von Konrad Rampelt

Hühner statt Hausaufgaben, Enten statt Ermahnungen.
Klingt verrückt, aber genau das passiert gerade in Rumänien. Ein Pilotprojekt stellt Schülern lebende Tiere wie Hühner, Enten, Hunde zur Seite, um Mitgefühl und Achtsamkeit zu fördern. Die Idee: Kinder, die den respektvollen Umgang mit Tieren lernen, entwickeln auch mehr Empathie für Menschen. Auch Tierschutzorganisationen wie Peta beobachten das Modell mit großem Interesse – sehen aber nicht nur Vorteile.

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Wenn Rodica, das Huhn, durchs Klassenzimmer läuft

Rodica, das Huhn, im Unterricht: In Rumänien lernen Kinder, durch Tiere mehr Empathie zu entwickeln
Rodica, das Huhn, im Unterricht: In Rumänien lernen Kinder, durch Tiere mehr Empathie zu entwickeln.
Reuters

Im rumänischen Dorf Șindrilița (Kreis Ilfov, nahe Bukarest) staunen die Schüler nicht schlecht, als plötzlich eine Ente namens Bubbles und ein Huhn namens Rodica den Unterricht übernehmen. Ihre bloße Anwesenheit soll helfen, Gewalt und Mobbing an Schulen zu reduzieren.

„Es ist wichtig, das Einfühlungsvermögen der Kinder zu fördern. Wir hoffen, dass sie durch die Tiere auch mehr Empathie für Menschen entwickeln. Denn Mobbing in Schulen hat ein ziemlich großes Ausmaß erreicht“, sagt Raluca Baleanu, Tierschützerin und Beraterin des Kreisrats Ilfov, im ntv Auslandsreport.

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Tierische Empathietrainer gegen Gewalt und Ausgrenzung

Hühner statt Hausaufgaben: Rumänische Schüler lernen durch Tiere Empathie und Verantwortung.
Hühner statt Hausaufgaben: Rumänische Schüler lernen durch Tiere Empathie und Verantwortung.
Reuters

Hintergrund: In Rumänien ist Mobbing an Schulen ein wachsendes Problem. Mit dem neuen Schulfach „Tierbewusstsein”, das aktuell an 20 Schulen im Kreis getestet wird, soll Kindern ein respektvoller Umgang mit anderen Lebewesen nähergebracht werden – egal ob mit Fell, Federn oder Haut. Projektleiterin Oana Vasiliu, Gründerin einer Wildtierauffangstation, brachte dafür ihre geretteten Tiere in die Schule. „Wenn man ihnen Bilder zeigt oder sie im Fernsehen etwas über Tierrechte sehen, berührt sie das oft nicht. Aber bei einer direkten Interaktion mit den Tieren bleibt noch eine emotionale Komponente”, so die Tierärztin.

Kinder begegnen bei dem Projekt auch Tieren mit Behinderung. „Das könnte Kindern beibringen, dass sie andere lieben müssen, unabhängig von Unterschieden. Wir nehmen auch Katzen, denen ein Auge fehlt oder Hunde, die bei einem Unfall ein Bein verloren haben, mit in den Unterricht“, erklärt Baleanu. „Den Kindern wird beigebracht, das Tier so zu akzeptieren, wie es ist.“

Ana-Maria Neagu (11) liebt den Unterricht mit Rodia, dem Huhn.
Ana-Maria Neagu (11) liebt den Unterricht mit Rodica, dem Huhn.
Reuters

Und die Kinder? Ihre Reaktion ist eindeutig: „Ich mag es, sie zu füttern, ihnen Schutz und Zuneigung zu geben“, sagt die elfjährige Ana-Maria. Und Yasmina Dinu (11) ergänzt: „Wenn Hühner misshandelt werden, gefällt mir das gar nicht. Manche Tiere werden von Menschen verletzt. Sie bekommen keine Zuneigung.“

Yasmina Dinu (11) wünscht sich mehr Schutz und Respekt für alle Lebewesen.
Yasmina Dinu (11) wünscht sich mehr Schutz und Respekt für alle Lebewesen.
Reuters

Peta lobt das Projekt: Tierschutzunterricht ja – aber bitte tierschutzgerecht

Auch die Tierschutzorganisation Peta verfolgt das Projekt mit Wohlwollen, warnt aber vor falscher Umsetzung. „Jedes Projekt, das das Wissen über Tiere und die Empathie für alle Lebewesen stärkt, ist wichtig“, erklärt Mareike Homann von Peta im Gespräch mit RTL.

Peta unterstützt bereits mit der rumänischen Organisation Eduxanima seit Jahren Tierschutzunterricht in Rumänien, allerdings ohne lebende Tiere im Klassenzimmer. Mehr als 4.000 Kinder werden durch das Projekt jährlich erreicht. Besonders positiv sieht Peta, dass das neue Modell von der Regierung finanziert wird: „Das Bewusstsein für einen gerechten Umgang mit Tieren wird also auf Regierungsebene ernst genommen und dient als Vorbild für andere Regionen in Rumänien.“

Gleichzeitig warnt Peta davor, Tiere als reine „pädagogische Mittel“ einzusetzen. Homann betont: „Kinder lieben Tiere und die Intention, ihnen Tierbegegnungen zu ermöglichen, um ihr Mitgefühl zu stärken, ist gut gemeint, aber verfehlt in unseren Augen das eigentliche Ziel.”

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Bessere Lernergebnisse und mehr Engagement

Aber: Rumänien investiert viel weniger in Bildung als wohlhabendere europäische Staaten und hat die höchste Schulabbrecherquote in der EU. Gerade auf dem Land sind innovative Konzepte gefragt, um Kinder für den Unterricht zu begeistern.

Und: Nach nur acht Wochen zeigen sich bereits erste positive Effekte. „Die Kinder arbeiten konzentrierter, sind sozialer und haben eine neue Motivation gefunden”, sagt Geschichtslehrer Sorin Sirbeanu laut eines Reuters-Berichts.

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Doch statt Tiere ins Klassenzimmer zu bringen, schlägt Peta vor:

  • Besuche auf Lebenshöfen

  • Naturpädagogische Ausflüge

  • Interaktive Bildungsformate

Trotz eines ganz anderen Bildungsniveaus gibt es laut Peta auch in Deutschland großen Nachholbedarf. „Tierrechtserziehung hat einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert, kommt aber im Familienkreis und in Schulen oft zu kurz.“ Die Initiative PetaKids bietet bereits Tierschutzunterricht, Workshops und Bildungsmaterialien an. Doch um wirklich flächendeckend wirksam zu sein, müsse das Thema in die Bildungspläne aufgenommen werden. „Genau wie in Rumänien braucht es auch in Deutschland eine klare Positionierung auf Regierungsebene“, fordern die Tierschützer.