Rotterdam rüstet für den Fall der FälleEuropas größter Hafen übt schon Krieg

Was, wenn Russland angreift?
Europas größter Hafen in Rotterdam bereitet sich auf genau dieses Szenario vor und reserviert bereits Flächen für Militärfracht. Sollte ein Krieg ausbrechen, müssten britische, amerikanische und kanadische Truppen rasch landen. Das Hafenmanagement spricht offen von einer neuen Phase der Zusammenarbeit mit dem Nachbarn Antwerpen (Belgien) – und von regelmäßig geplanten Manövern.
Rotterdam als NATO-Drehscheibe

„Nicht jeder Terminal ist für den Umschlag von Militärgütern geeignet”, sagt Boudewijn Siemons, Vorstandschef der Hafenbehörde Rotterdam, im Interview mit der Financial Times. „Wir sehen uns weniger als Konkurrenten, sondern arbeiten zusammen, wo es nötig ist.”
Der Hafen ist 42 Kilometer lang und schlägt jährlich über 436 Millionen Tonnen Fracht um. Darunter sind auch Militärgüter. Bereits im Mai kündigte das niederländische Verteidigungsministerium an, dass der Hafen künftig mehrfach im Jahr mehrere Schiffe mit Militärfracht abfertigen müsse. Auf Wunsch der NATO. Geplant seien auch amphibische Militärübungen, also zu Land und zu Wasser, mehrmals jährlich. Ein oder mehrere Schiffe sollen vier- bis fünfmal im Jahr über Wochen an der Kaimauer liegen.
Rotterdams Containerterminal ist noch derzeit der einzige Hafen, an dem Munition sicher von einem Schiff auf ein anderes verladen werden kann.

Europa stellt sich auf Krieg ein – und auf Trump
Die Vorbereitungen in Rotterdam stehen nicht für sich. Wie die Financial Times weiter berichtet, arbeitet die EU an einem Aufrüstungsplan in Höhe von bis zu 800 Milliarden Euro, um unabhängiger von den USA zu werden. Europa wolle auch wegen möglicher Forderungen von US-Präsident Donald Trump autarker sein.
NATO-Generalsekretär Mark Rutte warnte erst im vergangenen Juni: Ein Angriff Russlands auf ein NATO-Land könne bereits bis 2030 stattfinden.
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Lehren aus Pandemie und Ukraine-Krieg
Nicht nur Panzer und Muniton, auch Rohstoffe und Medikamente sollen künftig auf Vorrat liegen. Siemons fordert strategische Reserven auch für Kupfer, Lithium und Graphit – wie sie es für Öl längst üblich ist. „Wir sollten dasselbe mit Dingen wie Kupfer, Lithium, Graphit und einer Reihe von kritischen Rohstoffen tun.” Dies sei immer wichtiger, da die Welt immer unbeständiger werde. Die Abhängigkeit von China und Indien bei Medikamenten und von Russland bei Energie habe Europa verwundbar gemacht, so Siemons weiter.
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Rotterdam und Antwerpen – in den Farben getrennt, in der Sache vereint
Nach dem Ukraine-Krieg verlor Rotterdam rund acht Prozent seines Handelsvolumens – vor allem wegen der EU-Sanktionen gegen Russland. Gemeinsam mit Antwerpen, dem zweitgrößten Hafen Europas, will man künftig flexibler aus Krisen reagieren. Antwerpen verarbeitet jährlich rund 240 Millionen Fracht und empfängt regelmäßig Nachschub für US-Truppen in Europa.
„Wir sehen uns gegenseitig immer weniger als Konkurrenten. Und natürlich konkurrieren wir dort, wo wir müssen, aber wir arbeiten zusammen, wo wir können”, so Siemons.