Liam Gutknecht schildert Eindrücke als Reporter in Esslingen

Plötzlich stehst du vor Menschen, die alles verloren haben

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RTL-Reporter Liam Gutknecht, Unfall in Esslingen
Collage: RTL
von Liam Gutknecht

So viel Leid ist schwer zu ertragen.
Zwei Kinder sind tot, sie sterben mit ihrer Mutter Antonella, als sie auf einem Gehweg von einem Auto erfasst werden. Schrecklich für die Angehörigen, herausfordernd für alle Menschen, die beruflich mit so einem Drama und seinen Folgen zu tun haben. Der schreckliche Unfall von Esslingen wird mir aus vielen Gründen in Erinnerung bleiben.

Du wirst zu einem grauenhaften Unglück geschickt und weißt nie, was dich erwartet

Als Reporter ist so ein Einsatz besonders herausfordernd. Du wirst zu einem grauenhaften Unglück geschickt und weißt nie, was dich erwartet. In diesem Fall war es besonders ergreifend, da sowohl Kinder beteiligt waren und weil ich an der Unfallstelle vor Ort direkt Menschen getroffen habe, die den Toten sehr nahestanden.

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Wenn Menschen vor dir stehen, die auf einen Schlag alles verloren haben – wie die Mutter der verstorbenen Antonella – fällt es sehr schwer, Distanz zu wahren. Maria R. hat auf einen Schlag alles verloren: ihre geliebte Tochter und ihre beiden kleinen Enkel. In einem so emotionalen Gespräch ist es sehr schwer, die richtigen Fragen zu stellen.

Video: Antonellas Mutter über ihren großen Verlust

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Beklemmende Stimmung am Unglückssort

Doch in diesem Fall wollte Maria R. auch mit uns sprechen. Sie wollte, dass wir das Bild ihrer Tochter Antonella zeigen, und sie wollte uns und auch allen Lesern mitteilen, was ihre Tochter für ein toller Mensch war. Solche Einsätze als Reporter gehen definitiv nicht spurlos an einem vorbei. Man denkt auch zu Hause noch darüber nach. Maria R. und ihrer Familie wünsche ich von Herzen alles Gute.

Als ich am Tag nach der Katastrophe am Unfallort in Esslingen ankomme, fällt es mir zunächst schwer zu verstehen, was dort passiert ist. Ich sehe den Zaun der Sportanlage, der komplett zerstört ist. Auf dem Boden erkenne ich die Skizze, mit der die Polizei den Unfall zu rekonstruieren versucht.

Selten ist mir ein Interview so schwergefallen

Zuerst sehe ich nur eine Kerze und einen kleinen Strauß Blumen. Doch innerhalb weniger Minuten werden es immer mehr. Jede Minute kommt jemand anderes vorbei und legt eine Blume nieder. Einige möchten für sich sein, andere sprechen und wollen sich mitteilen. Es ist eine beklemmende Stimmung, und niemand weiß in solchen Momenten so richtig, was er sagen soll.

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Besonders emotional wird es, als eine gute Freundin von Antonella vorbeikommt. Sie fängt sofort an zu weinen und bricht in den Armen ihrer Freundinnen zusammen. Als sie mit mir spricht, kämpft sie immer wieder mit den Tränen. Aber da ist auch Wut – Wut darüber, dass sie von jetzt auf gleich einen geliebten Menschen verloren hat und dass an dieser Stelle die Autos immer viel zu schnell fahren würden. „Es war nur eine Frage der Zeit“, sagt sie. Selten ist mir ein Interview so schwergefallen.

Auf dem Heimweg bin ich froh, allein zu sein

Als ich mit dem Zug wieder auf dem Heimweg bin, bin ich wirklich froh, allein zu sein. Nach so einem Dreh kann man nicht gleich wieder in den normalen „fröhlichen“ Alltag zurückkehren. Da hilft auch kein Musikhören oder Ähnliches. Am Ende ist jeder in so einer Situation ein Mensch und fühlt mit – Job hin oder her.