Diktator Assad abgehauenKehren jetzt syrische Flüchtlinge aus Deutschland zurück?

Machen sich jetzt viele wieder auf den Weg?
Der Sturz von Baschar al-Assad markiert eine historische Wende für Syrien. Während viele Syrer diesen Moment feiern, stellt sich auch in Deutschland die Frage: Bedeutet der Machtwechsel auch die Rückkehr von vielen der fast eine Million syrischen Geflüchteten, die bei uns Schutz gefunden haben?

Syrische Geflüchtete in Deutschland: Zahlen und Fakten

Feiernde Syrer vor der Bäckerei Damaskus in Berlin-Neukölln
Feiernde Syrer vor der Bäckerei Damaskus in Berlin-Neukölln.
Julius-Christian Schreiner/dpa

Laut dem Ausländerzentralregister lebten Ende Oktober 2024 in Deutschland 974.136 syrische Staatsangehörige. Die meisten kamen zwischen 2015 und 2016 nach Deutschland, als der Bürgerkrieg und die Gewalt unter Assads Regime ihren Höhepunkt erreichten.

Menschen feiern in Rostock den Sturz des Machthabers Assad in Syrien.
Menschen feiern in Rostock den Sturz des Machthabers Assad in Syrien.
Christopher Hirsch/dpa

Von den Menschen, die damals Schutz suchten, haben viele inzwischen ein neues Leben begonnen:
• Mehr als 600.000 Syrer verfügen über eine befristete Aufenthaltserlaubnis.
• 72.420 Syrer stellten zwischen Januar und November 2024 einen neuen Asylantrag in Deutschland.
• Einige von ihnen haben bereits die deutsche Staatsbürgerschaft erlangt, sind voll integriert, werden hier auch gebraucht.

In Essen trafen sich die Demonstranten auf dem Jakob-Funke-Platz.
In Essen trafen sich die Syrer auf dem Jakob-Funke-Platz.
Roberto Pfeil/dpa

Nahost-Experte Carsten Wieland sieht Chancen für eine Rückkehr in die syrische Heimat. Gebiete, die zuvor unerreichbar waren, seien nun wieder zugänglich, erklärte der ehemalige UN-Berater im Gespräch mit ntv.de. Besonders aus Idlib seien schon viele Menschen nach Aleppo zurückgekehrt. Die Gefahr der Folter durch das Assad-Regime, die viele zur Flucht zwang, sei nun nicht mehr präsent. „Insofern ist das jetzt weniger ein flüchtlingstreibendes Ereignis, sondern ich würde sagen, ein flüchtlingsreduzierendes Ereignis”, so der Experte.

Lese-Tipp: Wie geht es in Syrien nach Assad weiter?

Bleiben oder zurückkehren? Die schwierige Entscheidung

Bei einer Demonstration in Hamburg feiern viele nach Deutschland geflüchtete Syrer den Sturz der Assad-Regierung.
Auch in Hamburg feiern viele Syrer den Assad-Sturz.
Martin Fischer/dpa-Zentralbild/dpa

Doch viele syrische Geflüchtete haben sich in Deutschland Arbeit, Bildung und ein stabiles Umfeld aufgebaut. Für sie ist die alte Heimat oft nur noch eine Erinnerung. Gleichzeitig gibt es diejenigen, die sich nichts sehnlicher wünschen, als in ein friedliches Syrien zurückzukehren. „Sollte sich die Situation positiv entwickeln, würden etliche Syrer zurückkehren wollen“, sagt Tareq Alaows, fluchtpolitischer Sprecher von Pro Asyl.

Aber: Viele haben hier Familien gegründet und ein neues Leben aufgebaut. Für sie bleibt Deutschland die neue Heimat, Syrien hingegen die alte Heimat, die sie wohl nur noch besuchen wollen. „Über 600.000 Menschen aus Syrien leben in Deutschland mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis. Sie brauchen Sicherheit”, erklärt Alaows.

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Innenministerium vorsichtig zu Syrien-Rückkehr

Das Innenministerium von Ministerin Nancy Faeser hält sich mit Prognosen zu möglichen Fluchtbewegungen oder Rückkehr syrischer Geflüchteter zurück. „Die Lage in Syrien wird genau beobachtet”, sagte eine Sprecherin der Funke Mediengruppe. Ob Abschiebungen nach Syrien bald möglich werden, sei unklar. Bereits länger prüft die Bundesregierung, schwere Straftäter und Gefährder dorthin abzuschieben.

Syrer feiern Assads Sturz in der Türkei

Tausende syrische Flüchtlinge feierten in der Türkei den Sturz von Machthaber Assad – vor der Fatih-Moschee in Istanbul und in Gaziantep nahe der Grenze. Die Türkei beherbergt weltweit die meisten syrischen Geflüchteten: rund drei Millionen leben dort, viele aus Aleppo. Seit 2011 wurden tausende Kinder in der Türkei geboren, rund 240.000 Syrer haben inzwischen die türkische Staatsbürgerschaft.

Und auch in Deutschland feierten viele syrische Geflüchtete. In etlichen Städten versammelten sich Hunderte auf öffentlichen Plätzen. Einer wird ganz bestimmt nicht mehr zurückkehren: Ex-Diktator Assad und seine Familie sind einem Bericht der russischen Staatsagentur Tass in Moskau eingetroffen. „Russland hat ihnen aus humanitären Gründen Asyl gewährt”, zitiert die Agentur einen Vertreter des Kreml.

Und doch bleibt noch völlig offen, ob Syrien zu einem sicheren Land wird – oder vielleicht doch ein neues Chaos droht. Solange dies unklar bleibt, bleibt Deutschland für viele ein sicherer Hafen. (kra, mit dpa)