Die Verletzungen, die Sogol Kordi erlitten hat, sind heute nur noch auf den Fotos sichtbar - doch die Erinnerungen an die dunkelsten Tage ihres Lebens bleiben. Alles begann, als sie ihren Freund Ende 2018 kennenlernte.
Sogol Kordi, Betroffene von häuslicher Gewalt
"Nach vier Monaten hatten wir unsere erste kleine Diskussion gehabt. Ich nenne es kleine Diskussion, weil ehrlicherweise kann ich mich bis heute nicht mal an den Grund daran erinnern, warum wir gestritten haben. Ich kann mich nur daran erinnern, dass die Situation so eskaliert ist, dass er mir ins Gesicht geklatscht hat."
Ihr Freund verspricht, dass so etwas nie wieder passiert. Sogol glaubt ihm, die Kielerin zieht zu ihm nach Hamburg:
Sogol Kordi
"Von der ganzen Renovierung von der Wohnung gab es dann eine Situation, die sehr eskaliert ist, dass er mich dann halt gegen eine Wand geschubst hat. Dann bin ich aber auf dem Boden gelandet und bin dann, also lag dann halt neben diesem Werkzeugkasten und er kam dann auf die Idee, mir einen Nagel in den Kopf zu schlagen und dann musste ich ins Krankenhaus und als ich im Krankenhaus angekommen bin, meinten die Ärzte: ‚Okay, du hattest verdammt Glück gehabt, weil das war wirklich eine Frage von ein paar Millimetern.‘"
Er begleitet sie immer ins Krankenhaus, kontrolliert, was sie aussagt, damit seine Angriffe geheim bleiben. Die beiden bleiben vier Jahre ein Paar. Sogol Kordi glaubt lange, dass der Mann, den sie trotz der Gewalt liebt, sich ändert.
Sogol Kordi, Betroffene von häuslicher Gewalt
"Es waren dann die ganzen kleinen Momente, die mich dann irgendwann zu dem Moment gebracht haben, wo ich mir dachte: ‚Okay, wenn du in einer Beziehung bleibst, wirst du es nicht überleben.‘"
Sogols Geschichte ist kein Einzelfall: Allein in Norddeutschland erlebten 2024 rund 10.000 Frauen häusliche Gewalt: 6650 Fälle wurden in Schleswig-Holstein erfasst, 3271 in Hamburg. Die Dunkelziffer liegt laut Bundeskriminalamt deutlich höher.
Sogol Kordi hat ihren Exfreund angezeigt, er wurde verurteilt. Um anderen Frauen zu helfen, gründet sie 2024 myProtectify, einen anonymen Hilfechat. Dessen Herzstück ist Maya, eine künstliche Intelligenz:
Sogol Kordi, Gründerin myProtectify
"Maya unterstützt vor allem wenn Betroffene Fragen haben wie: Wann fängt Gewalt an? Was ist überhaupt Gewalt? Wie sieht Gewalt aus?"
Beantwortet werden auch andere Fragen: Zum Beispiel, was Betroffene tun können, wenn sie sich nicht trauen, mit dem persönlichen Umfeld zu sprechen.
Sogol Kordi
"Auch die die digitale Spur kann manchmal sehr gefährlich enden. Das hatte ich damals in unserer Gewaltbeziehung ein paar Mal gespürt, wo ich dann nach Hilfe gegoogelt habe und er dann ich natürlich in meinem ganzen Schock und Stress nicht jetzt irgendwie den Suchverlauf gelöscht habe. Und er hat es gesehen. Das heißt, Maya hat eine Hilfe, also einen „schnell Verlassen“-Button. Und über diesen Button kommt man dann auf eine beliebige Webseite und wir überschreiben den Suchverlauf."
Die 28-Jährige fordert bessere finanzielle Unterstützung von Frauenhäusern und Beratungsstellen - und auch die Justiz müsse schneller werden:
Sogol Kordi
"Die Zeit spielt so eine wichtige Rolle. Wenn Gerichte einfach zu lange, zu lange dran arbeiten, wenn Beschlüsse zu lange dauern, dann kann es auch einfach für die Betroffenen tödlich enden."
Und das treibt Sogol Kordi an, jeden Tag ihre Stimme zu erheben für Menschen, die es nicht können!