Angreifer verlässt Gericht als freier Mann
Nachbar wegen zu lauter Musik niedergestochen: Dieses Urteil macht fassungslos
Ein Streit zwischen Nachbarn endet in einem brutalen Messerangriff.
Mindestens elfmal sticht Pierre K. (53) auf Jörg G. (54) ein: angeblich, weil er sich von zu lauter Musik gestört fühlt. Das Opfer kommt schwer verletzt im Krankenhaus – aber Pierre K. nicht einen einzigen Tag in den Knast.
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Zerbst/Anhalt: Immer wieder laute Musik aus der Wohnung des Nachbarn
Es ist der 19. März 2023. Jörg G. aus Zerbst/Anhalt (Sachsen-Anhalt) ist schwer genervt. Weil aus der Wohnung seines Nachbarn viel zu laute Musik dröhnt – mal wieder. „Das war tagtäglich. Es fing früh um neun, halb zehn an und ging bis nachts null Uhr", sagt der 54-jährige Rettungssanitäter.
Jörg G. geht zu seinem Nachbarn und bittet ihn, die Musik leiser zu drehen. Schon an dessen Wohnungstür kommt es zum Streit. Jörg G. geht zurück in seine Wohnung – dann klingelt es bei ihm. Seine Freundin öffnet, vor der Tür steht Pierre K. „Er hat kein Gespräch gesucht, sondern gleich geschrien ,Wo ist das Arschloch?’", erzählt der 54-Jährige.
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Jörg G. sticht mit Küchenmesser auf Nachbar ein
Es kommt zu einer Rangelei. „Als ich später auf dem Boden lag, stand meine Frau im Flur und rief: ,Jörg, pass auf, der hat ein Messer'", erinnert sich Jörg G. Mit einem Küchenmesser sticht Pierre K. auf seinen Nachbarn ein. Jörg G. kann sich befreien, doch er hat viel Blut verloren und zahlreiche Stich- und Schnittverletzungen am Kopf und am Oberkörper erlitten. Im schlimmsten Fall hätten sie ihn das Leben kosten können.
Prozess in Dessau-Roßlau: Freispruch für Messerstecher
Im Prozess vor dem Landgericht Dessau-Roßlau kommt heraus: Der alleinerziehende Vater Pierre K. rastete wohl aus, weil sein Kind den Streit mitbekam. „Alles soll vor den Augen der neunjährigen Tochter des Angeklagten geschehen sein", sagt ein Gerichtssprecher. „Der Angeklagte fühlte sich offenbar hierdurch auf das Höchste gedemütigt."
Jörg G. ist wegen schwerer Körperverletzung und versuchten Totschlags angeklagt. Zum Zeitpunkt der Tat soll er betrunken gewesen sein und außerdem das Tourette-Syndrom haben. Am Dienstag das Hammer-Urteil: Freispruch für den 54-Jährigen. Zwar hält es das Gericht für erwiesen, dass Pierre K. seinen Nachbarn mit dem Messer angegriffen hat, hält ihn aber für schuldunfähig. Dass Pierre K. nach der Tat einfach in seine Wohnung gegangen sei, als wäre nichts gewesen, zeige deutlich seinen Realitätsverlust, erklärt die Richterin. Zudem leide er an einer posttraumatischen Belastungsstörung durch eine Gewalttat, die er aber nie habe behandeln lassen.
Pierre K. darf sich seinem Nachbarn aus Zerbst/Anhalt nicht nähern
„Es ist nicht immer alles so, wie es aussieht", sagt Pierre K. nach dem Freispruch lapidar. Jörg G ist entsetzt: „Man verliert echt den Glauben an unseren Rechtsstaat." Pierre K. ist inzwischen umgezogen und darf sich seinem Nachbarn nicht nähern. Ob die Staatsanwaltschaft das Urteil anfechten wird, ist noch unklar.