Geht das wirklich? Das sagt der MedizinerZehn Mal stärker als Morphium! Yogalehrerin verhilft Gebärenden zum Orgasmus

Ist der Schwangerschaftstest positiv, ist die Freude (meist) groß. Doch dann wächst nicht nur die Sorge um das noch ungeborene Kind, sondern auch um die Geburt als solche. Denn jede Frau weiß: Hier kann es mitunter ziemlich schmerzhaft zugehen. Liegt man schwitzend und atemlos in den Wehen, ist vermutlich das Letzte, woran man denkt, sexuelle Befriedigung. Oder ist es vielleicht genau das, was frau braucht, um ihr den Schmerz zu nehmen? Eine Yogalehrerin behauptet dies zumindest. Was steckt hinter der kuriosen Idee? Funktioniert das wirklich? Dr. Hans-Christian Kolberg, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe des Marienhospitals in Bottrop, klärt auf.
Mediziner erklärt: Das hat es mit einer "orgasmic birth" auf sich

Eine Kundin von Jannine Markou (49), die als Schwangerschaftscoach und Yogalehrerin arbeitet, behauptete in der „New York Post“, dass sie während der Geburt ihres zweiten Kindes vollständig ohne Schmerzmittel ausgekommen sei. So weit, so wenig ungewöhnlich. Das Erstaunliche daran: Währenddessen sei sie zum Höhepunkt gekommen, habe die Geburtsschmerzen dadurch nicht bemerkt. Einen Orgasmus erleben, während man gerade gebärt? Will frau das? Wie soll das denn funktionieren?
„Das ist an sich nichts Neues, das ist mittlerweile unter dem Begriff ‘orgasmic birth’ bekannt. Im Grunde geht es darum, dass die Hormone, die während der Geburt ausgeschüttet werden, ähnlich denen sind, die ausgeschüttet werden, wenn eine Frau einen Orgasmus hat“, erklärt Dr. Kolberg im RTL-Interview. Dazu zählen beispielsweise die Hormone Adrenalin, Endorphine und Oxytocin. „Ob das jetzt wirklich ein richtiger Orgasmus ist, das ist ganz schwer von außen zu bewerten. Vor allem weil es keine Untersuchungen dazu gibt.“ Der Chefarzt gibt zudem zu bedenken, dass „viele, die eine solche ‘orgasmic birth’ anpreisen, das meist mit einer Agenda tun und dabei oftmals ihr Geschäft im Hinterkopf haben. Viele stellen den Geburtsvorgang als etwas Schreckliches dar, ‘durch das man eben durch muss’. Und nur sie haben – mittels der ‘orgasmic birth’ zum Beispiel – die ultimative Lösung. Aber so schwarz und weiß ist das nicht.“
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Schmerzen könne man schließlich nie zu hundert Prozent eliminieren, erklärt der Mediziner. Dennoch: Eine positive Einstellung vor und während der Geburt sei natürlich nicht schlecht. „Wenn jetzt einer käme, der seine Yogalehrerin mitbringen möchte, dann wäre das okay. Bisher ist das bei uns aber noch nicht vorgekommen.“
Yogalehrerin preist an: Weniger Geburtsschmerzen dank Orgasmus
Für die aus Toronto (Kanada) stammende Markou scheint der Orgasmus während einer Geburt tatsächlich eine Art „Wundermittel“ zu sein. Sie selbst arbeitet jahrelang als Yogalehrerin, bevor sie sich dazu entschließt, Geburtscoach zu werden. Der Grund: Sie selbst erlebte vor einem Jahrzehnt eine traumatische Geburt. Jetzt führt sie bei ihren Kundinnen eine Orgasmus-induzierende Praxis mit bestimmten Yoga-Bewegungen durch. „Ich unterrichte orgasmische Geburten, was für mich bedeutet, dass meine Kundinnen mit Freude und Vertrauen gebären“, so erklärt sie dem „South West News Service“.
Erst kürzlich sei sie bei einer Hausgeburt dabei gewesen, bei der ihre Klientin in der Lage war, den „Zustand der Euphorie“ zu erreichen. „Es war erstaunlich, das zu sehen. Ich lehre die Frauen, aus ihrer Komfortzone herauszukommen und ihre Hemmungen fallen zu lassen.“ Der 49-Jährigen gehe es hauptsächlich darum, dass die werdende Mutter versucht, das Beste aus ihren Hormonen, die bei der Geburt freigesetzt werden, herauszuholen. Wenn Frauen während der Wehen zum Höhepunkt kommen, sei dies zehn Mal stärker als Morphium, so die Kanadierin. Sobald die Endorphine einmal fließen, „gebe es keine Angst mehr“.
Oft stelle Markou fest, dass es sehr hilfreich ist, wenn die Frauen tiefe O-Laute von sich geben. „Das entspannt den Kiefer, das Becken und den Gebärmutterhals.“ Außerdem sei die Haltung, zum Beispiel das Hocken, Knien oder Hin- und Herschaukeln „großartige Positionen“ für die Wehen. Im Endeffekt gehe es um Entspannung. Aber: „Nicht jeder ist in der Lage, einen Orgasmus zu erleben. Aber wenn man es kann, kann es sehr hilfreich sein", erklärt sie.
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Dr. Kolberg sagt: „Das macht schon Sinn. Ich arbeite seit 27 Jahren in der Geburtshilfe. So weit, dass das als tatsächliche Schmerzausschaltung angeboten wird, ist das noch nicht.“ Um eine „orgasmic birth“ als Methode im Kreißsaal einführen zu können, brauche es mehr Evidenz. Und – ganz wichtig: „Es muss schon vorher bewiesen werden können, dass keine traumatischen Geburtserlebnisse hervorgerufen werden.“
Der Mediziner fasst zusammen: „Am Ende ist die Frau der Boss. Sie entscheidet, wie sie gebären möchte. Und wenn ihr dabei zum Beispiel eine Yogalehrerin oder ein Geburtscoach insofern hilft, dass sie weniger Schmerzen hat, dann umso besser.“