Urteil in Mistelbacher Doppelmord-Prozess
Eltern aus Hass getötet: Hannah (17) und ihr Freund wegen Mordes verurteilt
von Michaela Johannsen und Anna Pauly
Warum wurden Stefan und Antje S. getötet? Drei Monate lang hat diese Frage das Landgericht in Bayreuth beschäftigt – verhandelt wurde der Doppelmord von Mistelbach hinter verschlossenen Türen. Denn auf der Anklagebank sitzen die älteste Tochter (17) des Ärztepaars und deren Freund (19). Die Hintergründe sorgen für Entsetzen, jetzt wurde das Urteil verkündet.
Schuldig wegen Mordes: Gericht folgt Forderungen der Staatsanwaltschaft
Es ist ein Prozess, der schockiert: Die damals 16-jährige Hannah soll gemeinsam mit ihrem Freund Felix (zur Tatzeit 18) den Mord an ihren Eltern geplant haben. Am Montag (23. Januar) hat das Bayreuther Landgerichts das Urteil verkündet. Hannah S. und ihr Freund Felix werden beide wegen Mordes schuldig gesprochen. Die beide wirken beinahe teilnahmslos, schauen nur vor sich auf den Tisch. Blicke zueinander vermeiden die beiden Angeklagten.
Das Gericht folgt bei seinem Urteil den Forderungen der Staatsanwaltschaft und verurteilt den 19-Jährigen wegen der besonderen Schwere der Schuld zu einer Jugendstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten. Für die 17 Jahre alte Angeklagte heißt es neun Jahre und sechs Monate. Die Richterin wendet sich dabei an sie: „Und Hannah, an dieser Stelle, diese Ausflucht, ich hab ja selbst nicht Hand angelegt, hat keine Auswirkung.“
Lese-Tipp: Staatsanwalt: „Dringender Verdacht, dass sie an Tötung ihrer Eltern beteiligt war"
Vor etwa einem Jahr findet die Polizei im fränkischen Mistelbach (Landkreis Bayreuth; Bayern) die beiden Leichen: Das Ärzte-Ehepaar wurde in seinem Schlafzimmer erstochen. Nachbarn hatten in der Nacht gegen 1 Uhr den Notruf gewählt, nachdem sie Hilferufe aus dem Haus gehört hatten. In den Morgenstunden hatte sich Felix, der Freund der Tochter, selbst der Polizei gestellt, später kam auch seine Freundin in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Paar vor, gemeinsam einen Tatplan gefasst zu haben. Die Motive sollen Streit und Hass gewesen sein.
"Das ist doch nicht so schlimm. Wir können doch alle im Haus wohnen bleiben"
„Eine Tat, die sich nicht begreifen und nicht verstehen lässt“, heißt es im Gerichtssaal. Felix, der von der Familie nach dem Rauswurf bei seiner Mutter aufgenommen wurde, hat die beiden Eltern seiner Freundin Hannah im Schlaf erstochen. Jeweils zwölf Stiche in Hals und Kopf führen dazu, dass die beide binnen Minuten verbluten. „Felix hat im Schlafzimmer mit absolutem Vernichtungswillen agiert.“ so die Richterin in der Urteilsbegründung. Mit der Tat will er seine Freundin vor ihren Eltern schützen und sie glücklich machen. Denn Hannah behauptet, immer wieder von ihren Eltern geschlagen zu werden – selbst Zeuge wird Felix von den Übergriffen aber nicht. Doch die damals 16-Jährige nutzt seine leicht manipulierbare Persönlichkeit aus, um ihn davon zu überzeugen, dass der Tod der beiden die einzige Lösung sei. Sie handelt dabei aus „anlasslosem, übersteigerten Hass auf ihre Eltern.“
In der Tatnacht bleibt Hannah selbst im oberen Geschoss, während sich Felix ins Untergeschoss und damit zum Schlafzimmer der Eltern aufmacht. „Du siehst echt sexy aus“, in voller Montur, sagt Hannah zu Felix, als er komplett schwarz gekleidet vor sie tritt – die beiden wollen es wie einen Überfall aussehen lassen. Sie will sich in der Zeit um die Geschwister kümmern, falls diese wach werden. Zum Tatzeitpunkt sind sie vierzehn, zwölf und fünf Jahre alt. Als ihr 14-jähriger Bruder von den Schreien der Mutter aufwacht und nach dem Rechten sehen will, tritt Hannah ihm in den Weg und verhindert, dass er den Notruf wählen kann. „Das (Anm. d. Red.: Der Tod der Eltern) ist doch nicht so schlimm. Wir können doch alle im Haus wohnen bleiben. Der Felix ist schon 18, der kann dich adoptieren.“ erklärt sie ihrem jüngeren Bruder.
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Öffentlichkeit ausgeschlossen: Prozess findet größten Teil hinter verschlossenen Türen statt
Im Prozess sollen insgesamt 33 Zeuginnen und Zeugen vernommen worden sein, vier Sachverständige gaben Auskünfte, darunter zwei Rechtsmediziner – mehr drang nicht nach draußen. Abgesehen vom Prozessauftakt im Oktober war hinter verschlossenen Türen verhandelt worden. Gründe waren die psychische Verfassung und das Alter der Angeklagten.
Im Prozess wird klar: Es hat keine Misshandlungen der Angeklagten Hannah S. seitens der Eltern gegeben. Ab und an mal eine Backpfeife aber mehr nicht, sagen die Geschwister.
Hannah hingegen provozierte ihre Eltern durch ihr Verhalten. Sie verweigerte sich im familiären und schulischen Bereich, besuchte die Hochbegabtenklasse eines Bayreuther Gymnasiums teilweise nicht mehr. Spätestens seit Sommer 2021 ignorierte die Angeklagte ihre Eltern, hinterging sie und missachtete deren Vorgaben. Die Familiensituation spitzte sich immer mehr zu, bis die Eltern sich mit der Erziehung so überfordert gefühlt hatten, dass sie sich im Herbst 2021 hilfesuchend an das Jugendamt gewandt haben. Die Mutter zog sogar in Erwägung, einen Selbstverteidigungskurs zu absolvieren.
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Nach außen soll die Familie ein idyllisches Bild abgegeben haben: vier Kinder, die Eltern arbeiteten als Mediziner. Die Familie lebte in einem schicken Einfamilienhaus vor den Toren Bayreuths in Mistelbach. Der 51 Jahre alte Familienvater war als Kinderarzt in der Region bekannt und geschätzt, Anfang 2022 hatte der Mann eigentlich mit seinem Praxis-Partner ein neues Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin eröffnen wollen. (mit dpa)