Renault raste 2022 in Berlin in Menschenmenge - ein Toter und mehrere Verletzte
Urteil im Prozess gegen Ku'damm-Raser gefallen: Gor H. wird in psychiatrischen Krankenhaus untergebracht

Am 8. Juni 2022 krachte ein Auto ungebremst in eine Menschenmenge auf dem Berliner Ku’Damm. Ein 29-Jähriger raste mit seinem Kleinwagen in eine große Fußgängergruppe: Es war eine Schulklasse aus Bad Arolsen (Hessen) auf Abschlussfahrt in der Hauptstadt. Dabei verstarb eine 51-jährige Lehrerin, fünf weitere Menschen erlitten lebensgefährliche Verletzungen. Nun fiel vor dem Landgericht Berlin das Urteil gegen den Deutsch-Armenier, der seit der Tat in einem Krankenhaus des Maßregelvollzugs untergebracht ist.
Schuldunfähigkeit des Angeklagten festgestellt

Er wird verurteilt zur weiteren Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus – das gilt unbefristet, möglicherweise lebenslang. Außerdem wird der Führerschein ihm lebenslang entzogen.
Teilnahmslos und weltfremd – so wirkte Gor H. (29) auf RTL-Reporterin Samina Faizi bereits am ersten Tag des Prozesses. Seit dem 7. Februar stand der mutmaßliche Täter vor Gericht. Ein Mord und 16 versuchte Morde in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung – das wurde Gor H. vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft strebte die Unterbringung in einem sogenannten Sicherungsverfahren in einem psychiatrischen Krankenhaus an, sollte sich die Schuldunfähigkeit des Angeklagten feststellen lassen. „Man kann niemanden bestrafen, der nicht schuldfähig ist. Man kann aber die Öffentlichkeit vor psychisch kranken und gefährlichen Tätern schützen“, sagte Staatsanwältin Silke van Sweringen.
Dieser Einschätzung folgt nun auch das Gericht: Er wird unbefristet in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Außerdem wird ihm lebenslang der Führerschein entzogen.
Erste Reaktionen nach dem Urteil
„Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist unbefristet. Eine Entlassung oder Bewährungsaussetzung hängt vom jeweiligen Behandlungserfolg ab. Die Kammer hat hier jedoch eine sehr schwerwiegende psychische Erkrankung des Beschuldigten festgestellt und geht nicht davon aus, dass eine solche Entlassung zeitnah in Betracht kommt“, so Christina von Bothmer, Sprecherin der Berliner Strafgerichte, kurz nach der Urteilsverkündung.
RTL-Reporterin Samina Faizi spricht ebenso kurz nach der Verkündung über ihre ganz persönlichen Eindrücke aus dem Gerichtssaal: „Der Angeklagte hat den Urteilsspruch fast regungslos hingenommen. Es ist fraglich, was er davon überhaupt mitbekommen hat und ob er die Tragweite seiner Tat überblicken kann.“
Das ist auch für die betroffene Schulgruppe nur schwer nachvollziehbar. Für sie spricht André Iske (Nebenklageanwalt) vor Ort in Berlin: „Brennende Fragen für die Opfer – nach dem ‘Warum’ – sind auch nach diesem Verfahren wahrscheinlich nicht befriedigend beantwortet worden.“
Tiefe Betroffenheit an der hessischen Schule
Man kann sich nur schwer vorstellen, wie groß die Trauer im Juni 2022 an der hessischen Schule gewesen sein muss. „Wir mussten in der Not zurechtkommen“, so Schulleiter Axel Wölker zu RTL. Seine Betroffenheit ist auch jetzt noch spürbar. Der Verlust der Kollegin trafen ihn und die Schüler besonders hart: Um die Jugendlichen nicht zusätzlich zu belasten, wurden am Berliner Gericht frühere Zeugenaussagen verlesen. Er wolle so den jungen Leuten „hier Raum geben, ohne sie in diesen Raum zu zwingen“, erklärte Richter Thomas Groß. Elf Opfer waren auch als Nebenkläger an dem Verfahren beteiligt.
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Ku'damm-Raser Gor H. ist polizeibekannt
Der damals 29-jährige Gor H. war polizeibekannt und ist in der Vergangenheit bereits durch psychische Aussetzer aufgefallen. „Er ist an einer paranoiden Schitzophrenie erkrankt und befand sich wohl zum Zeitpunkt, als es geschehen ist, in einem psychotischen Zustand“, sagt C. Mark Höfler, der Verteidiger von Gor H., im RTL-Interview. Der Unfallort befindet sich unweit der Gedächtniskirche am Breitscheidplatz in Berlin-Charlottenburg. Dort war im Dezember 2016 ein islamistischer Attentäter in einen Weihnachtsmarkt gefahren.
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