Prozessauftakt nach Berliner Amokfahrt

"Sein Ziel war es, Menschen zu verletzen, sie umzubringen"

Am Dienstag hat der Prozess gegen Gor H., den mutmaßlichen Amokfahrer von Berlin begonnen.
Am Dienstag hat der Prozess gegen Gor H., den mutmaßlichen Amokfahrer von Berlin, begonnen.
dpa, Fabian Sommer

von Daniel Kandorra und Samina Faizi

Teilnahmslos und weltfremd – so wirkt Gor H. (29) auf RTL-Reporterin Samina Faizi am ersten Tag des Prozesses, der über seine Zukunft entscheiden wird. Ihm droht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Ob er weiß, was er mit seiner Amokfahrt am Ku’damm in Berlin angerichtet hat, ist nicht klar.

Gor H. spricht beim Prozessauftakt nicht - dafür sein Anwalt

C. Mark Höfler, der Verteidiger von Gor H., im Gespräch mit Medienvertretern.
C. Mark Höfler, der Verteidiger von Gor H., im Gespräch mit Medienvertretern.
RTL

Ein Mord und 16 versuchte Morde in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung – das wird Gor H. vorgeworfen. Der Grund könnte eine psychische Erkrankung sein. „Er ist an einer paranoiden Schitzophrenie erkrankt und befand sich wohl zum Zeitpunkt, als es geschehen ist, in einem psychotischen Zustand“, sagt C. Mark Höfler, der Verteidiger von Gor H., im RTL-Interview

„Vermutlich wird es so gewesen sein, dass er nicht ausreichend Medikamente zu sich genommen hat.“ Und obwohl der mutmaßliche Amok-Fahrer laut seinem Anwalt bisher „keinen richtigen Zugang“ zu den Geschehnissen gefunden hat, tue es ihm „sehr leid.“ Gor H. selbst lässt die Möglichkeit, sich am Prozessauftakt zu äußern, verstreichen.

Lehrerin (51) stirbt, viele lebensgefährlich Verletzte

Gor H. soll am 8. Juni 2022 ungebremst in eine Schülergruppe gefahren sein. „Er soll dabei mehrere Personen auf die Motorhaube genommen haben, weitergerast sein und dann auch noch in den Außenbereich eines Imbisses gefahren sein“, fasst Gerichtssprecherin Lisa Jani die unfassbaren Ereignisse zusammen. Die Lehrerin der Schulklasse aus Hessen verstirbt noch vor Ort, sie war unter das Auto geraten und überrollt worden. Elf Schüler und ein Lehrer werden zum Teil lebensgefährlich verletzt. Am ersten Prozesstag wird auch ein Unfall-Sachverständiger vernommen, der bereits am Tattag vor Ort war und unter anderem mithilfe von Videos von Überwachungskameras Rückschlüsse auf die gefahrenen Geschwindigkeiten ziehen konnte.

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Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus möglich

„Man kann niemanden bestrafen, der nicht schuldfähig ist. Man kann aber die Öffentlichkeit vor psychisch kranken und gefährlichen Tätern schützen, indem man in einem sogenannten Sicherungsverfahren den schuldunfähig Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus unterbringt, sodass solche vergleichbare Taten in Zukunft nicht mehr passieren“, sagt Staatsanwältin Silke van Sweringen. „Diese Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist erst einmal unbefristet. (...) Es ist sozusagen ein Krankenhaus hinter Gittern, das heißt, da gelten auch ganz strenge Sicherheitsvorkehrungen“, ergänzt Gerichtssprecherin Jani.

Augenzeuge: Spreche jeden Tag ein Gebet

Selman T. im RTL-Interview. Er hat 2022 alles mit angesehen und noch versucht, mit dem Todesopfer zu sprechen.
Selman T. im RTL-Interview. Er hat 2022 alles mit angesehen.
RTL

Ein Tag, den er nie vergessen wird – so beschreibt Selman T. (Name geändert) den 8. Juni. Als Augenzeuge sieht er unter anderem, wie die Lehrerin der Schulklasse überfahren wird. „Ich bin hingerannt, unerklärlich warum, und habe die Gesichter gesehen. Und das bleibt mir für immer im Kopf“, sagt er kurz vor dem Prozessauftakt im RTL-Interview. Aus seiner Sicht sei Gor H. nicht einfach geradeaus gefahren, sondern habe das Auto sogar manövriert. „Sein Ziel war, Menschen zu verletzen, umzubringen - also nichts anderes“ meint Selman T..

Der Beschuldigte, und das ärgere ihn, habe der Lehrerin keine Chance gegeben auszuweichen. Um den Verletzten zu helfen, wählt er den Notruf, rennt er in eine nahegelegene Apotheke, holt Erste-Hilfe-Koffer und versucht, zusammen mit einem anderen Mann, Schaulustige fernzuhalten. Jeden Tag sei er am Unglücksort unterwegs. „Ich spreche ein Gebet für sie“, sagt Selman T. über die Verstorbene.