Frühstart mit SPD-Außenpolitiker Michael Roth

"Müssen mehr für unsere eigene Sicherheit tun"

von Christian Wilp

SPD-Außenpolitiker Michael Roth hofft vor den Wahlen in der Türkei auf einen Sieg der Opposition, hält eine Vermittlerrolle Chinas im Krieg zwischen der Ukraine und Russland für fraglich und empfiehlt, sich angesichts des beginnenden Wahlkampfs in den USA auf jede Option einzustellen. Klar sei, „wir müssen mehr für unsere eigene Sicherheit tun.“

"Einzige Chance, dass die Türkei wieder auf den Weg der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit zurückkehrt"

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), hofft, dass Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu die Wahlen in der Türkei am 14. Mai gewinnt und den amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ablöst. „Selbstverständlich, das ist die einzige Chance, dass die Türkei wieder auf den Weg der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit zurückkehrt“, so Roth im RTL-Frühstart. „Erdogan hat dieses Land komplett umgebaut. Es gibt vermutlich freie Wahlen, aber keine fairen Wahlen, weil alles in den Händen von Erdogan liegt“, so Roth weiter. „Es wäre auch für uns in Europa eine große Chance, wenn endlich auch die Türkinnen und Türken den nationalistischen Populisten die rote Karte zeigen.“

In Deutschland lebten Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln, deshalb kämen Konflikte, die es in der Türkei gebe, früher oder später auch in Deutschland an. „Für uns ist es von herausragendem Interesse, dass die Türkei wieder Fahrt aufnimmt in Richtung EU und Fahrt aufnimmt in Richtung NATO“, so der SPD-Politiker. Die Türkei lege derzeit einen „ziemlich schlimmen Schaukelkurs“ hin. „Einerseits unterstützt man Russland, und andererseits ist man Mitglied der NATO, aber man blockiert eben auch die NATO-Mitgliedschaft von Schweden, die in unserem nationalen Interesse liegt.“

"Wir müssen jetzt endlich in die Puschen kommen"

Zur Überlegung der Regierung in Kiew, dass China eine Vermittlerrolle einnehmen könnte im Krieg zwischen der Ukraine und Russland, äußert sich Roth zurückhaltend. „China will ja den Eindruck erwecken, es sei Friedensvermittler“, so der Außenpolitiker. „Ob es aber wirklich bereit dazu ist, diesen Frieden zu vermitteln? Da habe ich noch ein paar Fragezeichen, weil, am Ende des Tages müsste sich dann auch China emanzipieren von Russland.“ China sei in keiner ganz einfachen Lage. Peking habe einerseits kein Interesse daran, dass Russland den Krieg verliere, aber andererseits dürfe es sich auch mit dem Westen nicht verscherzen. „Umso wichtiger ist es, dass wir als Westen geschlossen gegenüber China einstehen, dass ist die einzige Hoffnung, dass China wirklich Einfluss auf Russland nimmt“, so Roth weiter. „Wenn die chinesische Führung wirklich dazu bereit wäre, wäre das ein großer Gewinn.“

434 Tage nach dem Überfall Russlands habe Kiew jedenfalls ein Interesse daran, den Krieg schnell zu beenden. Vor der erwarteten Offensive der Ukraine warte die Regierung nicht nur auf schönes Wetter. „Sie wartet vor allem auch auf Munitionslieferungen aus dem Westen. Da müssen wir jetzt endlich in die Puschen kommen“, so Roth. Die Ukraine könne nur dann Territorium zurückgewinnen, wenn sie „von uns kontinuierlich mit großem Engagement unterstützt wird.“

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"Größtes Sicherheitsrisiko" wäre ein Sieg Russlands

Angesichts des beginnenden Wahlkampfs in den USA empfiehlt Roth Deutschland und Europa, sich auf jede Option einzustellen. „Das heißt, wir müssen mehr für unsere eigene Sicherheit tun“, so der Außenexperte. „Wir müssen mehr Verantwortung für Frieden und Freiheit in ganz Europa übernehmen, im östlichen Europa, am westlichen Balkan“, so der SPD-Politiker weiter. Auch auf einen möglichen Sieg des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump sollte man sich „selbstverständlich“ einstellen.

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„Ich glaube, das größte Sicherheitsrisiko für Europa ist nicht der Ausgang der amerikanischen Präsidentschaftswahlen. Das größte Sicherheitsrisiko ist für uns, dass Russland den Krieg gegen die Ukraine gewinnt. Denn dann müssten wir noch viel mehr investieren in die Verteidigung, in die Sicherheit. Denn Putin wird seinen Hunger nicht so schnell stillen.“

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