Schwere Kämpfe um BachmutRTL-Reporterin Kavita Sharma an der Frontlinie: "Man kann ihre Stimmen sogar manchmal hören"

von Arne Draheim und Kavita Sharma

Es ist die derzeit wohl am schwersten umkämpfte Stadt in der Ostukraine. Das ukrainische Militär hält die russischen Invasoren noch immer zurück. Die behaupten allerdings, die Stadt bereits eingenommen zu haben. Ein Lagebericht von der Frontlinie.
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„Man kann ihre Stimmen sogar manchmal hören"

Der Truppenpanzer fährt durch unbefestigtes Gelände. Er muss schnell fahren, bahnt sich seinen Weg durch Schnee und Matsch. Sein Ziel: die Stellungen der ukrainischen Armee rund um die hart umkämpfte Stadt Bachmut. Die russischen Invasoren sind nicht weit, erzählt ein ukrainischer Soldat, der eben noch im Truppenpanzer saß. Er möchte seinen Namen nicht nennen: „Man kann ihre Stimmen sogar manchmal hören. Man kann hören, wie militärisches Gerät bewegt wird.“ Deshalb muss das Entladen schnell gehen. Der Panzer könnte binnen weniger Minuten durch Drohnen entdeckt werden.

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Die gegnerische Stellung soll sich nach Angaben der ukrainischen Soldaten nur etwa hundert Meter vom eigenen Schützengraben befinden. Plötzlich sind Schüsse zu hören. Sie kommen von Maschinengewehren. Doch wo normalerweise Panik ausbrechen würde, setzt hier Routine ein. Für die Männer vor Ort ist diese Situation zum Alltag geworden - jeder Soldat im Schützengraben weiß, was nun zu tun ist.

Warum ist Bachmut so hart umkämpft?

dpatopbilder - 26.03.2023, Ukraine, Bachmut: Ukrainische Soldaten feuern einen Mörser ab auf russische Stellungen an der Frontlinie bei Bakhmut, Region Donezk, Ukraine Foto: Libkos/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Ukraine-Krieg - Bachmut
htf, dpa, Libkos

Seit einigen Monaten wird die Stadt Bachmut schwer umkämpft. Es gibt hohe Verluste auf beiden Seiten. Große Teile Bachmuts wurden durch die Gefechte bereits zerstört. Einst lebten hier sogar mehr als 70.000 Menschen. Nun ist Bachmut ein Sinnbild für den Abnutzungs- und Zermürbungskampf. Doch warum wird ausgerechnet diese Stadt so hart umkämpft?

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Seit knapp neun Monaten dauern die Gefechte in Bachmut an. Aktuell sollen schätzungsweise hier nur noch knapp 3.000 Einwohner leben. Viele Bewohner sind bei den Gefechten ums Leben gekommen oder geflüchtet. Aus strategischer Sicht ist die Stadt im Donbass wichtig, weil sie an der Fernstraße E40 zwischen der zweitgrößten ukrainischen Stadt Charkiw und dem russischen Rostow-am-Don liegt. Das erleichtert Nachlieferungen und würde der russischen Armee den Weg zu westlich gelegenen Städten erleichtern.

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Kaum verwunderlich, warum die Stadt regelmäßig von russischer Seite als „eingenommen“ proklamiert wird. Wolodymyr Selenskyj erklärte allerdings jüngst erst, dass Bachmut noch nicht gefallen sei. Die russische Offensive sieht das anders: Wagner-Chef Jewgeni Prygoschin ließ bereits die russische Flagge an einem Verwaltungsgebäude hissen. Die dazugehörigen Bilder der „rechtlichen“ Einnahme verbreitete er via Telegram. Die Angaben beider Kriegsparteien sind unabhängig allerdings kaum zu überprüfen.

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Zurück in den Schützengraben an der Frontlinie: Eine Unachtsamkeit kann hier Leben kosten. Die Soldaten suchen Schutz in einer befestigten Anlage. Man merkt, wie ein paar Wände Sicherheit suggerieren. Die Stimmung liegt zwischen Anspannung, Angst und Hoffnung. Hier trifft RTL-Repoertin Kavita Sharma den ukrainischen Soldaten Jura. Er zeigt ihr einen Splitter einer russischen Bombe: „Ich habe es aufgehoben, um es den russischen Truppen zurückzugeben, wenn wir sie nach unserem Sieg treffen.“

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Die Soldaten sind gut ausgebildet. Aber eine gute Ausbildung allein reicht nicht, wenn das nötige Kriegsgerät fehlt. Das wird dringend benötigt: Munition, Ausrüstung und Kampfpanzer.

Obwohl der Winter fast vorbei ist, schneit es im Osten der Ukraine noch immer. Der Boden ist schlammig. Die Temperaturen liegen knapp über dem Gefrierpunkt. Die ukrainischen Streitkräfte hoffen auf die vom Westen versprochenen Kampfpanzer mit Kettenantrieb.

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Mit ihnen könnte auch die angekündigte Gegenoffensive beginnen. Für den Moment würden westliche Panzer auch eine sichere Flucht von der Frontlinie garantieren. Denn als Jura und seine Truppe aufbrechen wollen, geraten sie unter Beschuss. Der könnte in den kommenden Wochen zunehmen, denn Russland plant weitere Rekrutierungswellen. Die Gefechte um Bachmut werden dann wohl noch verstärkt.

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