Starb der Blogger weil er den Putin kritisierte?

Militär-Blogger stirbt bei Explosion in St. Petersburg: "Kreml will Kritikern wohl rote Linie aufzeigen"

02.04.2023, Russland, St. Petersburg: Russische Ermittler und Polizisten stehen am Tatort nach einer Explosion in einem Cafe. Ein russischer Kriegsberichterstatter ist am Sonntag bei einer Explosion in einem Cafe im Zentrum der russischen Ostseemetropole Sankt Petersburg ums Leben gekommen. Foto: ---/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Bei einer Explosion in einem Café in St. Petersburg wurden mindestens 30 Personen verletzt.
mdr pat, dpa, ---

Am Sonntag ist ein bekannter Militär-Blogger bei einem Attentat in einem Café in Sankt Petersburg getötet worden. Nach Angaben der russischen Behörden soll ihm eine mit Sprengstoff versehene Statuette überreicht worden sein – die Polizei hat nun eine Verdächtige festgenommen. Aber es gibt auch Stimmen, die vermuten, dass der Kreml selbst hinter dem Anschlag steckt.

Blogger stirbt, 30 Menschen wurden verletzt

April 2, 2023. - Russia, Saint-Petersburg. - Consequences of the explosion in the cafe Street Food Bar No. 1 on Universitetskaya embankment. As a result of the explosion, war correspondent Vladlen Tatarsky was killed. The IED that went off in the cafe was hidden in a figurine given to Tatarsky, law enforcement officials said. AlexanderxKulebyakin
Anschlag auf den russischen Militär-Blogger Wladlen Tatarskij: Der Tatort in St. Petersburg am Morgen danach
www.imago-images.de, IMAGO/Russian Look, IMAGO/Alexander Kulebyakin

Wladlen Tatarskij war ein Mann, der mit seinen Aussagen aneckte: Er unterstützte den Krieg Russlands gegen die Ukraine und war für seine flammende Kriegsrhetorik bekannt. Daraus machte er keinen Hehl. Der Blogger hatte zudem eine enorme Reichweite – mehr als eine halbe Million Menschen folgten Tataskij, der mit bürgerlichem Namen Maxim Fomin hieß. Nun ist er tot – ums Leben gekommen bei einem Sprengstoffanschlag.

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Das Attentat fand offenbar gezielt statt. Mehr als 30 Menschen wurden verletzt, getötet wurde nur Tatarskij. Wer hinter dem Anschlag steckt, darüber gibt es derzeit verschiedene Positionen. Moskau „zeigt mit dem Finger nach Kiew“, erklärt RTL-Korrespondent Rainer Munz. Andererseits deutet auch vieles auf einen „innerrussischen Konflikt“ hin.

Warnschuss gegen Unmut prorussischer Blogger ?

Es ist nicht der erste mysteriöse Todesfall seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022. Zwar haben die russischen Behörden mittlerweile eine Frau festgenommen, die Berichten zufolge einige Minuten vor der Detonation in dem Café aufgefallen sei – weitere Informationen sind aber bislang kaum bekannt.

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Experten gehen daher davon aus, das Attentat könnte auch von russischen Sicherheitskräften fingiert worden sein. Weil zuletzt immer mehr prorussische Kriegsblogger das Militär für seine schlechte Leistung kritisiert hatten, könnte die Tötung Tataskijs ein Warnschuss gewesen sein. Wegen der bisherigen Misserfolge in der Ukraine wuchs der Unmut über die Befehlshaber. Mit dem Attentat in Sankt Petersburg könnte der Kreml einen Warnschuss an diese Kritiker gerichtet haben.

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Größter Kritiker des russischen Militärapparates

Tataskij, könnten seine Forderung nach einer härteren Gangart nun zum Verhängnis geworden sein. Erst im September schlug er einen "präventiven Atomschlag" auf die Schlangeninsel vor, von der die russischen Truppen im Juli abgezogen waren. Er gehört zu den größten Kritikern des russischen Militärapparates und bezeichnete diesen immer wieder als zu wenig kompromisslos.

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Zugleich verherrlichte er den Krieg. Im In- und Ausland hat sich der 41-Jährige zahlreiche Feinde gemacht – insbesondere in der Ukraine. Nachdem Russland im vergangenen Jahr vier Regionen im Osten der Ukraine annektierte, veröffentlichte Tatarskij ein Video mit scharfer Kriegsrhetorik: „Wir werden jeden besiegen, jeden töten, jeden berauben, bei dem das nötig ist. Es wird alles so sein, wie wir es mögen.“

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Seither soll der Militärblogger, der selbst im Donbass geboren wurde, mit Drohungen aus der Ukraine konfrontiert gewesen sein. Beim Attentat in Sankt Petersburg gehen nun verschiedene Seiten von einem politisch motivierten Anschlag aus. Offen bleibt, aus welchem Spektrum die Drahtzieher stammen. Aus Russland? Oder doch aus der Ukraine?

Wagner-Chef vermutet "radikale Gruppe" hinter Anschlag

Bislang hat offiziell allerdings noch niemand das Attentat für sich proklamiert. Allerdings hat der Chef der russischen Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, eine klare Tendenz: „Ich würde nicht dem Regime in Kiew die Schuld geben an diesen Handlungen.“ Er vermutet hinter der Tötung Tatarskijs eine „radikale Gruppe“, die „kaum eine Beziehung zur Regierung (in Kiew) haben dürfte.“ Ob er damit auch russische Sicherheitskräfte meinte, ist offen.

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„Auch Prigoschin könnte man die rote Linie aufzeigen“, resümiert RTL-Korrespondent Rainer Munz. Zuletzt kritisierte der Wagner-Chef das Vorgehen russischer Streitkräfte ebenfalls öffentlich. Seine Gunst beim Kreml könnte durch solche Aussagen weiter sinken. Den getöten Blogger Tatarskij lobte Prigoschin als Patrioten. Das Café, in dem Tatarskij getötet wurde, gehörte übrigens Prigoschin. (rdr, dpa)

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