„Es war, als ob mir jemand ein brennendes Eisen auf die Stirn legt“Nach Hyaluron-Spritze: Mutter drohte zu erblinden
Melanie Kowalski (39) aus Bochum hatte einen Wunsch, den viele Frauen kennen: Sie wollte ihre Zornesfalte loswerden. Jene ungeliebte Stirnfalte zwischen den Augen, die einen immer ein bisschen grimmig aussehen lässt. Doch was sie dann erlebte, kam einem Albtraum gleich: Statt einer glatten Stirn bekam sie nach einer Faltenunterspritzung mit Hyaluronsäure unerträgliche Schmerzen. Zwischen ihren Augen verfärbte sich die Haut dunkel. „Es war, als ob die Haut innen und außen verbrennt", erinnert sich die zweifache Mutter.
Die junge Frau wurde ins St. Josef-Hospital nach Bochum verlegt. Dort bekam sie eine schreckliche Mitteilung: Nicht nur war ihre Haut zwischen den Augen völlig abgestorben, sie hätte durch die missglückte Behandlung sogar ihr Augenlicht verlieren können. Den unglaublichen Leidensweg der 39-Jährigen sehen Sie im Video.
„Botox ist viel ungefährlicher als Filler“
Behandlungen mit Hyaluronsäure sollen Falten glätten und aufpolstern, Lippen praller erscheinen lassen und Knitterfältchen im Dekolleté oder am Hals wegzaubern. Doch anders als bei Botox dürfen auch Laien die Injektionen setzen. Mit zum Teil fatalen Folgen - wie bei Melanie Kowalski. Denn wenn Hyaluronsäure aus Versehen oder aus Unkenntnis in ein Blutgefäß oder einen Nerv gespritzt wird, können neben Erblindungen auch Teile des Gewebes absterben, medizinisch Gewebsnekrose genannt.
Auch bei ihr war eine falsch gesetzte Hyalureninjektion die Ursache. „Der Filler ist versehentlich in ein Gefäß gelangt. Dieses Gefäß blockiert dann den Blutstrom. Ähnlich wie man das von einem Blutgerinnsel kennt. Durch die Verstopfung kann das dahinterliegende Gewebe nicht versorgt werden und stirbt ab“, erklärt Dr. Klaus Hoffmann, Leiter des Hautteams des St. Josef-Hospitals in Bochum, in dem die 39-Jährige behandelt wurde. Er selbst vermeidet die Region um die Nase bei der Behandlung mit Hyaluronsäure. Denn sie gehört zu den Hochrisiko-Zonen im Gesicht. Zu diesen zählen:
die Nase
die Schläfe
die Zornesfalte
„Das sind klassische Botox-Regionen“, erklärt der Dermatologe. „Botox ist viel ungefährlicher als Filler. Es lässt den Muskel erschlaffen und sorgt auch dafür, dass die Falten weggehen.“ Filler benutzt der erfahrene Dermatologe in diesen Regionen nur in Ausnahmefällen.
Risiko Faltenunterspritzung
Das Fatale ist: In Deutschland kann man diese Behandlung bei Kosmetikerinnen und Heilpraktikern durchführen lassen. Ohne jegliche Ausbildung werden diese Materialien injiziert. Ein Unding, findet Hoffmann. Und nicht nur er. Schon seit Längerem fordern medizinische Fachverbände eine spezielle Zusatzausbildung für behandelnde Ärzte. Vor allem für den Fall wenn etwas schief läuft, erklärt der Facharzt. „Denn das ist eben nichts, was man in einem Medizinstudium lernt, sondern eine Extra-Ausbildung.“
Daran erkennen Sie einen seriösen Anbieter
Wie finde ich einen seriösen Arzt/Ärztin?
Die Deutsche Gesellschaft für ästhetische Botulinum und Filler (DGBT) ist eine Dachgesellschaft, für Dermatologen, plastische Chirurgen und Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen. Dort findet man weit über 1.000 Ärzte, die eine spezielle Ausbildung absolviert haben. Über die Ärztesuche findet man auch speziell ausgebildete Ärzte in der eigenen Region, empfiehlt Hoffmann.
Worauf muss ich beim Erstgespräch achten?
Achten Sie darauf, dass der behandelnde Arzt sich beim Aufklärungsgespräch Zeit für Sie nimmt. Wird Druck auf Sie ausgeübt, irgendwo schnell zu unterschreiben, sollten direkt alle Alarmglocken läuten.
Sie erhalten einen schriftlichen Aufklärungsbogen, auf dem die Informationen und auch die möglichen Risiken schriftlich festgehalten sind. Lassen Sie sich genügend Zeit, sich das Dokument in Ruhe durchzulesen, bevor Sie unterschreiben und fragen Sie, wenn Ihnen etwas unklar ist.
Fragen Sie nach, welche Materialien verwendet werden
„Die verwendeten Materialien sollten sowohl die Zulassung der europäischen Behörden, die sogenannte medizinische CE als auch die amerikanische Zulassung haben. Der Hintergrund: Die Europäer haben ihre Zulassungsordung eben erst verschärft, sodass sie erst ab Mai 2020 greift. Bis dahin sind noch jede Menge Materialien mit schlechten Zulassungen im Markt. Deswegen sollte das verwendete Material unbedingt eine medizinische CE als auch die amerikanische FDE-Zulassung haben“, erklärt Hoffmann.
„Sucht euch einen professionellen Arzt“
Die Anzahl minimal-invasiver Schönheitseingriffe in Deutschland ist auch im vergangenen Jahr weiter gestiegen. Und auch die Anzahl der Operationen, bei denen etwas schief läuft. Bis zu zehn Patienten am Tag behandelte allein das Team um Dr. Klaus Hoffmann im Jahr 2018. Hintergrund, so der Experte, sei ein sich durch Social Media veränderndes Schönheitsbild. „Wir leben in einer Instagram-Welt. Jeder ist ein Star. Und es wird suggeriert, eine Falten-Unterspritzung sei ganz einfach und unproblematisch. Viele, die es als Laien spritzen, wissen möglicherweise gar nicht, welche Katastrophen sie auslösen können.“
Katastrophen, wie die zweifache Mutter aus Bochum sie erlebte. Noch heute fragt sie sich, was passiert wäre, hätte sie tatsächlich bei der Behandlung das Augenlicht verloren. „Wenn ich daran denke, dass ich meine beiden Kinder nicht hätte aufwachsen sehen können, ich weiß nicht, was ich gemacht hätte.“ Für alle, die sich überlegen, sich einer Schönheitsbehandlung zu unterziehen hat Melanie einen Rat: „Sucht euch einen professionellen Arzt. Im Zweifelsfall fragt mehrere Ärzte nach ihrer Meinung. Und geht nicht zu einem Kosmetiker oder Heilpraktiker.“
Woran Sie einen guten plastischen Chirurgen erkennen, erfahren Sie hier.
Im Video: Falsche Heilpraktikerin spritzte Lippen auf
Duygu Ö. spritzte Tausenden Menschen Hyaluronsäure ins Gesicht – teils mit fatalen Folgen.