200.000 statt der der erlaubten 10.000 Besucher am Wallfahrtsort Meron?

Massenpanik in Israel: "Ich habe gesehen, wie die Menschen um mich herum sterben"

Es ist eines der schlimmsten Unglücke in der Geschichte Israels: Mindestens 45 Menschen sind bei einer Massenpanik auf einem religiösen Fest ums Leben gekommen, über 100 wurden verletzt. Selbst hartgesottene Rettungskräfte sind von dem Anblick der Zustände auf auf dem Meron-Berg schockiert und sprechen von einer „unfassbaren Katastrophe“. Obwohl Behörden nur 10.000 Menschen für das Fest Lag Baomer zugelassen hatten, sollen Medienberichten zufolge zwischen 100.000 und 200.000 Menschen auf dem Berg gewesen sein. Überlebende berichten von traumatischen Szenen.

RTL-Reporterin berichtet aus Israel: Schuldfrage und erschreckende Augenzeugen-Berichte

Das Fest im Norden des Landes war die erste größere Veranstaltung in Israel seit Beginn der Corona-Pandemie. Im vergangenen Jahr war es abgesagt worden, um zu verhindern, dass sich die Menschen massenweise anstecken. Entsprechend groß war der Andrang in diesem Jahr. In sozialen Medien finden sich viele Videos des Ereignisses. Eine riesige Menschenmenge tanzt, lacht, singt und springt.

Es ist schon tiefe Nacht, als Panik ausbricht. Ersten Erkenntnissen zufolge kommen Menschen auf einer abschüssigen Rampe mit Metallboden und Wellblech-Trennwänden auf beiden Seiten ins Rutschen. Die Feiernden stehen so dicht gedrängt, dass sie übereinander fallen, die Situation gerät sofort außer Kontrolle. Notfalltüren lassen sich Medienberichten zufolge nicht öffnen.

Die Menschen fielen übereinander und starben

Shahar Baranes ist mittendrin, als Panik ausbricht. „Die Leute fielen auf mich drauf. Ich habe keine Luft mehr bekommen, wurde verletzt. Immer mehr Menschen fielen hin“, erzählt der 19-Jährige RTL. Seine Beine werden verletzt, er muss albtraumhafte Szenen mit ansehen. „Ich habe gesehen, wie die Menschen um mich herum sterben. Sie waren blau, haben sich nicht mehr bewegt. Andere waren schwer verletzt.“

Seine Mutter bekommt um 2 Uhr nachts einen Anruf, ihr Sohn sei im Krankenhaus. „Ich war geschockt, wusste nicht, was los ist. Dann habe ich mit ihm gesprochen und er weinte, meinte, er wäre fast gestorben“, sagt Ilana Baranes.

Ein anderer Verletzter im Krankenhaus erzählt im Fernsehen, er sei schon sehr lange auf dem Fest gewesen und habe nach Beginn der Zeremonie gehen wollen. „Es war ein großes Gedränge, weil viele andere Menschen auch gehen wollten. Da war eine Metallrampe, die meiner Meinung nach nicht breit genug war und zu gefährlich“, sagt der bärtige Mann. „Wir waren sehr viele und der Druck war groß. Plötzlich riefen die Leute, dass jemand gefallen sein könnte und wir fielen auf ihn und rollten übereinander. Am Ende der Rampe stürzte ich, mein Torso war zwischen anderen Menschen eingeklemmt. Das rettete mir wohl Gott sei Dank das Leben. Mein Beine steckten zwischen anderen Menschen fest, ich fühlte etwas, wie ein „Knack“, als wenn mein Bein gebrochen wäre. Ich hatte Angst, ich würde bluten.“

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Chaos im Norden Israels: Augenzeugen machen Polizei Vorwürfe

30.04.2021, Israel, Meron: Israelische Sicherheitsbeamte und Rettungskräfte stehen neben den Leichen der Opfer, die während Feierlichkeiten zum jüdischen Feiertag Lag BaOmer auf dem Berg Meron gestorben sind. Bei einer Massenpanik auf einem jüdischen Fest im Norden Israels sind nach Angaben von Rettungskräften mindestens 38 Menschen ums Leben gekommen. Foto: Ishay Jerusalemite/Behadrei Haredim/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Dutzende Tote bei Massenpanik auf Fest in Meron
OB ost, dpa, Ishay Jerusalemite

In den Morgenstunden wurden erste Vorwürfe gegen die Polizei laut. Augenzeugen warfen der Polizei vor, sie habe Leute in das abgesperrte Areal gelassen, obwohl es schon extrem voll gewesen sei. Nach Beginn der Panik habe die Polizei dann nicht schnell genug Ausgänge auf der anderen Seite geöffnet, so die Kritik. Insgesamt waren rund 5.000 Sicherheitskräfte im Einsatz.

Ein Sprecher des Rettungsdienstes Zaka sagte im Fernsehen, vor Ort herrsche Chaos. Viele Kinder seien von ihren Eltern getrennt worden. Man bemühe sich, sie wieder zusammenzuführen. "Ich bin seit mehr als 20 Jahren beim Rettungsdienst, so etwas habe ich noch nie gesehen", sagte der Sprecher. "Das sind unfassbare Zahlen." Auch ein Sanitäter berichtete, er habe Schreckliches mit ansehen müssen.

Was wird beim jüdischen Fest Lag Baomer gefeiert?

29.04.2021, Israel, Meron: Menschen versammeln sich und feiern den jüdischen Feiertag Lag BaOmer auf dem Berg Meron. Bei einer Massenpanik auf einem jüdischen Fest im Norden Israels sind nach Angaben von Rettungskräften mindestens 38 Menschen ums Leben gekommen. Foto: David Cohen/JINI via XinHua/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Tausende Menschen feierten das Lag-Baomer-Fest in Nord-Israel
ost, dpa, David Cohen

Lag Baomer ist ein Fest, bei dem unter anderem an den jüdischen Aufstand gegen die römischen Besatzer unter Rebellenführer Bar Kochba erinnert wird. Er war im Jahre 132 ausgebrochen und rund drei Jahre später niedergeschlagen worden. Der Überlieferung nach endete an dem Tag von Lag Baomer eine Epidemie, an der damals zahlreiche jüdische Religionsschüler gestorben waren.

Rabbi Schimon Bar Jochai, der auch an dem Aufstand gegen die Römer beteiligt war, liegt auf dem Meron-Berg begraben. Sein Grab ist ein Wallfahrtsort, den an dem Feiertag jedes Jahr Tausende besuchen. Traditionell werden dann auch Lagerfeuer angezündet. Im vergangenen Jahr waren die Feiern wegen der Corona-Pandemie stark eingeschränkt worden. Doch inzwischen sind die Infektionszahlen deutlich gesunken und die Regeln wieder gelockert worden.