Viele Frauen sind betroffen
Nur übergewichtig oder schon krank? Wie ihr erkennt, ob ihr unter einem Lipödem leidet
Hartnäckige Fettpolster, die einfach nicht verschwinden wollen.
Kommt euch das bekannt vor? Wenn weitere Symptome hinzukommen, könnte das auf die Volkskrankheit Lipödem hinweisen. Was ihr über die Fettverteilungsstörung wissen müsst, hat uns Gefäßchirurg Prof. Dr. Ulrich Wolters verraten. Zudem beantwortet Dr. David Benjamin Christel, ärztlicher Direktor einer Fachklinik für Lipödem und Lymphödem, oft gestellte Fragen – etwa, ob die Krankheit vererbt wird. Die Antwort gibts oben im Video.
Schmerzhafte Fettpolster: Die Symptome eines Lipödem
Es brennt, schmerzt, kribbelt oder juckt, meist in den Beinen: Fast ausschließlich Frauen sind von der Fettverteilungsstörung namens Lipödem betroffen, jede zehnte Frau leidet – sowohl körperlich als auch seelisch. Viele Betroffene sind sich einig: Ihre Lebensqualität wird enorm von der Krankheit beeinträchtigt.
Viele Frauen bemerken bereits in der Pubertät, dass etwas nicht stimmt. Denn trotz Sport und gesunder Ernährung bilden sich Fettpolster und die betroffenen Stellen pulsieren oder schmerzen.
Zu den traditionellen Behandlungsmethoden zählen das Tragen einer Kompressionsstrumpfhose oder medizinische Massagen wie die Lymphdrainage. Mit diesen „konservativen Therapien“ müsse man lauf Prof. Dr. Ulrich Wolters, Gefäßchirurg am Zentrum für Gefäßerkrankungen in Köln, starten.
Sie bringen jedoch oft relativ wenig: Nur 40 Prozent der Betroffenen reagieren darauf. Es gebe etwa 60 Prozent „Therapieversager“, bei denen die Beine am Ende unverändert bleiben, so Wolters.
Die Frage ist nur: Wann habe ich einfach nur „kräftigere“ Arme oder Beine – und wann steckt wirklich eine Erkrankung dahinter?
Dick oder krank? Wie sich ein Lipödem bemerkbar macht
Das zu erkennen sei ein „schwieriges Problem“, da es noch viel Unwissenheit auf dem Gebiet Lipödem gebe, wie der Mediziner erklärt. „Viele Patienten sehen als Erstes eine Vermehrung des unteren Fettgewebes und versuchen dann alles, um dagegen zu steuern.“
Sie versuchen, das Problem mit Diäten und viel Sport in den Griff zu kriegen. Das führe laut dem Experten allerdings dazu, dass die Patientinnen irgendwann frustriert sind, „weil das Lipödem der Definition nach ja unabhängig von solchen Maßnahmen ist.“
Heißt: Man kann so viel Gemüse essen und sich im Fitnessstudio verausgaben, wie man will – beim Lipödem bringt das herzlich wenig. Besonders frustrierend sei es, wenn Betroffene dann auch noch vermeintlich „gute Tipps“ bekommen, wie zum Beispiel „Nimm endlich mal ab!“ oder „Mach viel Sport!“, so Wolters.
Wichtig: Wenn zu der Vermehrung des unteren Fettgewebes auch noch Berührungsempfindungsstörungen, Berührungsschmerzen, generelle Schmerzen, zum Beispiel an den Beinen, oder spontane Blutergüsse auftreten, dann solle man durchaus an die Fettverteilungsstörung denken, erklärt der Mediziner.
Trotz Kompressionsstrumpfhose und Co.: Bei Lipödem hilft meist nur eine OP
Der endgültige Ausweg – vor allem, wenn die Kompressionsmaßnahmen nichts gebracht haben – ist dann meist nur noch eine Liposuktion, eine Operation, bei der das Fett abgesaugt wird. Hier werden die krankhaften Fettwülste entfernt und somit die Schmerzen gelindert. Doch die kostet mehrere Tausend Euro. Und die Kosten werden in der Regel nicht von den Krankenkassen übernommen, sondern erst dann, wenn die Krankheit weit fortgeschritten, sprich im dritten Stadium, ist. Es ist ein langer und leidvoller Weg.
Doch warum springen die Krankenkassen erst so spät ein? Dr. David Benjamin Christel erklärt, dass dies mit der aktuell noch wenig fortgeschrittenen Forschungslage zusammenhängt. Er hat die Hoffnung, dass eine aktuelle Studie, die noch bis Ende des Jahres läuft, Besserung bringt. „Da kann sich tatsächlich noch etwas verändern! Denn bisher steht nicht eindeutig fest, dass die Liposuktion der Goldstandard ist”, so Dr. Christel. Werde das nun festgestellt, sähe die Behandlung in Zukunft anders aus.
Gefäßchirurg: „Eigentlich müsste man den Patientinnen früher helfen!"
Es wäre zu hoffen. Denn dass die Krankenkassen die Patientinnen erst ab dem dritten Stadium finanziell unterstützen oder eine OP gänzlich bezahlen, ist für viele Betroffene schmerzhaft und auch laut Gefäßchirurg Wolters durchaus kritisch: „Ich meine, dass das Stadium drei ja genau das Stadium ist, was es zu verhindern gilt. Denn das ist in der Regel therapieresistent oder nur durch sehr aufwändige plastische Operationen noch in den Griff zu kriegen. Insofern wäre es sinnvoller gewesen, früher einzugreifen oder zu sagen, im Stadium eins oder zwei wird behandelt.“