Ein Leben mit Schmerzen

Horror-Diagnose mit 19: Kimberly kämpft gegen die Krankheit Lipödem

von Annabelle Strecker

Schon früh merkt Kimberly aus Kassel, dass mit ihrem Körper etwas nicht stimmt. Ihre Beine werden immer dicker und die kleinsten Bewegungen sind von Schmerzen geprägt. Mit gerade einmal 19 Jahren erhält sie dann die Horror-Diagnose Lipödem. Wie die Krankheit das Leben der heute 22-Jährigen verändert hat und was sie tut, um dagegen anzukämpfen, sehen Sie im Video.

Der Kampf mit den Vorurteilen

Kimberly mit 15 Jahren.
Kimberly mit 15 Jahren.
Privat/Kimberly

Ein Rückblick ins Jahr 2013: Kimberly ist 13 Jahre alt, bewegt sich viel und treibt regelmäßig Sport im Verein. Doch ihre Arme und Beine werden immer dicker, während der Bauch flach und schlank bleibt. Kimberly verstand damals nicht, was mit ihrem Körper los ist und versuchte mit extremem Sport und zahlreichen Diäten dagegen anzukämpfen. Teilweise ging sie bis zu zweimal am Tag ins Fitnessstudio, doch ihr Körper veränderte sich einfach nicht zurück ins Positive.

Lesetipp: Wann ist es ein Lipödem und wann einfaches Fett?

Zusätzlich zu der großen Unsicherheit wurde sie mit zahlreichen Vorurteilen konfrontiert und gemobbt. Vor allem die Schulzeit war geprägt davon: „Wenn wir so Aufgaben hatten, wie vom Beckenrand zu springen, wurde darüber gelacht, dass dann ja kein Wasser mehr im Becken gewesen wäre. Und das sind halt so Sachen, wenn man 13 ist und so was hört, macht das echt viel mit einem“, erzählt uns die heute 22-Jährige aus Kassel.

Eine Diagnose, die das Leben verändert

Das erste Bild von Kimberly, nachdem sie die Diagnose Lipödem erhalten hat.
Das erste Bild von Kimberly, nachdem sie die Diagnose Lipödem erhalten hat.
Privat/Kimberly

2019 mit 19 Jahren erhält Kimberly dann endlich die Diagnose Lipödem. Nach über fünf Jahren hat sie eine Erklärung dafür, was mit ihrem Körper los ist: Sie leidet an einer Fettverteilungsstörung. Die Diagnose ist für Kimberly wie ein Befreiungsschlag. Sie weiß jetzt, dass sie keinen Einfluss auf die Veränderungen ihres Körpers hat und kann mit den fiesen Kommentaren und dem Mobbing abschließen.

Gleichzeitig macht die Diagnose Kimberly aber auch große Angst: „Das war halt auch so ein Schlag. Oh Gott, du bist chronisch krank und das geht jetzt nie wieder weg. Egal, was ich mache, diese Krankheit ist für immer ein Teil von meinem Leben und vielleicht habe ich für immer Schmerzen und bin für immer eingeschränkt“.

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Die Krankheit kennenlernen

 Hannover, 04.02.2019 : Schönheitschirurg Dr. Slobodan Reba operiert Patientin Nadine S. 25 mit Lipödem an den Armen. Bei der OP am rechten Arm hat der Dr. bereits über 6Kg aus dem Arm gesaugt. In der 3-Stündigen OP wird diesesmal sogar noch mehr erwartet. Hannover Niedersachsen Deutschland *** Hanover, 04 02 2019 Plastic surgeon Dr Slobodan Reba operates on patient Nadine S 25 with lipedema on her arms During the operation on her right arm, the Dr has already sucked more than 6 kg out of her arm In the 3 hour operation, even more is expected this time Hanover Lower Saxony Germany
Hier findet eine Liposuktion an den Armen statt.
IMAGO / Tobias Wölki

Nachdem Kimberly ihre Diagnose erhalten hat, fängt sie an, viel zu lesen und zu recherchieren. Sie nimmt regelmäßig an den Gruppentreffen der Selbsthilfegruppe „Lily-Belles Nordhessen“ teil und tauscht sich mit anderen Betroffenen aus.

Die krankhafte Fettverteilungsstörung tritt fast ausschließlich bei Frauen auf. Oft ist eine hormonelle Umstellung wie die Pubertät, eine Schwangerschaft oder die Wechseljahre der Auslöser. Erste Symptome sind oft Schmerzen und Spannungsgefühle in den Beinen, die Neigung zu blauen Flecken oder eine schnelle Erschöpfung. In Deutschland sind circa 3,8 Millionen Frauen von der Krankheit betroffen. Trotzdem wird das Lipödem oft als Modekrankheit betitelt und die Behandlung wird von den Krankenkassen oft nur geringfügig unterstützt.

Behandlungen, die von den Krankenkassen unterstützt werden, sind Lymphdrainagen oder das tragen von Kompressionsstrümpfen. Wirklich helfen kann aber oft nur eine Liposuktion. Bei der Operation werden die überschüssigen Fettzellen entfernt, beziehungsweise abgesaugt.

Kimberly kritisiert Krankenkasse

Für Kimberly steht schnell fest, dass die konservativen Behandlungsmethoden sie nicht weiter bringen. Ihre Schmerzen werden nicht besser und das krankhafte Fett wuchert immer weiter. Sie entscheidet sich dazu, sich einer Operation zu unterziehen und stellt einen Antrag für eine Kostenübernahme bei ihrer Krankenkasse. Schnell kommt die Ablehnung. Diese begründet die Krankenkasse damit, dass die ambulanten Maßnahmen bei Weitem nicht ausgeschöpft worden wären. Die Kompressionsstrümpfe wären nur einmalig verordnet worden, eine Lymphdrainage hätte nur drei Monate stattgefunden und eine Entstauungstherapie wäre nicht beantragt worden.

Lesetipp: Lipödem-Operation: So verläuft die Amputation der krankhaften Fettansammlung ab

Diese Begründung ist für Kimberly nicht nachvollziehbar: „Jede Patientin reagiert unterschiedlich auf die Therapiemöglichkeiten und ich habe halt bei mir festgestellt, dass die Kompression mir schon eine Last abnimmt, aber immer noch nicht genug, dass ich meine Lebensqualität zurückbekomme und auch die Lymphdrainage hat für eins-zwei Stunden gut getan, aber ich hatte nicht den Effekt, dass ich hätte sagen können, okay, ich komme nur damit hin, eine Lymphdrainage und Kompression in Anspruch zu nehmen.“

Kimberly entschließt sich dazu, die Operationen trotzdem zu machen. Drei Stück hatte sie davon bereits. Zahlen musste sie diese alle aus eigener Tasche. Das kostet die damals 21-Jährige insgesamt circa 15.000 Euro. Um sich das zu leisten, muss Kimberly auf viele andere Dinge verzichten.

Die Schmerzen sind noch da

Kimberly direkt nach der ersten Operation.
Kimberly direkt nach der ersten Operation.
Privat/Kimberly

Die bisherigen Operationen haben bei Kimberly zwar für eine Besserung gesorgt. Sie hat aber immer noch Schmerzen, weswegen sie sich auch weiteren Operationen unterziehen möchte. Bei Schönheitschirurg Dr. Noah lässt sich Kimberly beraten, wie viele Operationen noch nötig sein werden, um endlich wieder ein schmerzfreies Leben zu haben.

„Weil es eine symptombezogene Krankheit ist, können wir nur die Symptome bekämpfen und Symptome heilen. Wir haben wirklich gute Erfahrungen, dass die Fettabsaugung den Druck aus dem Gewebe nimmt und die Patientinnen nicht mehr solche Schmerzen haben. Fettabsaugungen werden natürlich oft als ästhetische Operation gleichgesetzt, aber im Lipödem-Bereich ist es eine therapeutische Absaugung. Den richtigen Lipödem-Patientinnen kommt es später nicht mehr auf das Aussehen an“, erklärt Dr. Noah.

Seit 2019 übernehmen die Krankenkassen die Kosten für eine Liposuktion für Lipödem-Patientinnen, die sich im Stadium drei befinden. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat außerdem eine Erprobungsstudie für Patientinnen in Stadium I und II, in Auftrag gegeben. Die Studie läuft noch bis Ende 2026. Danach soll über weitere Versorgungsmöglichkeiten zulasten der Krankenkassen entschieden werden.

Lesetipp: Krankenkassen übernehmen künftig Fettabsaugung für schwer kranke Frauen

Bis dahin kann und möchte Kimberly nicht warten. Die nächsten Operationstermine stehen schon fest. Auch wenn sie die Eingriffe wieder selbst bezahlen werden muss, gibt sie nicht auf, bis sie endlich wieder ein schmerzfreies Leben führen kann.