Von Hamburg nach Irland bis in den Sudan und die USAFür immer verbunden? Das wurde aus diesen vier siamesischen Zwillingspaaren

Carmen und Lupita Andrade sind siamesische Zwillinge
Carmen und Lupita Andrade sind siamesische Zwillinge, die noch immer miteinander verbunden sind. Sie leben ihr Leben wie andere Menschen in ihrem Alter auch - mit viel Humor und Freude.
Instagram / andrade_glupe

Sie teilen eine tiefe Verbundenheit – und wichtige Teile ihres Körpers!
Immer wieder faszinieren uns die Geschichten siamesischer Zwillinge, die heute in erster Linie verbundene Zwillinge genannt werden. Wie sinnvoll ist in Einzelfällen die operative Trennung? Wie lebt es sich, wenn man sich bestimmte Organe teilen muss und gemeinsam älter wird? Wir haben vier spektakuläre Fälle zusammengetragen.
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Hamburg: Zwillingsmädchen an Bauchwand und Leber verbunden

Getrennt aber immer noch zusammen: Die Mädchen erholen sich gut nach der Geburt.
Getrennt aber immer noch zusammen: Die Mädchen erholen sich gut nach der Geburt.
Privat

Im Hamburger Universitätsklinikum erblicken im August 2023 in der 33. Schwangerschaftswoche Zwillingsmädchen das Licht der Welt. So weit, so normal. Aber: Die Geburt bedarf aufwendiger medizinischer Planung, denn: Es handelt sich bei den beiden um siamesische Zwillinge, die an der Bauchwand und der Leber miteinander verbunden sind!

Schnell wird klar, dass eine trennende Operation durchgeführt werden muss. Das Gute: Die Mädchen sind aus medizinischer Sicht ein Idealfall, da sie jeweils alle lebenswichtigen Organe besitzen.

Einige Monate später und nach einem vierstündigen medizinischen Eingriff werden die Zwillingsmädchen erfolgreich voneinander getrennt. Im Oktober werden sie aus dem Krankenhaus entlassen. Und: Sie erholen sich prächtig von der Operation.

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Ritaj und Rital Gaboura aus dem Sudan waren am Kopf zusammengewachsen

Vor 13 Jahren ist die Chance, dass die beiden am Kopf zusammengewachsenen Zwillinge aus dem Sudan die komplizierte Trennungsoperation überleben würden, alles andere als hoch. Weil sich die Schwestern eine Kopfhaut, einen Schädel und eine Blutversorgung teilen, besteht ein hohes Trennungsrisiko. Die Eltern, Enas und Abdelmagid Gaboura, beides Ärzte, stimmen jedoch für die lebensgefährliche Operation.

Mit Erfolg, denn: Ritaj und Rital Gaboura zeigen es allen! Nachdem sie sich im Jahr 2011 mehreren medizinischen Eingriffen unterziehen müssen, leben die beiden heute das Leben zweier völlig normaler Teenie-Mädels. Aber: Weil Rital Autistin ist und mit Lernschwierigkeiten zu kämpfen hat, zieht die Familie 2016 aus dem Sudan nach Irland, um das Mädchen dort bestmöglich unterstützen zu können.

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Noch immer verbunden! Carmen und Lupita Andrade aus den USA sind am Brustkorb zusammengewachsen

Aufgepasst! Auch wenn einige verbundene Zwillinge getrennt werden, ist das nicht immer möglich. Zum Beispiel, wenn eine Operation zu riskant ist, wie bei Carmen und Lupita Andrade aus dem US-Bundesstaat Connecticut. Die beiden sind mittlerweile 22 Jahre alt – und noch immer miteinander verbunden. Sie haben jeweils zwei Arme, je ein Bein und sind am Brustkorb zusammengewachsen.

Als Schwestern ist man sich nah, als Zwillingsschwestern nochmal mehr. Wie mag es sich anfühlen, wenn man sich auch noch einen Körper teilt? Die Andrade-Mädels stört das keineswegs. Im Gegenteil: Sie sind stolz darauf, wie sie ihr Leben gemeinsam meistern und gewähren via Social Media Einblicke in ihr Alltagsleben.

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Auch Callie und Carter Torres aus den USA sind immer noch miteinander verbunden

Schon in der achten Schwangerschaftswoche erfährt Chelsea Torres aus dem US-Bundesstaat Idaho, dass sie und ihr Mann Nick verbundene Zwillinge erwarten. Obwohl die Überlebenschance der beiden Mädchen damals sehr gering ist, trotzen Callie und Carter ihrem Schicksal – und sind mittlerweile muntere Sechsjährige, die ihre Kindheit genießen. Gemeinsam.

Noch heute wäre eine Trennungsoperation riskant, denn: Jede von ihnen hat zwar ihr eigenes Herz und ihren eigenen Magen. Aber da sie vom Brustbein abwärts zusammengewachsen sind, teilen sie sich andere wichtige Organe wie Leber, Darm und Blase. Jedes der Kinder kann zudem ein Bein und zwei Arme kontrollieren.

Auf Social Media dokumentiert Mutter Chelsea den Familienalltag mit siamesischen Zwillingen und beantwortet interessierte Fragen der Zuschauer, zum Beispiel wie man passende Kleidung findet. Dadurch möchte sie aufklären und mehr Aufmerksamkeit sowie Offenheit für andere betroffene Familien generieren.

Was sind eigentlich siamesische Zwillinge? Und darf ich den Begriff noch nutzen?

Verbundene oder, wie man zuvor sagte, siamesische Zwillinge sind eineiige Zwillinge, bei denen sich in der frühen Entwicklung die befruchtete Eizelle nicht vollständig in zwei eigenständige Embryos geteilt hat. Daher bleiben sie während der Schwangerschaft und auch danach körperlich miteinander verbunden. Die Angaben, wie viele verbundene Zwillinge es gibt, sind sehr unterschiedlich und schwanken von 1:50.000 bis 1:200.000. Ihre Überlebenschancen sind sehr gering: Auf eine Million Geburten kommen in etwa nur einmal lebensfähige Kinder zur Welt.

Sollte man heute noch von siamesischen Zwillingen sprechen? Der Tod der berühmten siamesischen Zwillinge, Chang und Eng Bunker aus Siam, dem heutigen Thailand, liegt nun schon mehr als 150 Jahre zurück. Dennoch hält sich der Begriff, vor allem im alltäglichen Sprachgebrauch.

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In der Wissenschaft gibt es hingegen einige Bemühungen, nicht mehr von siamesischen Zwillingen zu sprechen, wo das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) erst kürzlich in einer Pressemitteilung drauf hinwies. In der Fachliteratur werde seit geraumer Zeit von verbundenen Zwillingen (conjoined twins) gesprochen.

Sprachwissenschaftler Dr. Anatol Stefanowitsch erklärte im RTL-Interview: „Es ist nie optimal, medizinische Probleme nach Ländern zu benennen, denn eine Krankheit hat natürlich keine Nationalität. Bei den siamesischen Zwillingen kommt hinzu, dass verbundene Zwillinge keineswegs etwas typisch siamesisches wären — die verbundenen Zwillingsbrüder Chang und Eng Bunker kamen zwar aus Siam, aber sie waren weder das erste dokumentierte Zwillingspaar dieser Art, noch ein besonders typisches. Sie waren nur sehr bekannt.“ Daher empfiehlt auch er, eher den Begriff verbundene Zwillinge zu nutzen. (akr/mjä/lkö/vdü)