Eng und Chang Bunker hatten 21 KinderWegen dieser Brüder gibt es die Bezeichnung „siamesische Zwillinge“

Wisst ihr, warum man umgangssprachlich oft von „siamesischen Zwillingen“ spricht?
Hintergrund sind die Zwillingsbrüder Chang und Eng Bunker, die vor mehr als 200 Jahren geboren wurden – in Siam, dem heutigen Thailand. Sie waren die ersten miteinander verbundenen Zwillinge, die weltweit Bekanntheit erlangten. Wie es dazu kam, wie ihr Leben aussah und warum ihr den Begriff „siamesische Zwillinge“ mit Vorsicht verwenden solltet.
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Eng und Chang Bunker: Die „siamesischen Zwillinge" werden 1811 im heutigen Thailand geboren
Am 11. Mai 1811 werden in der Provinz Samutsongkram in der Nähe von Bangkok im Königreich Siam (dem heutigen Thailand) zwei außergewöhnliche Brüder geboren. Die Zwillinge sind am Brustbein miteinander verbunden. Später stellt man fest, dass auch ihre Lebern miteinander verschmolzen sind. Die Eltern nennen ihre Söhne In und Jun – und wollen ihnen ein normales Leben ermöglichen. In und Jun lernen alles, was andere Kinder auch lernen: Sie laufen, schwimmen, fahren mit dem Boot raus, wie ihr Vater, ein Fischer.
Ihr Leben ändert sich radikal, als sie mit 17 Jahren Robert Hunter treffen. Der Schotte lebt damals, im Jahr 1829, in Bangkok. Eines Tages sieht der Kaufmann Berichten zufolge die Zwillinge schwimmen – und sieht in ihnen Potenzial, Geld zu verdienen. Er bezahlt die Eltern der Kinder dafür, dass er ihre Söhne mit auf Welttournee nehmen darf. Er möchte sie als Kuriosität „ausstellen“. So absurd und menschenverachtend das heute für uns wirkt – im 19. Jahrhundert waren „Freakshows“ und „Abnormitätenschauen“ weitverbreitet.
Das Interesse an den Zwillingen war groß, vor allem die medizinischen Details faszinierten die Öffentlichkeit – etwa die Tatsache, dass wegen der verbundenen Leber immer beide betrunken wurden, auch wenn nur einer der beiden Alkohol konsumierte.
Zehn Jahre reisten die Zwillinge mit Hunter umher – bis sie sich schließlich in den USA niederließen.
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Das spätere Leben der am Brustkorb verbundenen Zwillinge - sie bekommen 21 Kinder!

Sie benennen sich um in Chang und Eng Bunker und ziehen 1839 auf eine Farm im US-Bundesstaat North Carolina. Dort heiraten sie vier Jahre später die Schwestern Adelaide und Anne Yates – und gründen Familien. In dem 2014 erschienen Buch „The Lives of Chang and Eng“ von Joseph Andrew Orser 2014 heißt es, sie hätten gemeinsam in einem extragroßen Ehebett geschlafen, die Ehefrauen jeweils am Rand. Chang und Adelaide werden Eltern von elf Kindern. Eng und Sarah bekommen zehn.
Das Liebesleben der Zwillinge erregt durchaus Aufsehen. So schreibt etwa der Spiegel, dass Nachbarn erbost waren und Chang und Eng einmal die Einreise nach Frankreich verboten wurde, da man eine „erotische Wirkung der Zwillinge“ fürchtete.
Am 17. Januar 1874 stirbt Chang an einer Bronchitis, während die Brüder schlafen. Berichten zufolge sei Eng aufgewacht und habe gerufen: „Dann werde ich jetzt auch gehen“. Eng stirbt zwei Stunden nach Chang.
Sollte man heute noch von „siamesischen Zwillingen" sprechen?
Der Tod der „siamesischen Zwillinge“ ist damit nun schon mehr als 150 Jahre her. Dennoch hält sich der Begriff, vor allem im alltäglichen Sprachgebrauch. In der Wissenschaft gibt es hingegen einige Bemühungen, nicht mehr von siamesischen Zwillingen zu sprechen.
Darauf wies beispielsweise kürzlich das Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) hin. „Der Begriff ‚siamesische‘ Zwillinge wird heute nicht mehr verwendet“, heißt es in einer Pressemitteilung. Und: „In der Fachliteratur wird seit geraumer Zeit von verbundenen Zwillingen (conjoined twins) gesprochen.“
Das ist jedoch vor allem auf den englischen Sprachraum bezogen, betont Sprachwissenschaftler Dr. Anatol Stefanowitsch. Er erklärt im Gespräch mit RTL: „Der Begriff ‚siamesische Zwillinge‘ findet sich sowohl in aktuellen Lehrwerken zur Chirurgie, Geburtshilfe usw. als auch in der aktuellen Forschungsliteratur, wo er deutlich häufiger verwendet als die Alternative ‚verbundene Zwillinge‘.“
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Besser: „verbundene Zwillinge" als „siamesische Zwillinge"
Dennoch empfiehlt auch er, eher den Begriff „verbundene Zwillinge“ zu nutzen. Warum? Dieser sei präziser und umgehe mehrere Probleme.
„Es ist nie optimal, medizinische Probleme nach Ländern zu benennen, denn eine Krankheit hat natürlich keine Nationalität. Bei den „siamesischen Zwillingen“ kommt hinzu, dass verbundene Zwillinge keineswegs etwas typisch siamesisches wären — die verbundenen Zwillingsbrüder Chang und Eng Bunker kamen zwar aus Siam, aber sie waren weder das erste dokumentierte Zwillingspaar dieser Art, noch ein besonders typisches. Sie waren nur sehr bekannt.“
Das Risiko, jemanden mit dem Begriff zu diskriminieren, sei zwar relativ gering, da das Königreich Siam nicht mehr existiert. Falls ihr aber kein Risiko eingehen wollt: Nutzt einfach „verbundene Zwillinge“ – das ist eine gute und vor allem präzise Alternative.