Fahrangst-Coach gibt TippsAmaxophobie - wenn Autofahren zur Hölle wird
Nina Chuba hat sie, ihr auch?
Ins Auto steigen und losdüsen - was für zahlreiche Menschen das normalste der Welt ist, ist für Menschen mit Amaxophobie, also der Angst, Auto zu fahren, eine Qual. Betroffene nehmen oft sogar lieber große Umwege mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder zu Fuß in Kauf. Aber woher kommt diese Angst überhaupt? Und was kann ich tun, wenn ich mich plötzlich nicht mehr hinters Steuer traue?
Hohe Dunkelziffer! Mehr Menschen betroffen, als man denkt
Auch Sängerin Nina Chuba (25) ist von der Angst vor dem Autofahren betroffen. Im Interview mit der Deutschen Presseagentur (DPA) verrät sie, dass sie das Autofahren derzeit noch einmal übe, auch wenn sie den Führerschein schon länger hat. Was genau bei der 25-Jährigen die Angst auslöst? Die Antwort gibt’s im Video oben.
Und Fahrangst ist bei Weitem kein seltenes Phänomen. Von Forschern der Uni Würzburg wird sie sogar zu einer der drei häufigsten Phobien gezählt - nach der Höhenangst und der Angst vor Spinnen. Die Forschung steckt in diesem Bereich allerdings noch in den Kinderschuhen.
Experten gehen von circa einer Million Betroffenen aus - plus eine hohe Dunkelziffer. Das ist eine beachtliche Zahl angesichts der 55 Millionen Menschen mit Führerschein in Deutschland.
Expertin zur Amoxophobie: „Eingestehen ist nicht leicht”
Simone Morawietz ist Fahrangst-Coach und befasst sich bereits seit zehn Jahren mit dem Thema. Sie empfängt in ihrer Praxis vier bis fünf Betroffene – und das jeden Tag. Auch sie geht von einer hohen Dunkelziffer aus. Vor allem, weil sich Betroffene oft für ihre Angst schämen.
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„Die Allgemeinheit hat auf dem Schirm: Man macht mit 18 den Führerschein und danach fährt man für den Rest des Lebens Auto – kein Problem. Es gibt aber Menschen, denen geht es anders“, so die Expertin. Die Angst, anderen Menschen, aber vor allem sich selbst einzugestehen, sei meist die größte Hürde - aber auch der erste und wichtigste Schritt zur Besserung.
Woher kommt die Angst?
Eine naheliegende Erklärung wäre: Na klar, die Person muss sicherlich einen Unfall gehabt haben. Bei dieser Annahme kann die Expertin aber ganz klar den Kopf schütteln. Oft ist sogar das Gegenteil der Fall: Absolut geübte Vielfahrer, die ganz plötzlich und ohne Auslöser hinterm Steuer schwitzige Hände und Herzrasen bekommen, erlebt sie in ihrer täglichen Arbeit sogar am häufigsten.
Bei manchen Menschen endet dieses Gefühl in regelrechten Panikattacken – bei Tempo 150 auf der Autobahn eine gefährliche Angelegenheit. Dieses Erlebnis traumatisiert die Betroffenen oft so sehr, dass sie sich danach erst einmal nicht in ihr Auto zurückzutrauen. Und die Expertin warnt: So beginnt der Teufelskreis. Je länger man sich also vom Fahrersitz fernhält, desto lähmender wird die Angst.
Im Video: Mit Flipflops hinters Steuer? So drastisch verändert sich der Fahrstil
Kein Auto - kein Job?
Besonders schlimm: Mit dem Nein zum Auto kommen oft die Existenzängste. Immerhin liest man in Stellenausschreibungen nicht selten: Führerschein unbedingt notwendig. Spätestens wenn der Job auf dem Spiel steht, holen sich immerhin viele Angstbetroffene Hilfe.
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Aber auch außerhalb des Berufs sind die Einschränkungen groß. Das Kind zum Sportverein fahren? Keine Chance. Ein Wochenendausflug? Fehlanzeige. Oft entwickelt sich dadurch eine große Abhängigkeit, beispielsweise vom Partner oder der Partnerin.
Wie stark ist die Angst?
Aber was kann ich tun, wenn ich mich plötzlich nicht mehr hinters Steuer traue? Die Fahrangst-Expertin macht Mut: „Die gute Nachricht ist, dass die leichteren Fälle schnell zu lösen sind.” Hier könnte sogar eine komplette Heilung eintreten.
Ihr Tipp: Sich die Frage stellen, ob man das Autofahren nur meidet, weil man sich etwas unsicher fühlt oder ob handfeste und belastende Ängste dahinterstecken. In diesem Fall wird eine Therapie nötig.
Interessant ist, dass die Fahrangst nicht nur die Fahrer selbst, sondern auch Beifahrer betreffen kann: Die Hände verkrampfen sich, man kneift die Augen zu und gibt Kommentare zum Fahrstil des Fahrers ab. Hier kann ebenfalls eine Therapie notwendig werden.
Morawietz: „Positive Erlebnisse im Auto sind wichtig”
Wie diese Therapie dann aussieht, ist laut Simone Morawietz ganz individuell. Sie ist allerdings kein Fan der reinen Konfrontationstherapie, in der man sich möglichst viel mit dem Autofahren konfrontiert, um der Angst etwas entgegenzusetzen.
„Das führt im Zweifel nur zu erneuten negativen Erlebnissen, die die Angst verfestigen”, sagt sie. Denn wichtig für eine Besserung sind vor allem positive Erlebnisse im Zusammenhang mit dem Autofahren.
Sie beginnt stets mit einer Therapie „auf dem Trockenen“, bevor es ins Auto geht: Denkmuster der Angst erkennen und Mittel finden, umzudenken – das ist das erste Ziel. Erst, wenn genug Vorarbeit geleistet wurde, dann geht es an die Konfrontation der Angst im Straßenverkehr, allerdings im richtigen Tempo für die individuelle Person.
Ihr leidet unter Fahrangst? Die besten Tipps zusammengefasst
Seid ehrlich zu euch selbst. Auch, wenn es unangenehm sein kann: Gesteht euch ein, wenn das Autofahren etwas ist, das euch Probleme bereitet.
Hinterfragt eure Gefühle: Fühlt ihr euch lediglich in bestimmten Situationen – beispielsweise auf Autobahnen oder Brücken – etwas unsicher, oder steckt eine handfeste Angst, gegebenenfalls sogar mit Panikattacken dahinter?
Sucht euch Hilfe, wenn letzteres der Fall sein sollte. Es gibt mehrere Therapeuten und Coaches in Deutschland, die sich auf Fahrangst spezialisiert haben. Außerdem gibt es bestimmte Fahrschulen für Menschen mit Fahrangst, die sensibel mit dem Thema umgehen.
Ihr seid lediglich ein bisschen unsicher und seid vielleicht längere Zeit kein Auto mehr gefahren? Wer jetzt mit dem Wiedereinstieg hadert, dem kann vor allem Routine und Übung helfen - am besten mit einer vertrauten Person auf dem Beifahrersitz.
Versucht, eure Autofahrten so angenehm zu gestalten wie möglich. Plant genug Zeit ein, um euer Ziel stressfrei zu erreichen. Informiert euch beispielsweise im Vorfeld über Baustellen, Umleitungen oder ähnliche Hindernisse, die euch auf eurer Strecke begegnen könnten. Was auch helfen kann: Schaltet entspannte Musik ein. (ksp)